Eishockey:Engel im Wolfspelz

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Leicht verkniffen: Löwen-Trainer Kevin Gaudet (hier noch mit Mütze) beobachtet, wie seinem Team (vorne Luca Tosto) das Spiel in Freiburg entgleitet. (Foto: G. Hubbs/Beautiful Sports/Imago)

Nicht schlau genug: Die Tölzer Löwen geben im Spitzenspiel der DEL 2 eine 3:1-Führung aus der Hand. Und Freiburg greift beherzt zu.

Von Johannes Schnitzler, München

Man kann sich Peter Russell gut in einem Film von Ken Loach vorstellen, dem Meister des britischen Sozialdramas. Loachs Filme ("Riff-Raff", "Mein Name ist Joe") spielen oft im Arbeitermilieu und behandeln die grundlegenden Dinge des Lebens. Eines Lebens, das davon geprägt ist, das tägliche Auskommen zu sichern. So, wie Peter Russell da sitzt nach dem Spiel gegen die Tölzer Löwen, ein bisschen blass und mit Strickmütze auf dem Kopf, gäbe er jederzeit einen glaubwürdigen Fischer ab auf einem Trawler irgendwo in der rauen Nordsee. Oder einen Hafenarbeiter in den Docks von Dundee. Russell ist Schotte. Wobei: So mühsam wie die Menschen in Loachs Filmen nähren sich die Freiburger Wölfe gar nicht. Im Gegenteil. Nach dem 4:3-Sieg nach Verlängerung am Dienstagabend gegen die Tölzer Löwen stehen sie weiter auf Platz zwei der DEL 2.

Am besten würde der Freiburger Trainer Russell wohl in "Angel's Share" passen. Darin erzählt Loach von dem jungen Robbie, der im Leben abzurutschen droht, ehe er sein Talent für das Verkosten von Whisky erkennt und schließlich mit Witz und Mut (und nicht ganz legal) ein paar Flaschen von einem sündhaft teuren Fass abzweigt, mit deren Erlös er seine neue bürgerliche Existenz begründen will. Die Gaunerei deklariert er frech als "Anteil für die Engel" - so nennt man den Teil der Flüssigkeit, die während des Reifeprozesses aus dem Fass verdunstet.

Auch Russells Wölfe gerieten gegen die Löwen zunächst in Schieflage. "Bad Tölz ist ein Top-Team, offensiv sehr stark und hat viel Talent", sagte der 46-Jährige. 1:3 lag die Heimmannschaft nach zwei Dritteln zurück, weil die Gäste hart arbeiteten wie Reid Gardiner vor dem 0:1 (13. Minute), der den ehemaligen Tölzer Schlussmann Ben Meisner im Freiburger Tor im Nachschuss überwand; weil sie handwerklich sauber kombinierten, etwa als Max French Verteidiger Niklas Heinzinger das 0:2 (32.) auflegte; und weil sie mit Witz agierten wie Luca Tosto, der einen Schuss von Kenney Morrison zu seinem zwölften Saisontreffer abfälschte (38.). "Aber wir sind geduldig geblieben", sagte Russell. Geduldig wie Arbeiter, die wissen, dass man im Leben wie im Sport Durchhaltevermögen braucht.

"Wir haben aufgehört zu spielen", ärgert sich Kevin Gaudet

Christian Billich (33./41.) und Andreé Hult (46./61.) mit zwei Doppelpacks drehten die Partie, wobei jeweils der zweite Treffer - elf beziehungsweise 15 Sekunden nach Beginn des dritten Drittels respektive der Verlängerung - dafür sprachen, das die Löwen in diesen Momenten nicht ganz aufmerksam waren. Das sah auch Löwen-Coach Kevin Gaudet so (der ohne Mütze zur Pressekonferenz erschien): "Wir haben nach dem 3:1 aufgehört zu spielen." Es sei zwar "nie einfach, zweimal nacheinander gegen den selben Gegner zu spielen" (am Freitag hatte Tölz Freiburg zuhause noch 4:2 geschlagen). Die Niederlage habe sich sein Team, für das Mario Lamoureux, der Ersatz für den verletzten Tyler McNeely, ein unauffälliges Debüt gab, aber selbst zuzuschreiben: "Der eine Punkt ist gut. Aber es hätten mehr sein können", fand Gaudet. Was ihn wurmte: Nach dem Ausgleich war seine Mannschaft wieder da. "Aber für drei Punkte waren wir nicht gut genug." Er habe zuletzt oft davon gesprochen, wie "schlau" sein Team und wie "stolz" er auf seine Männer sei. Am Dienstag traf beides nicht zu: "Heute bin ich enttäuscht." Tölz bleibt vor dem Spitzenspiel am Sonntag in Kassel vorerst Vierter.

Russell dagegen war zufrieden. Ohne Fans im Stadion sei es noch einmal schwieriger, das Momentum zu drehen. Deshalb sei die Freiburger Bank "laut geworden" und habe die Spieler auf dem Eis unterstützt. Man muss eben beherzt zupacken, wenn man seinen Angel's Share erhalten will.

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