DEL-Playoffs:Plötzlich sind die Drachentöter verwundbar

DEL-Playoffs: Justin Schütz vom EHC Red Bull München gegen den ERC Ingolstadt

Aus und vorbei: Für den EHC Red Bull München um Stürmer Justin Schütz ist die Saison beendet.

(Foto: Markus Fischer/Passion2Press/Imago)

Erstmals seit 2015 verpasst der EHC Red Bull München die Halbfinal-Playoffs. Nach dem überraschenden Aus kündigt sich ein Umbruch an.

Von Johannes Schnitzler

Tim Stützle ist erst 19 Jahre alt. Das sollte man bedenken, wenn man nun sagt: Stützle hat einen Fehler gemacht. Einen Kardinalfehler sogar: Er hat sich festgelegt. Stützle, Eishockeyprofi in der nordamerikanischen Nonplusultra-Liga NHL, hat Donnerstagnacht beim 3:0 seiner Ottawa Senators gegen Vancouver bereits zum achten Mal in dieser Saison getroffen. Er hat mehr profunde Sachkenntnis einzubringen als viele, die diesen Sport von Berufs wegen einordnen, Journalisten oder andere sogenannte Experten. Deshalb lassen sich diese auch immer ein Türchen offen, um hinterher auf jeden Fall bei den Rechthabern gewesen zu sein. Die Prognosen vor dem Beginn der Playoffs in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) lauteten also: Meister werden die Adler Mannheim. Oder der EHC Red Bull München. Auch die Eisbären Berlin kämen infrage. Eventuell noch Ingolstadt. Oder eines der vier anderen Teams im Viertelfinale. Die Liga ist ja auch in dieser Corona-komplizierten Saison wieder ausgeglichener denn je ... So sprechen Experten.

Stützle aber sagte im Sport-1-Podcast: "Mich würde es sehr, sehr groß wundern, wenn Mannheim dieses Jahr nicht Meister wird." Ein bemerkenswerter Satz, der womöglich dadurch getriggert war, dass Stützle bis zu seinem Wechsel in die NHL für Mannheim gespielt hat (immerhin sagte er nicht, dass Krefeld Meister wird, sein Jugendverein, der in dieser Saison konstant Letzter war, sozusagen das Ottawa der DEL). Prompt verloren die Adler ihr erstes Viertelfinalspiel gegen Straubing 2:3.

Zu ihrer und zu Stützles Beruhigung gewannen sie dann am Donnerstag 3:1 und erzwangen das entscheidende dritte Spiel am Samstag um den Einzug ins Halbfinale dieser verkürzten Playoffs. Auch die Grizzlys Wolfsburg (3:2 gegen Bremerhaven) und die Eisbären Berlin (6:0 bei den Iserlohn Roosters) glichen ihre Best-of-3-Serien aus. Was selbst erfahrene Experten seit Donnerstagabend aber ohne Hintertürchen sagen können: München wird 2021 nicht Meister werden. Das Team von Trainer Don Jackson verlor auch das zweite Spiel gegen den ERC Ingolstadt trotz eines zwischenzeitlichen Zwei-Tore-Vorsprungs noch 4:5 nach Verlängerung. Erstmals seit 2015 ist München im Halbfinale nicht dabei.

Der Unterschied zu den Meisterjahren: München macht Fehler

Das Aus für den Meister der Jahre 2016 bis 2018 kommt zu diesem frühen Zeitpunkt durchaus überraschend. Eine Sensation ist es nicht. Ingolstadt hatte drei der vier Hauptrundenspiele gegen München gewonnen und den EHC am Dienstag beim 4:1 in dessen Halle taktisch clever ausgehebelt. Am Donnerstag waren die Münchner bestrebt, diese Delle auszubeulen. Nach 40 Minuten führten sie 4:2 und zeigten das oft bemühte Playoff-Eishockey: hart in den Zweikämpfen, zügig ohne Umwege zum gegnerischen Tor, in der Defensive weniger konteranfällig als zuletzt.

