Eishockey: DEL-Halbfinale:Die Welle der Panther

Die Augsburger Panther stehen mit dem kleinsten Etat der Liga kurz vor der Finalteilnahme. In einem Stadion, in dem auch "die Zuschauer auf den Bäumen" begrüßt werden.

David Bernreuther

Wenige Minuten nach der Schlusssirene stand Larry Mitchell im Gang vor der Umkleidekabine. Er trug das Lächeln des Siegers im Gesicht und übte sich in seiner derzeitigen Lieblingsdisziplin: dem Understatement. Seit in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) die Playoffs begonnen haben, ist der Trainer der Augsburger Panther darum bemüht, eigene Erfolge klein- und die Gegner starkzureden. Und weil ihm die Gratulanten das nach dem 1:0 über Wolfsburg im zweiten Halbfinalspiel nicht mehr so recht abkauften, eilte er schnell die Treppe nach oben und verabschiedete sich mit den Worten: "Immer negativ bleiben."

Die Panther genießen die Außenseiterrolle, die sie als Vorrundenachte in den Playoffs innehaben, sie beschwören sie geradezu. Schon im Viertelfinale wiederholte Mitchell so lange, dass Gegner Berlin "das beste Eishockey in Deutschland" spiele, bis seine Mannschaft die Serie gewonnen hatte. Nun betont er immer wieder, Halbfinalgegner Wolfsburg sei "das beste unter den vier übrigen Teams".

Doch seit Sonntag führt Augsburg in der Serie "Best of Five" mit 2:0, es fehlt nur noch ein Sieg bis zum Finale. Dieser könnte bereits am Mittwochabend (18.30 Uhr) in Wolfsburg gelingen. "Wir reiten eine Welle", gibt Mitchell dann doch zu. Diese Welle türmte sich in den vergangenen Wochen so hoch auf, dass sie mit Rekordmeister Mannheim (in den Pre-Playoffs) und Serienmeister Berlin die beiden deutschen Eishockey-Großklubs unter sich begrub. Jetzt droht auch der von VW unterstützte EHC Wolfsburg unterzugehen. Mitchell hat dafür eine besondere Erklärung.

Augsburg hat den niedrigsten Etat der Liga und mit rund 3,3 Millionen Euro nicht einmal halb so viel Geld zur Verfügung wie Mannheim oder Berlin. Die meisten ausländischen Leistungsträger werden den Verein nach der Saison verlassen und zu einem Spitzenklub wechseln, bei dem sie mehr Geld verdienen. Schon im Herbst 2009 wurden im Hintergrund Transfers eingetütet und Verträge ausgehandelt, was in Augsburg für Unruhe und eine Negativserie in der Liga sorgte. "Diese Nachteile", sagt Mitchell, "haben sich jetzt zum Vorteil gedreht." Die Profis wüssten: "Es ist das letzte Mal, dass sie im Kollektiv zusammenspielen und sie wollen etwas erreichen." Die Spieler seien nicht satt, ihr Herz sei noch bei den Panthern.

Niemand erwartete etwas von diesem Team, niemand traute ihm etwas zu, schon gar nicht gegen Berlin, das die Vorrunde mit neuem Punkterekord abgeschlossen hatte. Mit jedem Sieg wuchs in Augsburg die Euphorie. Als die Mannschaft am Samstag um sieben Uhr morgens nach dem ersten Sieg aus Wolfsburg zurückkehrte, wurde sie von 50 Fans empfangen. "So etwas habe ich noch nie erlebt, solche Kleinigkeiten helfen uns weiter", sagt Mitchell. Beim Heimspiel am Sonntag war das Curt-Frenzel-Stadion mit 7.774 Zuschauern zum zweiten Mal in Folge ausverkauft. Die Stehtribüne, die das halbe Spielfeld umgibt, war schon eine Dreiviertelstunde vor Spielbeginn gefüllt, und es drängten immer noch Leute über die Treppen in die Blöcke.

"Augsburger Puppenkiste"

Das Curt-Frenzel-Stadion stammt aus dem Jahr 1936 und ist das letzte offene Stadion der DEL. Es ist ein Symbol für die wirtschaftliche Benachteiligung der Panther gegenüber anderen Klubs. Das einzige Stadion, dessen Eisfläche den Temperaturschwankungen ausgesetzt ist, durch das der kalte Wind hindurchpfeift, in das die tiefstehende Sonne hineinscheint. Hier kann der Stadionsprecher noch "die Zuschauer da hinter der Tribüne auf den Bäumen" mit einem kräftigen "Servus" begrüßen. Hier kann man das Spiel noch durch ein Fenster der Vereinskneipe verfolgen, bei Weißbier und Wurstsalat. Wenn man über den oberen Rand der Tribüne hinwegblickt, sieht man Wohnhäuser, vorbeifahrende Autos und alle paar Minuten eine Straßenbahn.

Das veraltete, unkomfortable Stadion wird in anderen Eishockey-Städten abschätzig "Augsburger Puppenkiste" oder "Bombentrichter" genannt. Es soll bis 2012 modernisiert und mit einer durchsichtigen Kunststoffwand umhüllt werden. Doch in diesem Sommer verzögert sich der für Mitte April vorgesehene Baubeginn, weil Augsburg zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte das Halbfinale erreicht hat.

Doch der mangelnde Komfort war den Augsburger Besuchern dann auch egal, als Connor James am Sonntag in der 14. Minute in Überzahl das 1:0 erzielte. Die Zuschauer ließen das ehrwürdige Stadion erbeben. Sie schrien, sangen, klatschten, sprangen.

Wolfsburg antwortete mit Härte, bei einem Bandencheck verletzte sich der Augsburger Thomas Jörg, er konnte das Spiel nicht fortsetzen. Die Panther gerieten unter Druck, doch bei vielen Wolfsburger Schüssen blieb der Puck im Gewühl vor dem Tor mal an einem Schläger, mal an einem Spielerbein hängen. "Die Mannschaft fightet, sie schmeißt sich in die Schüsse rein", lobte Torwart Denis Endras. Und wenn die Scheibe doch einmal bis zum Tor durchflutschte, war der starke Endras selbst zur Stelle - mit der Fanghand, mit dem Schoner oder mit dem Körper.

Die Specialteams, also Über- und Unterzahlformationen, und die Torhüter, so sagt man, seien in den Playoffs entscheidend. Beides macht Augsburg im Moment stark. Doch eine 2:0-Führung sei sehr gefährlich, warnte Endras, es könne schnell wieder 2:2 stehen. Seinem Trainer dürfte die Aussage gefallen.

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