Eishockey:Das Besondere wird meisterlich

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Große Sause: Die Eisbären Regensburg feiern nach dem Sieg in Spiel sechs gegen die Kassel Huskies. (Foto: Melanie Feldmeier/arSito/oh)

Die Eisbären Regensburg galten in der DEL2 als Abstiegskandidat, nun sind sie Meister. Weil sie nicht aufsteigen, sichern sie Augsburg den DEL-Verbleib - aber warum wollen sie eigentlich nicht?

Von Christian Bernhard

So richtig fassen konnte es Christian Sommerer auch eineinhalb Tage später noch nicht. Das, was sich im Moment des Triumphs "sehr surreal" angefühlt hatte, werde jetzt erst so langsam greifbar, erzählte der Geschäftsführer der Eisbären Regensburg. Die Feiernacht hatte er, seiner Stimme nach zu urteilen, jedenfalls gut überstanden. Zur Vergewisserung, dass es auch wirklich passiert war, verfolgte Sommerer via Social Media, wo in der Stadt sich die Eisbären-Spieler gerade befanden - inklusive des Pokals.

Am Dienstag hatten sich die Eisbären völlig überraschend zum DEL2-Meister gekürt, ein 4:2-Heimsieg gegen die favorisierten Kassel Huskies beendete die Playoff-Finalserie zugunsten der Oberpfälzer. Wenn ihm jemand zum Saisonstart gesagt hätte, dass passieren würde, was jetzt passiert ist, "hätte ich ihm den Vogel gezeigt", sagt Sommerer lachend.

Verständlicherweise. Nach dem Aufstieg 2022 galten die Eisbären auch in ihrer zweiten DEL2-Saison als Abstiegskandidat, 14 Spieler des diesjährigen Kaders waren noch aus Oberliga-Zeiten dabei. Es überraschte also wenige, als die Oberpfälzer Ende November auf den letzten Tabellenplatz abrutschten. Doch dann wurde alles anders. Die Eisbären beendeten die Hauptrunde erstmals in ihrer Vereinsgeschichte auf Rang zwei (inklusive Punkterekord), sahnten bei der DEL2-Saisongala ab (Andrew Yogan wurde zum Stürmer und Spieler des Jahres gekürt, Max Kaltenhauser zum Trainer des Jahres) und starteten in den Playoffs so richtig durch. Nach dem 1:3-Serienrückstand gegen Ravensburg im Viertelfinale mussten sie dreimal in Serie gegen den Titelverteidiger gewinnen, um im Playoff-Rennen zu bleiben - und taten das. Da habe man gespürt, "das wird vielleicht was ganz Besonderes", sagt Sommerer. Gegen Kassel wurde das Besondere dann meisterlich.

Ähnlich groß wie in Regensburg war die Freude darüber in Augsburg. Beim langjährigen Eisbären-Torhüter Peter Holmgren, mittlerweile Standortentwickler im Klub, ging kurz nach der Schlusssirene ein Anruf von Larry Mitchell ein. Der ist seit der vergangenen Woche Sportdirektor bei den Augsburger Panthern und darf als solcher jetzt eine Erstligasaison planen. Da nur Kassel aufstiegsberechtigt war, bleiben die Augsburger nämlich in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) - und das im zweiten Jahr hintereinander dank fremder Hilfe. Schon am Tag nach dem Regensburger Triumph verkündeten sie, dass der 40-jährige T.J. Trevelyan auch kommende Saison für die Schwaben auflaufen wird, es wird seine 14. Spielzeit im Panthertrikot.

Abtritt in Augsburg: Dennis Endras wird Torwarttrainer. (Foto: Jonas Philippe/Die Bildmanufaktur/Imago)

Dennis Endras dagegen hing dieses an den Nagel, der Torhüter beendet seine Karriere, bleibt dem Klub aber als Torwarttrainer erhalten. Mit Endras verlässt einer der größten deutschen Torhüter der vergangenen zwei Jahrzehnte das Eis. Mit den Mannheimer Adlern gewann er 2015 und 2019 den DEL-Titel, vergangene Saison knackte er als erst zweiter Torwart überhaupt die Marke von 600 DEL-Spielen. Niemand kann mehr Zu-null-Spiele in der DEL vorweisen als Endras. 2004 hatte er sein DEL-Debüt für die Panther gegeben, sechs Jahre später führte er die Augsburger völlig überraschend auf Platz zwei der Meisterschaft. Für Larry Mitchell, der ihn 2008 zur Augsburger Nummer eins gemacht hatte, ist Endras "eine der prägendsten Persönlichkeiten der DEL-Historie".

Historisch ist auch das, was sich 140 Kilometer weiter östlich an der Donau abgespielt hat. Regensburg sei "eine Eishockeystadt", das hat Sommerer bereits im Oktober 2022 gesagt. In den vergangenen Wochen erreichte die Eishockey-Euphorie an der Donau aber neue Dimensionen. "Das hat sich schon noch mal hoch potenziert", sagt Sommerer. Die Eisbären seien überall Tagesthema, Playoff-Spiele innerhalb von Minuten ausverkauft gewesen. Als der Klub für ein Spiel 200 Tickets nachschieben konnte, dauerte es sieben Sekunden, bis sie weg waren, erzählt er - "völliger Irrsinn".

Sommerer kommt aus der Musikwelt, er hat große Jazzorchester gemanagt. Das erfolgreiche Eisbären-Orchester vergleicht er mit einer Rockband, die frei von "Diven mit Profilneurosen" war. Den Vergleich mit einem Jazzensemble verkniff er sich, weil im Jazz viel improvisiert wird, und "das würde dem Max nicht so gefallen". Der Max, das ist Max Kaltenhauser, der Meistertrainer. Der langjährige Zweitligaspieler trainiert die Eisbären seit Dezember 2019 und sei ein "Glücksfall für Regensburg", sagt Sommerer. Der 43-Jährige sei ein Arbeitstier und "Eishockey-Nerd im positiven Sinn", der Dinge in der Kabine "unglaublich gut anmoderieren" könne. Manchmal, so der Geschäftsführer, müsse man ihn "fast bremsen, um ihn vor sich selbst zu schützen". Der Meistertitel, so der Trainer, sei das Ergebnis einer "absoluten Mega-Überperformance".

Das Thema Aufstieg "ist für uns noch zu früh", sagt Sommerer, es gebe intern noch vieles anzuschieben

Deshalb bleiben sie in Regensburg auch mit beiden Schlittschuhen auf dem Eis. Das Thema Aufstieg "ist für uns noch zu früh", sagt Sommerer, es gebe intern noch vieles anzuschieben. Er glaubt, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis sich die Eisbären für den Aufstieg bewerben könnten. Auch das sportliche Ziel für die kommende Saison ist trotz der gewonnenen Meisterschaft ein sehr bescheidenes. "Eindeutig der Klassenerhalt", sagt Sommerer, mehr sei aus Budgetsicht erst mal nicht drin. Der Geschäftsführer hofft, dass er das jetzige Budget etwas anheben kann, an den Kräfteverhältnissen in der Liga werde auch das aber nicht viel ändern: In der soeben beendeten Meistersaison lagen die Regensburger in der Budgettabelle auf Rang zehn.

In den kommenden Wochen wird Sommerer probieren, so viele Leistungsträger wie möglich zu halten. Abbott Girduckis steht nach SZ-Informationen vor der Unterschrift beim ERC Ingolstadt, mit Topscorer Yogan und Playoff-MVP Tom McCollum wird verhandelt. Egal, was dabei rauskommt: "Unterschätzen", so Sommerer, "wird uns jetzt keiner mehr."

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