Aber der EHC München von 2021 ist nicht der EHC der Meisterjahre. Gegen jenes Münchner Team mit einem 2:4-Rückstand in ein letztes Playoff-Drittel zu ziehen wäre einem Himmelfahrtskommando gleichgekommen. Sinnlos. An diesem Donnerstag ließen die Münchner indes zu, dass Ingolstadt noch zum Ausgleich kam: Torhüter Danny aus den Birken rutschte ein Schuss von Wayne Simpson durch die Schoner, Louis-Marc Aubry durfte vor dem Tor ohne große Bedrängnis abfälschen - und nach exakt zwei Minuten Verlängerung war der vermeintliche Favorit raus aus dem Meisterschaftsrennen. Brandon DeFazio hatte zum 5:4 für Ingolstadt abgestaubt, eine Kopie des 2:1 von Tim Wohlgemuth. "Jeder Fehler hat gezählt", sagte EHC-Coach Don Jackson. "Und sie haben dafür gesorgt, dass sie zählen."

ERC Ingolstadt - EHC Red Bull München

"Wir werden bereit sein": Trainer Don Jackson, 64, sagt, er könne die neue Spielzeit schon jetzt kaum erwarten.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Das war der eine Teil der Wahrheit. Der andere, überraschende war, dass sein Team überhaupt plötzlich Fehler macht. ERC-Trainer Doug Shedden sagte nach der Partie bei Magentasport, er fühle sich "wie ein erschlagener Drache"; zwei Drittel lang habe seine Mannschaft mit München nicht mithalten können. Statt wie früher aber, gestählt durch das Bad im Drachenblut, zum Todesstoß anzusetzen, ließen die Münchner Ingolstadt entkommen. Shedden sagte respektvoll: "Sie sind Champions und sie haben den Stammbaum von Champions." Die Situation in München erinnert aber an die Ära der Eisbären Berlin, die unter Jackson, dem erfolgreichsten Trainer der DEL-Geschichte, zwischen 2008 und 2013 fünf Mal den Titel gewannen. Am Ende dieser Epoche wirkte die einst unverwundbare Mannschaft aber verbraucht. Der Erfolg ging zu Lasten der Erneuerung.

Von den Kölner Haien soll Nationalspieler Frederik Tiffels nach München wechseln

Auch in München spielt der Stamm seit Jahren zusammen. Ohne den 2019 zurückgetretenen Kapitän Michel Wolf, den 2020 zurückgetretenen Jason Jaffray und den verletzten Kapitän Patrick Hager fehlten dem aktuellen Team aber wichtige Treiber. Mehrmals soll es im Verlauf der Saison in der Kabine laut geworden sein, und das nicht, weil die Spieler Stimmungslieder sangen. Trotz etlicher Nachverpflichtungen stellte sich keine Ruhe ein. Auch Schlussmann Danny aus den Birken, 36, der verletzungsbedingt in dieser Saison nur 20 Mal zwischen den Pfosten stand, war kein stabilisierender Faktor und machte am Donnerstag bei zumindest drei Gegentreffern keine glückliche Figur. Schon 2019 im Finale gegen Mannheim war der EHC klar unterlegen. Der Stamm ist in die Jahre gekommen. Und der Baum wirkt zunehmend morsch.

ERC Ingolstadt - EHC Red Bull München

"Schwer in Worte zu fassen": Ernüchterung auf der Münchner Bank nach der 4:5-Niederlage in Ingolstadt.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

In München haben sie das wohl erkannt. Ex-Kapitän Wolf soll im Management künftig Christian Winkler unterstützen, der als Eishockey-Direktor bei Red Bull auch für den Schwesterklub Salzburg zuständig ist. Wolfs Aufgabengebiete sind Teamentwicklung, Scouting und Planung. Don Jackson, mittlerweile 64, gilt als unantastbar. Nach dem Aus sagte er, die Niederlage sei "schwer in Worte zu fassen". Er fühle sich aber gut und könne die nächste Saison kaum erwarten: "Wir werden bereit sein." Zu den geplanten Veränderungen gehört nach SZ-Informationen der Wechsel von Nationalspieler Frederik Tiffels, 25, von den Kölner Haien in die bayerische Landeshauptstadt. "Es gibt Plätze zu füllen", sagte Jackson. Nach der kommenden Saison wollen die Münchner schließlich in ihre neue Halle im Olympiapark umziehen. Und das bitte nicht als amtierender Viertelfinalist.

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