Eishockey:Eine Liga im Stand-by-Betrieb

Eishockey: Allzeit bereit: Wer gegen wen? Ist fast schon egal. Hauptsache, es wird gespielt, am besten vor ein paar Zuschauern - Szene aus dem DEL-Alltag in Wolfsburg.

Allzeit bereit: Wer gegen wen? Ist fast schon egal. Hauptsache, es wird gespielt, am besten vor ein paar Zuschauern - Szene aus dem DEL-Alltag in Wolfsburg.

(Foto: Susanne Huebner/imago)

Corona hat die Tabelle der DEL stark verzerrt. Auch während der geplanten Olympia-Pause mussten die Teams deshalb spielen. Durch das stramme Nachholprogramm steigt die Belastung für die Profis in den Grenzbereich. Andererseits kämpfen die Klubs um ihre wirtschaftliche Existenz.

Von Christian Bernhard, München

Pavel Gross wollte "nicht lange um den heißen Brei herumreden" und ordnete die Niederlage der von ihm trainierten Adler Mannheim ohne Umschweife in die Kategorie "bitter" ein. Bis zweieinhalb Minuten vor Spielende hatten die Adler am Montagabend in Nürnberg geführt - und noch 2:3 verloren. Ungewöhnlich - vor allem im Anbetracht der Tatsache, dass die Mannheimer in den vergangenen vier Jahren alle 15 Duelle mit Nürnberg für sich entschieden hatten.

Aber was ist in dieser Saison schon gewöhnlich in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) ?

Ungewöhnlich war ja nicht nur das Ergebnis, sondern alleine schon die Tatsache, dass überhaupt gespielt wurde. Eigentlich hätten am Montag so wie auch in den drei Wochen zuvor keine DEL-Spiele stattfinden sollen, die Liga hatte vom 29. Januar bis 22. Februar eine Pause vor und während der Olympischen Spiele in Peking geplant. Aber für Pausen hat die DEL keine Zeit mehr. Wegen Corona. Mehr als 40 Partien sind bereits wegen Infektionsfällen oder behördlich angeordneter Mannschaftsquarantänen ausgefallen, also entschied die Liga, auch während Olympia Spiele zu ermöglichen, falls sich die Mannschaften untereinander auf Termine verständigen können. 16 Nachholpartien konnten so immerhin in die vermeintliche Pause gequetscht werden.

Da die deutsche Auswahl in Peking bereits in der ersten K.-o.-Runde ausgeschieden und früher als erhofft in die Heimat zurückgekehrt war, kamen selbst einige Olympia-Teilnehmer in den "Genuss", drei Tage nach dem 0:4 gegen die Slowakei schon wieder in der DEL zu spielen - so wie der deutsche Kapitän Moritz Müller (Köln) und Frederik Tiffels (München), die sich wenige Stunden nach ihrer Rückkehr am Donnerstag aus China schon am vergangenen Freitag in Köln gegenüberstanden. Für die restlichen DEL-Spieler verlief die Olympiapause, die keine mehr war, höchst unterschiedlich. Während die Augsburger Panther gleich vier Nachholspiele austrugen und nicht abgeneigt gewesen wären, noch mehr zu absolvieren, hatten die Nürnberger Spieler zwei Wochen frei. Die Augsburger kamen in den Genuss von gerade einmal vier Tagen Erholung.

In der DEL 2 kommt die Quotientenregel zum Tragen: Gewertet werden Punkte pro Spiel, weil es keine Nachholtermine mehr gibt

Die Tabelle ist trotzdem noch immer schief: Die Kölner Haie haben 45 Partien bestritten - und damit sieben mehr als die Adler aus Mannheim. Damit zumindest theoretisch noch die Möglichkeit besteht, alle Hauptrundenpartien austragen zu können, einigten sich die 15 Erstligisten vergangene Woche darauf, die Hauptrunde um eine Woche zu verlängern. In der 2. Liga, der DEL2, ist das bereits nicht mehr möglich - so dass die Quotienten-Regelung für die Berechnung der Tabelle herangezogen wird: Entscheidend für die Rangfolge ist die Zahl der erzielten Punkte pro Spiel. Auch Auf- und Abstieg wird von der Pandemie beeinflusst. Aufgrund des "andauernden sportlichen und wirtschaftlichen" Einflusses der Pandemie einigten sich DEL und DEL2 vergangene Woche darauf, in der laufenden Saison nur einen Absteiger aus dem Oberhaus zu verabschieden. Dass eigentlich zwei Teams absteigen sollten, um die DEL wieder auf ihre Sollstärke von 14 Klubs zu reduzieren, erschien des Gesellschaftern angesichts der Umstände zu brutal; vergangene Saison wurde der Abstieg ganz ausgesetzt, mit Aufsteiger Bietigheim spielen aktuell 15 Teams in der Liga.

