Es regnete. Große schwarze Tropfen. Schwarze Tropfen auf weißes Eis. Und während die meisten Zuschauer noch rätselten, was da aus dem Ingolstädter Block herniederprasselte, zogen die Augsburger Ultras ein Banner hoch mit der Botschaft: „Scheiß Donnerstagsspiele!“ Die schwarzen Tropfen entpuppten sich als Würfel, deren Seiten statt der Augen 1 bis 6 nur die Optionen „Freitag“ und „Sonntag“ offerierten: Es war ein gemeinsamer Protest gegen die Usance der Deutschen Eishockey Liga, pro Woche ein sogenanntes Topspiel am Donnerstag zu präsentieren – und welches hätte sich besser geeignet als dieses Duell zwischen den Augsburger Panthern und dem ERC Ingolstadt zum Auftakt der 31. DEL-Saison.
Die Eishockeyfans haben sich offenkundig von Tennisball-Fronten und Goldtaler-Schauern in den Stadien der Fußball-Bundesliga inspirieren lassen, um ihrer Forderung nach Abschaffung der ungeliebten Wochenspieltage Nachdruck zu verleihen. An diesem Abend blieb es der einzige Moment, in dem sich beide Seiten einig waren. Denn sobald die Eisfläche wieder blank war, hielt dieses Spiel, was ein Derby verspricht.
49 Torschüsse, 47 Paraden: Mann überzeugt bei seinem DEL-Debüt
Das 3:2 nach Verlängerung war für Augsburg nach zwei tiefschwarz verhangenen Jahren am Tabellenende ein reinigendes Gewitter. Die dafür Verantwortlichen waren schnell identifiziert. Erstens Larry Mitchell, der Sportdirektor, dessen Rückkehr nach fast zehn Jahren eine kleine Euphoriewelle rund um das Curt-Frenzel-Stadion ausgelöst hat. Zu den 14 neuen Profis, die der 57-Jährige verpflichtete, gehört – zweitens – der Kanadier Cody Kunyk, der am Donnerstag sowohl das erste Saisontor (7. Spielminute) als auch den Siegtreffer (63.) für den AEV erzielte. Drittens und vor allem war es an diesem Abend aber Torhüter Strauss Mann – auch er neu –, der den Sieg ermöglichte.
Der US-Amerikaner mit dem ungewöhnlichen Vornamen, eine Reverenz seiner Eltern an seine deutschstämmige Großmutter, parierte 47 Ingolstädter Schüsse. Bis tief ins dritte Drittel bewahrte er die Augsburger Führung, ehe Alex Breton der Ausgleich gelang (53.). Aber nur zwölf Sekunden später erzielte Riley Damiani nach einem Musterangriff das zu diesem Zeitpunkt glückliche 2:1 für die Panther: „Ingolstadt war uns in der zweiten Spielhälfte überlegen“, sagte der ebenfalls neue Augsburger Trainer Ted Dent. Lediglich einen Schuss ließ Mann noch passieren – den allerdings höchst unglücklich von der Seite.
Dent lobte seinen Torhüter ausdrücklich: „Solche Leistungen brauchen wir das ganze Jahr.“ Eine Fangquote von knapp 96 Prozent ist freilich nicht beliebig reproduzierbar. Nach zwei auch für ihn eher bewölkten Jahren in der American Hockey League weiß der Olympia- und WM-Teilnehmer von 2022, dass es erst einmal gilt, seine Leistung zu stabilisieren. „Du musst deine Arbeit machen, bevor der Schuss kommt“, sagte er frisch geduscht. Dafür tut der 25-Jährige auch neben dem Eis viel, achtet penibel auf seine Ernährung, verzichtet auf glutenhaltige Speisen und nimmt nur unbehandeltes Obst und Gemüse zu sich. Und er meditiert. Die Nervosität vor seinem DEL-Debüt („menschlich, oder?“) konnte er dennoch nicht verbergen. Während die Teamkollegen sich beim Einlauf um den Mittelkreis versammelten, verkroch Mann sich in seinem Torraum: „Ich versuche einfach, mich auf den Moment zu konzentrieren.“ Die schönsten Momente erlebte er dann nach der Partie, als die Ultras ihn immer wieder vor die Kurve riefen: „Das war neu für mich. Daran werde ich mich immer erinnern.“
Die Sympathien der Anhänger wirkten auf Mann wie ein Wärmepflaster für seinen Lapsus. Auch der Kanadier Dent war ergriffen. „This building is electric“, sagte der Trainer. Kein so schlechter Abend eigentlich für einen Donnerstag.