Deutscher Eishockey-Bund:Im Streit vereint

Eishockey - DEB-Präsident Franz Reindl

"Viele Leute fragen mich, ob es nicht besser wäre weiterzumachen": DEB-Präsident Franz Reindl muss zurzeit viele Antworten finden.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Die Kluft im deutschen Eishockey zwischen dem Präsidium und der Basis wird immer tiefer: Die Vorwürfe reichen von Insolvenzverschleppung bis zu übler Nachrede. Präsident Reindl muss sich Fragen gefallen lassen.

Von Johannes Schnitzler

Von Donnerstag bis zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele am 4. Februar 2022 sind es noch 85 Tage. Für den Deutschen Eishockey-Bund (DEB) bietet das Datum eine reizvolle Perspektive: Zum ersten Mal seit 2006 könnten sowohl Männer als auch Frauen beim wichtigsten Turnier der Welt dabei sein. Während die Frauen von Donnerstag an in Füssen gegen Österreich, Italien und Dänemark um die Rückkehr in den elitären olympischen Zirkel kämpfen, kann sich Männer-Bundestrainer Toni Söderholm beim Deutschland Cup in Krefeld darauf konzentrieren, seine Auswahl im Hinblick auf Olympia (dann wahrscheinlich mit den Profis aus der NHL) und die nachfolgende WM im Mai zu sichten und den Frauen die Daumen zu drücken: Sein Team ist längst qualifiziert. Das vom DEB ausgegebene Motto lautet: "Gemeinsam nach Peking".

Es dürfte die einzige Gemeinsamkeit sein, auf die sich die oft beschworene deutsche Eishockeyfamilie zurzeit verständigen kann.

Seit Monaten tobt im Verband ein Streit, in dessen Mittelpunkt Präsident Franz Reindl steht. Im Kern geht es um Vorwürfe aus den Reihen der Landesverbände, Reindl - seit 2014 DEB-Präsident und seit 1994 Geschäftsführer der DEB-GmbH - habe seine Ämter unzulässig verquickt. Während er als Präsident ehrenamtlich ohne Gehalt arbeitet, habe er zwischen 1994 und 2020 als Geschäftsführer der DEB GmbH, die vor allem für die Organisation der Heim-Weltmeisterschaften 2001, 2010 und 2017 zuständig war, bis zu 9000 Euro pro Monat kassiert. Daran allein wäre jenseits von Neiddebatten wenig auszusetzen.

Allerdings war von 2013 bis 2018 die Schweizer Vermarktungsgesellschaft Infront neben dem Verband selbst mit 50 Prozent an der Tochter-GmbH beteiligt - und somit am Geschäftsführer-Gehalt Reindls. Aufstellungen, die der SZ vorliegen, könnten den Schluss nahelegen, dass Infront die defizitäre DEB GmbH jahrelang vor der Insolvenz bewahrt haben könnte - etwa durch den Verzicht auf die Rückzahlung eines 300 000-Euro-Darlehens - und dafür Rechnung getragen haben könnte, dass Reindl sogar über das eigentliche Vertragsende im Jahr 2018 hinaus bis 2020 ein monatliches Gehalt bekam; begründet wurde die Verlängerung von Reindls Geschäftsführer-Vertrag mit der Abwicklung der WM 2017 und mit der Erstellung von Konzepten für künftige WM-Bewerbungen. Dafür habe Infront über Jahre den ersten Zuschlag bei der Vermarktung der Nationalmannschaft gehabt.

Entsprechende Medienberichte am Tag, bevor der ehemalige Nationalspieler Reindl Anfang Juni seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten des Weltverbandes IIHF öffentlich machte, wies der DEB zurück. Die Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein richteten daraufhin ein Auskunftsbegehren an den Verband. Das Präsidium merkte spitz an, es handle sich dabei um eine Anfrage dreier "eher kleinerer Landes-Eissportverbände", die man aber im Rahmen der Informationsverpflichtungen "transparent" beantworten werde. Das klang einigermaßen gnädig.

Die von den drei Landesverbänden (LEV), denen sich Hessen angeschlossen hatte, daraufhin angerufene Ethikkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) erklärte sich zwar für grundsätzlich nicht zuständig. Der Vorsitzende der Kommission, der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière, riet nach Hinweisen auf ein womöglich strafrechtlich relevantes Fehlverhalten Reindls aber "dringend" dazu, den Sachverhalt umfassend und unabhängig prüfen zu lassen. Die Hinweise aus den Landesverbänden deuteten auf eine mögliche Insolvenzverschleppung der DEB GmbH und die mögliche Abhängigkeit Reindls von Infront. Es müsse geklärt werden, "ob eine verdeckte Finanzierung der ehrenamtlichen Funktion des Präsidenten vorliegt", forderte de Maizière.

