Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Die NHL erzürnt ihre Besten

  • Die kommende Saison in der NHL soll nicht für die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang unterbrochen werden.
  • Die Reaktionen auf die Entscheidung reichen von Bestürzung bis Wut.
  • Es ist auch ein widersprüchlicher Vorgang, da die Liga eigentlich den Markt in Fernost erschließen möchte.

Von Johannes Schnitzler

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) kennt sich aus mit schlechter Presse. Insofern war es eine beachtliche Leistung, dass sich das Welt-Sport-Konsortium am Dienstag in den Schatten eines 1,73 Meter kleinen Anwalts aus Queens ducken konnte. Aber an diesem Tag war in der Welt des Sports kein größerer Buhmann zu finden als Gary Bettman.

Der 64-Jährige verkündete in der Nacht zum Dienstag in seiner Funktion als Commissioner die Entscheidung der National Hockey League (NHL), die kommende Saison nicht für die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang zu unterbrechen. Die Stars aus der besten Eishockey-Liga der Welt werden somit beim größten Sport-Ereignis des Planeten fehlen. Die Verhandlungen zwischen NHL, IOC und Weltverband IIHF hatten sich über Monate gezogen. Die Entscheidung sei "endgültig", ließ Bettman wissen.

Die Reaktionen darauf reichten von Bestürzung bis Wut. Aus Lausanne hieß es: "Das IOC bedauert die Athleten wirklich sehr." Ein wenig Selbstmitleid schwang in diesen Worten mit. Denn die Spiele verlieren durch das "No" der NHL ihre größte Attraktion. Das Eishockey-Finale ist traditionell der Abschluss und Höhepunkt der Winterspiele. Zuletzt fehlten die NHL-Profis 1994 in Lillehammer. Deutlicher wurde Erik Karlsson von den Ottawa Senators: "Scheiße", fluchte der Schwede, "ich verstehe das nicht. Wer auch immer diese Entscheidung gefällt hat - sie hatten keine Ahnung, was sie damit anrichten."

Carey Price, kanadischer Olympiasieger von 2014, warf den Teambesitzern vor, "nur die Dollar-Zeichen gesehen" zu haben: "Man muss aber auch die menschliche Seite betrachten." Der Nürnberger Brandon Prust, vergangene Saison noch bei den Vancouver Canucks unter Vertrag, wandte sich direkt an Bettman: "Das ist der Weg, Eishockey noch mehr zu ruinieren, Gary."

"Ich bin sicher, dass wirklich jeder bei Olympia spielen will"

Nun muss man jemanden wie Alexander Owetschkin nicht bedauern. Der Linksaußen der Washington Capitals verdient rund zehn Millionen Dollar pro Saison, die NHL hat den Russen reich gemacht. Owetschkin war dreimal Weltmeister mit der Sbornaja, er hat fast 1000 Spiele in der NHL und mehr als 1000 Scorerpunkte gemacht. Aber eine olympische Goldmedaille fehlt dem 31-Jährigen noch. Zuletzt hatte er immer wieder betont: "Ich bin sicher, dass wirklich jeder bei Olympia spielen will. Das ist toll fürs Eishockey, toll für uns und toll für unsere Länder." Ob es Ausnahmegenehmigungen geben werde, dazu hat sich die NHL bislang nicht geäußert. Owetschkin aber kündigte bereits an, notfalls ohne Erlaubnis in Pyeongchang zu spielen.

Auch in Deutschland kritisierten Spieler und Fans die NHL. Bundestrainer Marco Sturm, 1997 bis 2012 Profi in Nordamerika und zweimaliger Olympia-Teilnehmer, sagte: "Das ist insbesondere für unsere deutschen NHL-Akteure enttäuschend, die maßgeblich an unserer Olympia-Qualifikation beteiligt waren." Die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) wird in Pyeongchang unter anderem auf Leon Draisaitl und Stanley-Cup-Sieger Tom Kühnhackl verzichten müssen. DEB-Präsident Franz Reindl übte sich derweil in Pragmatismus: "Mir tut es wahnsinnig leid für die Spieler. Aber das eröffnet natürlich auch Möglichkeiten für die Nationen mit weniger NHL-Spielern." In der Schweiz sprachen Kommentatoren gar von einem "Glücksfall" und witterten "die große Chance auf eine Medaille". 1976 hatten die Deutschen in Innsbruck unter ähnlichen Bedingungen sensationell Bronze geholt.

Gary Bettman lassen die Einwände indes kalt. Die NHL feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen, beinahe ein Viertel dieser Zeit steht der gebürtige New Yorker ihr vor, unter ihm hat sie ihre Einnahmen von 400 Millionen auf 2,2 Milliarden Dollar gesteigert. Das nächste große Ziel ist die Erschließung neuer Märkte in Fernost. Allerdings nicht im vergleichsweise unbedeutenden Südkorea: China heißt das Ziel. 2022 finden die Winterspiele in Peking statt. Im Herbst dieses Jahres schickt die NHL schon mal ein paar Klubs auf PR-Tour vor.

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SZ vom 05.04.2017/ska
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