Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Eine Frage der Ehre

Mit einem überzeugenden Erfolg beim ERC Ingolstadt beendet der EHC Red Bull München seinen ungewohnten Negativlauf gegen die Topteams der Liga.

Von Christian Bernhard

Yannic Seidenberg grinste kurz, ehe er losplauderte. Er habe Anfang der Woche neue Handschuhe bekommen, erzählte der Verteidiger des EHC Red Bull München, und einen neuen Schläger ebenfalls. "Das war ein Schläger zum Schießen, nicht zum Passen", berichtete er. Sein Gefühl bestätigte sich am Dienstagabend. Der EHC gewann das Derby beim ERC Ingolstadt 5:2 (3:0, 1:1, 1:1) - und Seidenberg traf doppelt. Der 37-Jährige rundete damit einen speziellen Abend für ihn ab: Durch seinen 1027. Einsatz in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) überholte er den ehemaligen Ingolstadt-Kapitän Patrick Köppchen und ist nun alleiniger Fünfter in der ewigen Liste.

Auch für seine Mitspieler war es ein besonderer Abend: Nach drei Niederlagen gegen Ingolstadt feierten die Münchner im vierten Anlauf ihren ersten Saisonsieg gegen den ERC. Sechsmal hatte der EHC in dieser Saison zuvor gegen Ingolstadt und die erstplatzierten Adler Mannheim gespielt - und all diese Partien verloren. Das nagte am Selbstverständnis der Münchner, Angreifer Frank Mauer machte es zu einer "Frage der Ehre", den ungewohnten Negativlauf zu beenden. Am Dienstag mündete dieses Vorhaben in eine überzeugende Leistung. "Unser Forechecking war extrem gut, wir haben ihnen nicht viel Zeit gegeben", sagte Seidenberg. Speziell in den ersten zwei Dritteln ließ der EHC dem ERC kaum Luft zum Atmen und provozierte damit immer wieder Fehler der Ingolstädter. "Heute zeigen wir endlich mal, was wir können", sagte Justin Schütz bei Magentasport. "Wir versuchen das ganze Jahr schon, so aggressiv zu spielen, bis jetzt hat es leider noch nicht so funktioniert." Diesmal klappte es.

Münchens Trainer Don Jackson wies auf der Pressekonferenz in guter alter Gentleman-Manier darauf hin, dass es schwer sei, Ingolstadt zu kontrollieren und dass beide Teams "sehr, sehr hart und mutig" gespielt hätten. Dieses Lob konnte und wollte Doug Shedden allerdings nicht annehmen. Der ERC-Trainer, der seine Pressekonferenz-Statements eigentlich in Englisch abgibt, entschied sich diesmal, seine Ausführungen auf Deutsch zu beginnen. Dann sagte er wörtlich: "Wir waren Hundescheiße." Sein Team sei nicht mal annähernd an den Münchnern dran gewesen, erklärte er, "ich hatte das Gefühl, sie hatten immer einen Mann mehr auf dem Eis". Er könne nicht einen Spieler benennen, der gut gewesen sei. Auch sein Kapitän Fabio Wagner fällte ein hartes Urteil. In den ersten 40 Minuten habe sein Team jeden Zweikampf verloren, betonte er, "wir waren immer einen Schritt zu langsam".

Ein Sonderlob bekommt die Angriffsreihe Gogulla, Schütz und Mauer

Was die Münchner bis knapp vor der zweiten Drittelpause zeigten, war in der Tat beeindruckend. Der EHC-Druck sorgte dafür, dass die Ingolstädter nicht ihr gefürchtetes Umschaltspiel aufziehen konnten. "München war in allen Belangen besser", konstatierte Wagner. "Sie waren immer schnell bei uns und haben eng gespielt. Das hat es uns ganz schwer gemacht, aus der eigenen Zone zu kommen - und dann passieren halt Fehler." Seidenberg (7.), Justin Schütz (10.) und Philip Gogulla (13., Überzahl) sorgten früh für das 3:0, Jackson sprach von der besten Startphase in der ganzen Saison. Der beste Angriff der Liga untermauerte seine Variabilität - und konnte diesmal auch auf das Powerplay bauen. Nach Gogulla trafen auch Kapitän Patrick Hager (40.) und erneut Seidenberg (41.) in Überzahl - und das gegen das statistisch zweitbeste Unterzahlspiel der Liga.

Defensiv agierten die Münchner auch sehr aufmerksam - und Torhüter Kevin Reich bewahrte sein Team kurz nach dem 1:3 von Louis-Marc Aubry (37.) mit einer starken Parade vor dem 2:3. "Reich war wirklich gut", unterstrich Jackson. Ein Sonderlob bekam auch die Angriffslinie um Gogulla, Schütz und Mauer, die vier Scorerpunkte sammelte. "Fantastisch" spiele diese derzeit, hob Jackson hervor. Das lässt sich auch mit Zahlen belegen: Schütz erzielte zum vierten Mal in Folge ein Tor, Gogulla punktet seit sechs aufeinanderfolgenden Spielen.

Nach der ersten überzeugenden Leistung der Saison in einem Topspiel, die ihnen in der Tabelle einen Vier-Punkte-Vorsprung auf die drittplatzierten Ingolstädter bescherte, ging der Blick der Münchner bereits in Richtung Playoffs. Gogulla verwies darauf, dass der EHC schon seit Juli im Mannschaftstraining sei. "Hoffentlich haben wir uns da die Körner geholt, die wir jetzt hinten raus brauchen", sagte er. Schütz betonte, dass noch viele Spiele anstünden und findet: "Am besten jetzt erst richtig loslegen, als früh in der Saison und dann später absacken."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5224115
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.