Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Ein letzter großer Job

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Der ERC Ingolstadt geht mit reichlich Selbstvertrauen ins durchaus besondere Derby gegen den EHC München. Denn in den kommenden Wochen gehen sich die Teams aufgrund des Spielplans in der Deutschen Eishockey Liga zwar aus dem Weg, dürften sich aber wohl in der ersten Playoff-Runde wiedersehen.

Von Christian Bernhard

Wäre das Gehalt von Eishockey-Profis an die Spieldauer gekoppelt, hätte Michael Garteig in den vergangenen Wochen einige Zulagen kassiert. Der Torhüter des ERC Ingolstadt musste bei seinen vergangenen sechs Einsätzen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gleich viermal eine doppelte Zusatzschicht leisten: Auf eine fünfminütige Verlängerung folgte in allen Fällen ein Penaltyschießen. Da Garteig diese Disziplin - in der unweigerlich die Torhüter in den Mittelpunkt rücken - blendend beherrscht, sicherte er seinem Team dabei dreimal den Sieg.

Vergangenen Samstag allerdings gelang ihm das nicht, der ERC verlor sein Auswärtsspiel bei den Schwenninger Wild Wings mit 1:2 nach Penaltyschießen, weil "die auch keinen Blinden im Tor stehen haben", wie ERC-Angreifer David Elsner es ausdrückte. Joacim Eriksson wehrte in den 65 Spielminuten starke 37 Schüsse der Ingolstädter ab und vereitelte dann auch noch alle drei ERC-Penaltys. "Wir hatten deutlich mehr Chancen als Schwenningen", betonte Ingolstadts Trainer Doug Shedden, "aber Eriksson ist einfach ein verdammt guter Goalie."

Da die Oberbayern nur einen Punkt aus dem Schwarzwald mitnahmen und der EHC Red Bull München am Sonntag sein Heimspiel gegen die Straubing Tigers mit 6:3 gewann, fielen die Ingolstädter auf Rang drei der Süd-Tabelle zurück, einen Punkt hinter den Münchnern. Am Dienstag können sie sich den zweiten Rang zuhause im direkten Oberbayern-Duell aber schon wieder zurückholen (18.30 Uhr). Das Shedden-Team geht mit reichlich Selbstvertrauen in das vierte und letzte Hauptrundenduell mit dem DEL-Meister der Jahre 2016, 2017 und 2018. Denn die bisherigen drei Saison-Aufeinandertreffen haben die Ingolstädter allesamt für sich entschieden. Vergangene Woche erst gab es nach einem 0:2-Rückstand noch einen 3:2-Heimsieg - passenderweise nach Penaltyschießen.

Für die Ingolstädter geht es im Derby auch darum, zurück zu alter Konstanz zu finden

Das Dienstags-Derby wird nun noch bedeutsamer, da es für beide Klubs die letzte Möglichkeit ist, sich vor den Playoffs direkt zu beschnuppern. Bevor diese beginnen, stehen zwar noch 18 Spiele an (14 davon gegen Teams aus der Nordgruppe). Doch die Wahrscheinlichkeit, dass sich der ERC und der EHC in der ersten Play-off-Runde wieder gegenüberstehen, ist ziemlich groß, da sich die Mannheimer Adler an der Spitze der Süd-Tabelle sehr stabil zeigen und das Polster der Ingolstädter auf die viertplatzierten Augsburger Panther mit elf Punkten mehr als ordentlich ist. Münchens Trainer Don Jackson misst den abschließenden Begegnungen gegen die Kontrahenten im Süden jedenfalls "sehr große Bedeutung" zu, "weil es das letzte Mal ist, dass wir big jobs erledigen können", sagte er.

Für die Ingolstädter geht es im Derby auch darum, zurück zu alter Konstanz zu finden, denn in den vergangenen sieben DEL-Partien haben sie nur einmal drei Punkte geholt. "Möglicherweise befinden wir uns in einem kleinen Loch, das während einer Saison eigentlich jede Mannschaft mal hat", sagte Kapitän Fabio Wagner vergangene Woche der Neuburger Rundschau. Der Verteidiger hat das Gefühl, dass das Team "etwas nachgelassen" habe, speziell was die Stabilität im Spiel betrifft. Die offensive Leichtigkeit, die im Januar regelmäßig zu sehen war, kam dem ERC neuerdings etwas abhanden; einen Monat lang gab es zuletzt maximal drei ERC-Tore pro Partie. Um neue Impulse zu setzen, stellte Shedden deshalb mehrfach die Angriffsreihen um.

Vielspieler Garteig zeigt verlässlich starke Leistungen

Umso wichtiger ist es, dass Vielspieler Garteig - nur drei der bisherigen 20 ERC-Partien begann sein Ersatz Nicolas Daws - verlässlich starke Leistungen zeigt. Der 29-jährige Kanadier, der aus Finnland nach Ingolstadt kam, hat den besten Gegentorschnitt der Liga (1,85 pro Partie) und die zweitbeste Fangquote aller DEL-Torhüter (93 Prozent). "Unser Torhüter ist unser bester Spieler, das ist immer schön", sagt Wayne Simpson. Dieses Lob hat besonderes Gewicht, denn Simpson war der DEL-Topscorer der vergangenen Saison. Garteig ist also einer der Hauptgründe, warum die Ingolstädter in dieser Saison auf Augenhöhe mit den Münchnern sind. "Er strahlt sehr viel Ruhe aus", sagt Wagner, für den der Kanadier "unser Fels in der Brandung" ist.

Die Ruhe ist besonders in Unterzahl gefragt, und da waren die Ingolstädter jüngst besonders stark: In Schwenningen blieb der ERC zum fünften Mal in seinen vergangenen sechs Partien ohne Gegentor bei gegnerischer Überzahl; ligaweit haben statistisch gesehen nur die Mannheimer ein noch besseres Penaltykilling. Der Mix aus einem starken Torhüter, einer stabilen Defensive und einer temporeichen Offensivabteilung bringt Wagner, der mittlerweile der dienstälteste Profi im Klub ist, dazu, die aktuelle ERC-Mannschaft in Sachen Talent und Potenzial mit jener aus der Saison 2014/15 zu vergleichen. Jenes Team schaffte etwas, woran sich die heutige Auswahl messen lassen muss: Damals drang der ERC bis ins Playoff-Endspiel vor, wo er erst von den Mannheimer Adlern gestoppt wurde.

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