Deutschland bei der WM:Jugendliche Frechheit im deutschen Eishockey

IIHF World Ice Hockey Championship 2021 - Group B - Norway v Germany

Ein Tor und Lob der Kollegen: Lukas Reichel trifft zum 4:0 für Deutschland gegen Norwegen.

(Foto: Vasily Fedosenko/Reuters)

Der Nationalmannschaft gelingt ein überzeugender Auftakt mit vielen Toren bei der WM in Riga - auch dank des 19-jährigen Berliners Lukas Reichel. Doch nun wartet am Montag der Rekordweltmeister.

Von Christian Bernhard

Manche Namen im Eishockey lösen unweigerlich große Erwartungen aus. Lukas Reichel weiß das ganz genau, denn er trägt so einen Namen. Sein Onkel Robert Reichel ist eine tschechische Eishockey-Legende, wurde Olympiasieger, mehrmals Weltmeister und absolvierte rund 900 NHL-Spiele. Martin Reichel, Lukas' Vater, kann mehr als einhundert Länderspiele für Deutschland und über 700 Spiele in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) vorweisen. Es ergibt also durchaus Sinn, wenn Lukas Reichel sagt: "Ich will der nächste Reichel sein."

Bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Lettland macht der 19-Jährige weitere Schritte in diese Richtung. Am Samstag besiegte die deutsche Nationalmannschaft Norwegen 5:1. Es war der zweite Gruppensieg binnen 18 Stunden, zum Auftakt hatte es ein deutliches 9:4 gegen Italien gegeben. Reichel traf in beiden Spielen und wurde nach der Norwegen-Partie als bester deutscher Spieler geehrt.

"Wenn ich der Mannschaft mit Toren helfen kann, ist das immer gut", sagte der 19-jährige Angreifer der Eisbären Berlin beim Sender Sport1. "Sein Tor war einfach unglaublich", urteilte Matthias Plachta über Reichels Solo zum 4:0 gegen Norwegen: "Das zeigt seine individuelle Klasse. Auf so engem Raum die Scheibe so unters Dach zu legen, das kann nicht jeder."

Reichel ist in Riga Teil jener Angriffsformation, die die Eisbären Berlin zum Gewinn der deutschen Meisterschaft geführt hat. An seiner Seite spielen Marcel Noebels und Leo Pföderl, und ihr Auftritt wirkt in den ersten zwei WM-Spielen ähnlich überzeugend wie in der DEL. Reichel (zwei Tore, drei Vorlagen) hat nach zwei Spielen wie Noebels fünf Scorerpunkte auf dem Konto, Pföderl vier. Die Harmonie, die das Trio in der erfolgreichen Berliner Saison aufgebaut hat, gebe ihnen "sehr viel Vertrauen", sagte Reichel. "Wir verstehen uns auf und neben dem Eis gut und haben eine gute Chemie."

Reichel steht stellvertretend für die "jugendliche Frechheit" des DEB-Teams

In Spiel eins wurde Noebels als bester deutscher Spieler ausgezeichnet, gegen Norwegen war es Reichel; die Berliner Connection funktioniert. Gegen die Norweger rundeten der starke Eisbären-Torhüter Mathias Niederberger sowie Verteidiger Leon Gawanke, der zu Beginn der Saison für die Berliner gespielt hatte, ehe er nach Nordamerika wechselte, mit seinem ersten WM-Tor das erfolgreiche Berliner Bild ab. "Wir haben die jugendliche Frechheit im Spiel, die man gut gebrauchen kann", sagt der erfahrene Verteidiger Korbinian Holzer - und Reichel steht stellvertretend dafür.

Mit den zwei Siegen gegen Italien und Norwegen hat die Mannschaft von Bundestrainer Toni Söderholm die Pflicht zum WM-Start erfüllt. Sie kann nun mit einem guten Gefühl ins Spiel gegen Rekord-Weltmeister Kanada am Montag gehen (19.15 Uhr). Die Kanadier sind mit einer jungen Mannschaft in Riga, die zum Auftakt eine 0:2-Niederlage gegen Gastgeber Lettland kassiert hat. Nicht nur deshalb ist die deutsche Erwartung groß.

"Dieses Jahr ist es ein anderes Turnier als in den vorherigen Jahren", erklärt Tobias Rieder von den Buffalo Sabres. "Die Kanadier, die Amerikaner, die Topteams sind mit vielen jungen Spielern angereist. Es ist natürlich viel drin." Mannheims Angreifer Markus Eisenschmid fühlt sich sogar an Finnland erinnert, das 2019 ohne seine Spieler mit den großen Namen aus Nordamerika Weltmeister wurde. Die Finnen hätten "gezeigt, wie es funktionieren kann", unterstrich Eisenschmid, "und es spricht eigentlich nichts dagegen, dass es bei uns auch funktionieren kann."

Lukas Reichel, der jüngste Spieler im deutschen Kader, wird gegen die Kanadier besonders motiviert sein: Der Stürmer wurde im vergangenen Herbst von den Chicago Blackhawks an 17. Stelle gedraftet. Die WM ist für ihn auch ein Schaufenster, in dem er sich für einen NHL-Vertrag empfehlen kann. "Darum geht es mir auch", bestätigte er am Samstag. Er steht in engem Austausch mit Blackhawks-Verantwortlichen, jedes seiner Spiele wird analysiert. Der 19-Jährige sagt, er wolle so schnell wie möglich in die NHL - und sein Vater Martin traut ihm das zu. "Ob er es in der NHL schafft, entscheidet nur er. Lukas weiß, was er kann und wo er vielleicht noch besser werden muss", sagte Reichel Senior der Prager Zeitung. Das nächste gute Spiel gegen das Mutterland des Eishockeys würde dabei mit Sicherheit helfen.

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