Eishockey:Auf dünnem Eis

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Claus Liedy ist während der Pandemie Geschäftsführer des ERC Ingolstadt geworden und erwischt als Branchen-Neuling einen komplizierten Start.

Von Christian Bernhard

Es gibt wahrlich einfachere Konstellationen für einen Job-Einstieg als jene, die Claus Liedy dieser Tage vorfindet. Liedy, 56, hat die ersten drei Bürotage als neuer Geschäftsführer des ERC Ingolstadt hinter - und eine doppelt neue Situation vor sich. Diese scheint ihm zu behagen. Das sind keine Probleme, sagt er, sondern Herausforderungen. Der langjährige Betriebswirt bei einem großen Unternehmen in der Unterhaltungselektronik betritt in der Eishockey-Branche nicht nur "Neuland", wie er selbst sagt, sondern macht das auch noch inmitten der Corona-Pandemie, einer Zeit voller Ungewissheiten - auch für Profisportvereine. "Es gibt keine berufliche Aufgabe, die nicht ihre Herausforderungen mit sich bringt, schon gar nicht eine Geschäftsführung", sagt er. Seine fehlende Eishockey-Erfahrung will er dadurch wettmachen, dass er sich voll und ganz auf den kaufmännischen Bereich konzentriert. Es gebe eine "ganz klare Absprache, dass ich nicht in die rein sportlichen Entscheidungen eingreife", erklärt er. Das sportliche Kommando hat Sportdirektor Larry Mitchell.

Die ersten zwei inhaltlichen Themen, die auf seinem Schreibtisch lagen, sind der Jahresabschluss der vorzeitig abgebrochenen Spielzeit und die Lizenzierung für die anstehende Saison in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Der Jahresabschluss sei ein "Routineprozess", der planmäßig laufe, sagt er. Eine größere Herausforderung ist die Lizenzierung. Niemand kann im Moment sagen, ob, wann und unter welchen Umständen die kommende Saison starten kann. Deshalb sei die "Grundhaltung", eine "ganz normale Saison" zu planen und dann "situativ auf politische Entscheidungen" zu reagieren, erklärt er. Die Sportwelt ist Liedy nicht völlig fremd, er war in seiner Geburtsstadt Ludwigshafen zehn Jahre lang als Bundesligaturner aktiv. Nun ist er auf einem wirtschaftlichen Schwebebalken gefordert.

Noch weiß Claus Liedy nicht, ob alle Sponsorengelder für den ERC weiterhin fließen werden

Die zentrale Frage, die über Liedys Start beim ERC hängt, lautet: Wie stellt man einen Profisportverein in Zeiten von Corona wirtschaftlich gut auf? Liedy hat drei Blöcke ausgemacht. Zum einen gehe es darum, innerhalb der DEL Regelungen zu finden, "die für alle Standorte akzeptabel sind". Zweites großes Thema sei die Frage, ob man verlässliche Partner habe, die auch in Krisenzeiten zu einem stehen. "Da glauben wir, dass wir als ERC sehr gut aufgestellt sind", erklärt er. Teil drei sei die Reaktion der Fans auf die ungewohnten und ungewissen Rahmenbedingungen. Liedy glaubt, dass das ERC-Publikum akzeptiere, "dass die kommende Saison in jedem Fall nicht so ablaufen wird, wie man es in der Vergangenheit gewohnt war." Aktuell wurden jedenfalls fast so viele Dauerkarten verkauft wie zum selben Vorjahreszeitpunkt. Der Geschäftsführer verbreitet generell Optimismus. Er sagt, dass selbst die Coronavirus-Krise positiv angegangen und ausgestaltet werden könne. Aus dem Optimierungsreflex, der am Beginn jeder Krise stehe, "können durchaus positive Dinge entstehen", findet er.

Lang ist’s her: Der letzte Gegner des ERC Ingolstadt waren im März die Grizzlys Wolfsburg. Der ERC gewann 5:3. (Foto: Osnapix/Fehrmann/Imago)

Die finanziellen Rahmenbedingungen ändern sich durch die Coronavirus-Pandemie allerdings. Und das nicht zum Guten. Jürgen Arnold, Beiratsvorsitzender des ERC, sprach jüngst von "einem immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Umfeld" für den Klub. Liedy weiß zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, wie sich die Einnahmen-Seite entwickeln wird, sprich wann und wie viele Zuschauer zu den Heimspielen kommen dürfen, und ob die Ausgaben steigen werden. Jetzt schon ist klar, dass sich die Beiträge für die Berufsgenossenschaft erhöhen. Nach Informationen des Sportinformationsdienstes müssen die 14 DEL-Klubs im Mai insgesamt 10,7 Millionen Euro für 2019 zahlen, geplant hatten sie ursprünglich mit 9,1 Millionen. Gegenüber 2018 steigen die Beiträge sogar um fast ein Viertel.

Ob alle Sponsorengelder weiterhin fließen werden, sei aufgrund der Situation ebenfalls nicht klar, macht Liedy deutlich. Auch Audi und Media-Saturn - die beiden Hauptsponsoren des ERC - sind stark von der Corona-Krise betroffen. Auf die Frage, ob er Konsequenzen für die Sportsponsoring-Budgets dieser Konzerne befürchte, antwortet der bei Media-Saturn gut vernetzte Liedy lediglich, dass der Klub "gute und langfristige Vertragsverhältnisse" mit den beiden Unternehmen habe.

Claus Liedy, 56, will sich beim ERC Ingolstadt ganz auf den kaufmännischen Bereich konzentrieren. (Foto: ERC Ingolstadt / OH)

Sein Vorgänger Claus Groebner hatte im April betont, dass es für ihn aufgrund der Corona-Pandemie klar sei, dass der ERC-Etat nach unten angepasst werden müsse. Ob dem auch unter ihm so sei, könne er im Moment nicht beantworten, sagt Liedy, dafür sei es noch zu früh. Der Geschäftsführer erklärt, dass er gerade dabei sei, sich das "unter alten Bedingungen" aufgestellte Budget anzueignen. Durch die Corona-Pandemie müsse man das ein oder andere Thema neu bewerten und gegebenenfalls in ein überarbeitetes Budget einarbeiten, sagt er, da gebe es derzeit aber "noch keine konkreten Planungen oder gar neue Zahlen". Die Herausforderungen werden ihm in nächster Zeit nicht ausgehen.

© SZ vom 07.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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