Eishockey:Eine Mannschaft wie ein Kinofilm

26 10 2018 Eishockey Saison 2018 2019 DEL 14 Spieltag Thomas Sabo Ice Tigers Icetigers Nür; Martin Jiranek - Eishockey Trainer Nürnberg Ice Tigers

Nur Erfolge können die Grundskepsis im Verein vertreiben - das weiß auch er: Nürnbergs Trainer und Sportdirektor Martin Jiranek.

(Foto: Sportfoto Zink/ThHa/imago)

Nürnbergs Trainer und Sportdirektor Martin Jiranek steht nach fünf Niederlagen in Serie unter Druck, glaubt aber an die baldige Wende.

Von Christian Bernhard

Wenn jemand weiß, wie Nürnberg in Sachen Eishockey tickt, dann ist das Martin Jiranek. Neun Spielzeiten trug er als Spieler das Trikot der Ice Tigers, er hält die Rekorde für die meisten Einsätze, Tore und Assists. Seine Rückennummer 12 wird in Nürnberg nie mehr vergeben. Es muss also schon einiges passiert sein, wenn einer wie Jiranek sagt: "Das ist die schwerste Situation in meinem Eishockey-Leben."

Jiranek ist seit etwas mehr als einem Monat nicht nur mehr Sportdirektor, sondern auch Cheftrainer der Nürnberg Ice Tigers. Unter ihm verloren sie zuletzt fünfmal in Serie in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) und haben als Tabellenzwölfter bereits sieben Punkte Rückstand auf den letzten Pre-Playoff-Platz. Niklas Treutle fand am Wochenende deutliche Worte. "In den Köpfen von uns allen muss sich einiges ändern", betonte der Nationaltorhüter, "wir müssen die Situation jetzt mal begreifen, in der wir uns befinden." Das einzige, "was wir bis jetzt in dieser Saison gut machen, sind irgendwelche Ausreden finden." Laut Treutle gebe es noch "zu viele lachende Gesichter" in der Kabine.

Jiranek hingegen findet nicht, dass seine Spieler zu lässig mit der Situation umgehen. "Wir haben eine ziemlich gute Stimmung, aber nicht weil wir es zu leicht nehmen, sondern weil wir wissen, dass mehr in uns steckt." Am Mittwoch bestreiten die Nürnberger zuhause gegen die Straubing Tigers ihr zwölftes Spiel in 29 Tagen. "Die Jungs sind müde", sagt er, "wir haben den letzten Monat im Playoff-Rhythmus gespielt." Obwohl Jiranek acht seiner elf DEL-Spiele verloren und damit eine schlechtere Bilanz als der nach nur vier Spieltagen entlassene Kevin Gaudet hat, ist ein neuer, hauptamtlicher Trainer, derzeit kein Thema. Jiranek, der das volle Vertrauen von Klubboss Thomas Sabo genießt, sagt: "Ich habe viel Kraft und Energie in diese Mannschaft investiert, wir stehen das gemeinsam durch." Der 49-Jährige gibt zu, dass sein Leben im Moment einfacher wäre, wenn er sich vom Trainerposten zurückziehen würde, "aber das will ich nicht. Ich will mich mit der Mannschaft durch diese Krise durcharbeiten." Seine "Manager-Seite" habe er deshalb "etwas bei Seite gelassen".

Jiranek ist beileibe nicht der einzige Schuldige an der sportlichen Misere, Treutle fordert von allen Spielern mehr: "Jeder einzelne Spieler muss mehr Feuer auf dem Eis zeigen und sich selbst hinterfragen. Da kann auch der Trainer nichts machen." Fest eingeplante Leistungsträger wie Will Acton, der erst zwei Liga-Tore erzielt hat, enttäuschten bislang. "Er hat noch nicht seinen Weg gefunden", sagt Jiranek. Nationalspieler Leo Pföderl bekam nun Jiraneks harte Hand zu spüren. In Berlin war er am Sonntag nur Stürmer Nummer 13 und kam lediglich einmal aufs Eis. "Ich sehe im Moment keinen Grund, einen anderen Spieler sitzen zu lassen, damit Leo spielen kann", begründet Jiranek seine Entscheidung. Die Gerüchte um seinen angeblichen Wechsel nach Berlin zur kommenden Saison scheinen Pföderl zu belasten. "Das könnte sein", sagt Jiranek, "aber er wird für den Rest der Saison von den Ice Tigers bezahlt und ich erwarte, dass er Gas gibt und sein Bestes macht, um der Mannschaft zu helfen." Auch gegen Straubing wird Pföderl als überzähliger Angreifer auf der Bank sitzen. "Wir fangen so an wie zuletzt", betont Jiranek.

Die Transfersaga um Pföderl ist nur eine jener Geschichten rund um die Ice Tigers, die den Eindruck erwecken, dass der Verein nach zuletzt drei Halbfinalteilnahmen in Serie mehr als nur eine sportliche Ergebniskrise durchlebt.

Jiranek nimmt das wahr und kann den Unmut der Fans verstehen: "Ich bin der Letzte der sagt, warum sind die Leute so negativ?" Er wählt eine cineastische Metapher, um die aktuelle Situation zu beschreiben. "Wir sind wie ein Kinofilm: die Leute zahlen Geld, um den Film zu sehen. Momentan sind wir im negativen Teil des Films, da wo alles dunkel ist und die Zuschauer denken: 'Mist, der Hauptdarsteller wird sicher sterben.' Aber wir sind noch nicht einmal bei der Hälfte des Films. Meine Prognose lautet: die guten Zeiten kommen noch." Jiranek spricht sehr emotional, man merkt, wie nahe ihm all das geht, was gerade passiert.

Er weiß aber auch, dass nur Erfolge die Grundskepsis, die den Verein im Moment umgibt, vertreiben können. Sein Berliner Kollege Clement Jodoin hat das am Sonntag auf den Punkt gebracht. Nur wenige Meter neben Jiranek sitzend sagte er auf der Pressekonferenz: "Im Profigeschäft zählt nur eine Währung: Siege." Jiranek ist sich dessen bewusst. Mit Blick auf die anstehende Deutschland-Cup-Pause (5. bis 15. November) sagt der Trainer: "Wenn wir nicht mit einer besseren Form aus der Pause kommen, ist es Zeit, dass ich in den Spiegel schaue."

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