Die Austragung so vieler Spiele wie nur möglich ist freilich nicht nur für die Tabelle relevant, sondern vor allem für die wirtschaftliche Situation der Klubs, die nach einer Geisterspielsaison und durch aktuell stark eingeschränkte Publikumskontingente immer noch angespannt ist. Bei einigen sei "sogar die Existenz bedroht", hieß es in einem von DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke mitunterzeichneten Brief der deutschen Fußball-, Eishockey-, Handball- und Basketball-Profiligen an das Kanzleramt und die Ministerpräsidenten.

Eishockey: Bis zur Erschöpfung: Augsburgs David Stieler klagte vergangenen Mittwoch gegen Wolfsburg plötzlich über Unwohlsein und Atemprobleme und wurde noch während der Partie von seinen Mannschaftskollegen isoliert. Am Morgen war sein PCR-Test noch negativ ausgefallen.

Bis zur Erschöpfung: Augsburgs David Stieler klagte vergangenen Mittwoch gegen Wolfsburg plötzlich über Unwohlsein und Atemprobleme und wurde noch während der Partie von seinen Mannschaftskollegen isoliert. Am Morgen war sein PCR-Test noch negativ ausgefallen.

(Foto: Stiebert/Fotostand/imago)

So viele Partien in kurzer Zeit, die nun auf zahlreiche Teams zukommen - für Mannheim sind es 18 in weniger als sechs Wochen -, bedeuten allerdings auch, dass die DEL-Teams jetzt schon im Playoff-Rhythmus spielen. "Die Sache ist nur die: Du machst das jetzt vier Wochen lang - und dann starten erst die Playoffs", sagt Nürnbergs Sportdirektor Stefan Ustorf. Das sei für die Spieler "schon sehr anstrengend" und nicht ohne Risiko, "was die Gesundheit der Spieler betrifft." Dass diese weiterhin von Corona gefährdet ist, wurde erst kürzlich wieder deutlich. Augsburgs Angreifer David Stieler klagte vergangene Woche gegen Wolfsburg plötzlich über Unwohlsein und Atemprobleme und wurde noch während der Partie von seinen Mannschaftskollegen isoliert. "Das ist natürlich tragisch, in der Kabine geht es dann rund", berichtete Augsburgs Mentaltrainer Ulf Wallisch bei Magentasport. Stielers PCR-Test am Spieltag war negativ ausgefallen, danach wurde eine Omikron-Infektion festgestellt.

Nürnbergs Stürmer Marko Friedrich war Ende Januar in Augsburg direkt aus der Quarantäne kommend ohne Training in den Wettkampf zurückgekehrt und dachte, wie er hinterher berichtete, "mein Herz explodiert". Die Franken verloren 4:9, aber mit Leistungssport, sagte Friedrich den Nürnberger Nachrichten, "hatte das nichts zu tun". Die Ice Tigers mussten damals mit elf Feldspielern antreten, denn laut den DEL-Regularien gilt eine Mannschaft ab zehn Feldspielern (plus ein Torhüter) als spielfähig. Nürnbergs Trainer Tom Rowe sah das anders. "Es war lächerlich und hat unsere Spieler in große Verletzungsgefahr gebracht", polterte er nach der Partie. Seine Spieler säßen "zerstört in der Kabine", es sei "einfach nicht gut, was hier passiert ist". Auch Ingolstadt hatte leichtes Spiel mit dezimierten Straubingern (8:1) und Nürnbergern (10:1). Und nach wie vor drohen ja weitere Spielausfälle.

Allen Beteiligten wird also auch in den kommenden Wochen nicht erspart bleiben, was seit Beginn der Pandemie für viele Alltag ist: zu improvisieren. Augsburg konnte Ende Januar zum Beispiel nicht wie geplant gegen Wolfsburg antreten - und einigte sich stattdessen spontan mit den eigentlich spielfreien Iserlohn Roosters auf ein Duell. Allzeit bereit.

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