Süddeutsche Zeitung

Einzelkritik:Zwei Zeitreisende

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Mit Rahmen und Patina: Beim FC Bayern glänzen zwei Helden von früher, und Benfica Lissabon hat keinen Lukebakio - die Einzelkritik.

Von Martin Schneider

Manuel Neuer: Trug in diesem Spiel, in dem es ja mehr oder weniger unausgesprochen um die Zukunft des Trainers Niko Kovac ging, ein Trikot in leuchtendem Orange - quasi die Signalfarbe zum Aufbruch. Unterschied sich ja von allen anderen Spielern auch dadurch, dass er sich für den Trainer ausgesprochen hatte. Sagte nach dem 3:3 gegen Düsseldorf, dass man - wenn man die Anweisungen des Trainer befolgt hätte - 5:0 gewonnen hätte. Kovac sagte zum Dank, dass ihm Manuel Neuer besonders leid tue, weil jeder Schuss auf sein Tor gerade drin ist. Bekam gegen Lissabon einen Schuss aufs Tor. Der war drin.

Rafinha: Hat beim FC Bayern die Trainer Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti und Niko Kovac erlebt. War bei allen der Ersatzrechtsverteidiger Nummer eins, und wenn er reinkam, erledigte er seinen Job fast immer ordentlich. Dass Niko Kovac gegen Benfica in der letzten Verteidigungsreihe Manndeckung befahl, kam dem aggressivsten Ersatzrechtsverteidiger der Welt entgegen. Erledigte seinen Job ordentlich.

Niklas Süle: Sah zum ersten Mal den Teil Rasen wieder, auf dem er am Samstag spektakulär ein Sprintduell gegen Düsseldorfs Dodi Lukebakio verlor. Sein Glück: Lissabon hat keinen Lukebakio. Musste diesmal in keine entwürdigenden Wettrennen gehen. Hat es geschafft, in diesen Krisenwochen als der verlässlichste Bayern-Verteidiger zu gelten. Bestätigte den Eindruck.

Jérôme Boateng: Brachte die ersten drei langen Pässe nicht an den Mann, was insofern nicht gut war, weil das gegen Düsseldorf noch das erkennbar beste an seinem Spiel war. Uli Hoeneß meinte ja mehr oder weniger unausgesprochen ihn, als er am Wochenende von "Slapstick" bei manchen Gegentoren sprach. Diesmal kassierte Bayern nur ein Gegentor - und für das war Boateng verantwortlich. Wollte gegen Gedson Fernandes wieder nach vorne verteidigen, kam wieder viel zu spät und lag auf dem Boden, als Fernandes einschoss.

David Alaba: Okay, vielleicht kann man David Alaba auch eine Mini-Mitschuld am Gegentor geben, weil auch er zu spät in den Zweikampf kam. Aber lang nicht so spät wie Boateng. Unterstützte den revitalisierten Ribéry auf seiner Seite souverän.

Joshua Kimmich: Spielte auf der Sechserposition, weil Kovac ihn nach den wackligen Auftritten von Javi Martinez für die sicherere Variante hielt. Das ging gegen den SC Freiburg schief (O-Ton Kimmich: "Mein schlechtestes Spiel"), gegen Lissabon klappte es. Entscheidendes Zahnrädchen im immer noch wackligen bayerischen Angriffsspiel. Bereitete das 3:0 und das 4:1 mit einer ordentlichen Ecke vor.

Arjen Robben: Ist ein Spieler aus der guten alten Zeit, was in der jüngeren Zeit beständig als Problem gedeutet wurde. Schoss dann gegen alle Interpretatoren und gegen alle Jahreszahlen zwei Tore aus der guten alten Zeit. Reinziehen, mit dem linken Fuß, in den Winkel. Einmal ins rechte, einmal ins linke Kreuzeck. Zwei echte Robbens vom echten Robben. Mit Rahmen und Patina. Es waren seine ersten Tore in der Königsklasse, seit er im März 2017 gegen einen Trainer namens Arsène Wenger traf. Das Stadion sang nach seinem ersten Tor vom Champions-League-Finale 2013. Also von der guten alten Zeit.

Thomas Müller: Alle werden nun von Arjen Robben sprechen, aber Thomas Müller verdiente sich ein Sonderlob, weil er sich vor Robbens 2:0 artistisch in einen Befreiungsschlag von Manuel Neuer warf. Gewann dabei im dritten Versuch einen Zweikampf an der Mittellinie, der eigentlich nicht zu gewinnen war. Sicherte überdies den Ball und ermöglichte so Robbens freies Schussfeld. Eine Aktion von Müller, besser als manches Tor. Aber über die spricht man später ja.

Leon Goretzka: Sollte neben Kimmich im defensiven Mittelfeld spielen, was ein bisschen riskant war. Goretzka ist nämlich ein sogenannter Schein-Sechser - sieht robust aus, scheint taktisch klug genug dafür zu sein, aber dann rennt er doch ständig vorne rum. Leistete sich vor allem in der ersten Halbzeit ein paar Fehler zu viel, kam ein bisschen zu oft zu spät in den Zweikampf und rannte trotzdem oft nach vorne. Sein Glück: Es stand schnell 3:0.

Franck Ribéry: Zweiter Zeitreisender des Abends. Rannte schon in der ersten Halbzeit alleine durch komplett Lissabon, als wäre es 2009. Nur Torwart Vlachodimos verhinderte da noch das Tor. Hat aber jetzt, im Gegensatz zu 2009, auch das Verteidigen für sich entdeckt und tauchte erstaunlich oft hinten auf. Schoss dann auf dem Weg zurück in die Zukunft das 5:1.

Robert Lewandowski: Zwei Ecken, zwei Kopfbälle, zwei Tore. Wenn man das als Stürmer im Spielbericht stehen hat, dann kann man so viel nicht falsch gemacht haben. Machte so viel nicht falsch.

Renato Sanches: Kam für Robben, sodass das Stadion die Chance hatte, Robben zu applaudieren.

Sandro Wagner: Kam für Ribéry, sodass das Stadion die Chance hatte, Ribéry zu applaudieren.

Wooyeong Jeong: Der junge Koreaner kam für Thomas Müller und zu seinem ersten Champions-League-Einsatz. Wird sich vielleicht irgendwann einmal Applaus verdienen.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2018
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