Ob die Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht werden, "obliegt dem DEB", teilt die damit betraute Kanzlei mit

Der DEB antwortete juristisch, schaltete eine Kölner Kanzlei ein, um die Vorwürfe "unabhängig" prüfen zu lassen, strengte Unterlassungserklärungen an und kündigte Schritte gegen den Vorsitzenden des LEV Schleswig-Holstein an. Dieser habe Delegierte unmittelbar vor den IIHF-Wahlen "in unlauterer Weise" beeinflusst und Reindl "diskreditiert".

Bei der Wahl Ende September war Reindl an dem Franzosen Luc Tardif gescheitert. Christian Schmitz, der mit der Untersuchung der Vorwürfe betraute Anwalt, will zu dem Verfahren in der Sache nichts sagen. Auf Anfrage der SZ teilt er mit, die Unabhängigkeit seiner Recherchen sei ihm vom Auftraggeber, also dem DEB, vertraglich zugesichert. Aber: Die Entscheidung darüber, ob die Ergebnisse seiner Untersuchung veröffentlicht werden, "obliegt dem Auftraggeber". Also dem DEB.

Das ist nun nicht unbedingt die Transparenz, die Reindl im Juni versprochen hatte. Und ganz sicher nicht die Form von Transparenz, die seine Kritiker fordern. Die Fronten seien dermaßen verhärtet, sagt ein Vertreter aus dem Amateurbereich: "Das muss in einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung geklärt werden. Oder vor dem Schiedsgericht."

So oder so muss Reindl sich Fragen gefallen lassen, wie es zu dieser Spaltung kommen konnte. Bei seinem Amtsantritt 2014 galt er als Brückenbauer zwischen den zerstrittenen Landesverbänden und den Klubs der Deutschen Eishockey Liga, zwischen Amateur- und Profilager. Nach der WM 2015 installierte er den ehemaligen NHL-Profi Marco Sturm als Bundestrainer.

Damit einhergehend verabschiedete der Verband Programme zur Nachwuchsförderung mit dem Ziel, international um Medaillen mitspielen zu können. Vorläufige Höhepunkte waren der zweite Platz bei Olympia 2018 und das WM-Halbfinale 2021 unter Sturms Nachfolger Söderholm. In der Weltrangliste, in die Ergebnisse der vergangenen fünf Jahre einfließen, steht Deutschland inzwischen auf Platz fünf, vor den vielmaligen Weltmeistern Tschechien und Schweden.

Erstmals öffentlich sichtbar wurden Differenzen exakt vor einem Jahr, als der damalige DEB-Sportdirektor Stefan Schaidnagel (der als maßgeblich für den konzeptionellen Hintergrund des sportlichen Aufschwungs gilt) beim Deutschland Cup an selber Stelle fehlte. Im Frühjahr erfolgte offiziell die Trennung. Der Schriftverkehr zwischen dem Präsidium und einigen Amateurvertretern kündet von tiefem Misstrauen. Reindls Kritiker unterstellen Verschleierung, beide Seiten beschuldigen sich, an einer Aufklärung nicht wirklich interessiert zu sein.

Ein für Anfang August vereinbartes klärendes Gespräch zwischen Reindl und einem Landesverbandschef soll am selben Tag geplatzt sein, angeblich, weil der DEB nicht mehr als vier Augen am Tisch haben wollte. Schriftliche Anfragen, heißt es von Seiten der Kritiker, seien bis heute inhaltlich unbeantwortet geblieben. Und, nebenbei: Wie kann es sein, dass ein Vertreter eines angeblich eher unbedeutenden Regionalverbandes über Nacht das Vertrauen in den seit vielen Jahren renommierten Kandidaten Reindl derart erschüttern kann, dass dieser als Favorit in die Wahl zum IIHF-Präsidenten geht - und als klar geschlagener Verlierer daraus hervorkommt?

Zu diesen Fragen hätte man Reindl gerne selbst gehört. Doch der 66-Jährige lässt sich in der Sache inzwischen von einer Medienkanzlei vertreten. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er lediglich, dass er sich entgegen früherer Ankündigungen nun doch vorstellen könne, über 2022 hinaus Präsident des DEB zu bleiben: "Viele Leute fragen mich, ob es nicht besser wäre weiterzumachen." Bundestrainer Söderholm, dessen Vertrag nach der WM 2022 ausläuft, zögert derweil mit einer Verlängerung. Vorsichtshalber hat er schon einmal die Information platziert, dass er sich wie sein Vorgänger Sturm (Co-Trainer bei den Los Angeles Kings) perspektivisch eine Aufgabe in der NHL wünschte.

Gemeinsam nach Peking? Das wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Wie die Wege beim DEB danach verlaufen, weiß im Moment niemand zu beantworten.

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Straubing Tigers vs. Kölner Koelner Haie, Eishockey, Deutsche Eishockey Liga, 21.Spieltag, Saison 2021 2022, 07.11.2021

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