Einzelkritik:Wacklig wie ein Jenga-Turm

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Alaba trifft die hackenschlagende Version von Usain Bolt und Kimmich wäre Neymar auf die Toilette gefolgt.

Von Martin Schneider

Sven Ulreich: Gewann das Duell des Tages gegen Neymar, als er bei einem langen Ball aus seinem Tor lief, genau auf den teuren Brasilianer zu - und den Ball vor seinen Augen wegköpfte. Hatte auch sonst immer irgendein Körperteil dazwischen, wenn ein Spieler des Pariser Edlekaders schoss.

Joshua Kimmich: Hatte die Aufgabe, Neymar auszuschalten. Trainer Jupp Heynckes hatte ihm offenbar den alten Verteidiger-Spruch mitgegeben: "Und wenn er auf die Toilette geht, gehst du mit." Das sah man daran, dass Kimmich die Seite mit Alaba wechselte, als Neymar mal mit Kylian Mbappé tauschte. War erst in der 22. Minute gefordert und sah dann sofort Gelb, weil seine Hand an der Schulter des teuersten Fußballers der Welt war. Durfte sich also nichts mehr erlauben - und spielte fehlerfrei zu Ende.

Niklas Süle: Ist nicht Jérôme Boateng, was bekannt ist, aber insofern überraschend war, als Boatengs Verbannung aus dem Kader im Hinspiel der Anfang des Endes von Carlo Ancelotti war. Erlebte damals aus bester Position, wie schnell in der Champions League gekickt wird. Drei Monate später ist das Tempo immer noch hoch, aber Süle kommt damit besser klar. Hielt in den Duellen mit Neymar zwar Sicherheitsabstand, aber das führte nur dazu, dass der Weg um diesen schrankhaften Innenverteidiger noch weiter wurde.

Mats Hummels: Gesegnet mit Spielintelligenz und Stellungsspiel - aber nicht mit maximaler Geschwindigkeit. Staunte gut, manchmal auch nicht schlecht, wenn das Pariser Sturmtrio aufs Gaspedal tippte. Unsicherer als sonst, aber alles andere wäre auch eine Sensation gewesen. Staunte sehr stark, als die Flanke von Cavani plötzlich hinter seinem Rücken herunterfiel und Mbappé zum Gegentor einköpfte.

David Alaba: Hatte die Aufgabe, gegen Kylian Mbappé zu spielen, der eine filigrane und hackenschlagende Version von Usain Bolt mit Ball am Fuß ist. Alles, was Mbappé macht, ist doppelt so schnell wie normalerweise, und im Hinspiel in Paris war es noch zu schnell für Alaba. Da streichelte der Franzose den Ball am Österreicher vorbei. Auch diesmal war der Plan, David Alaba alleine in die Duelle mit dem 18-jährigen Schnellzug zu schicken, so wacklig wie ein Jenga-Turm in der 15. Runde. Aber er klappte.

Sebastian Rudy: Vertrat Vidal im defensiven Mittelfeld und spürte den Geist des Chilenen in sich. Rempelte Rabiot rabiat, beförderte dann Neymar mit einem Bodycheck aus dem Münchner Sechzehner, dass dieser sich fragte: Wer ist dieser Rudy und wie viel hat er gekostet? (Antwort: null Euro.) Verdiente sich in der zweiten Halbzeit den Kampfnamen Rambo-Rudy, als er Rabiot bei einem Konter nicht mehr rempelte, sondern radikal rammte.

Sah die gelbe Karte.

Corentin Tolisso: Doppeltorschütze, und damit ist schon fast alles gesagt. War in Frankreich für seine dynamischen Läufe in die Offensive bekannt - nun lief er gegen den alten Gegner aus der Ligue 1 zweimal dynamisch nach vorne und machte zwei Tore.

Später mit einer fetten Schwalbe. Franck Ribéry: Wurde bei seiner Auswechslung nach 66 Minuten vom Publikum mit Applaus verabschiedet - wahrscheinlich hauptsächlich, weil er nach seiner Verletzung wieder da ist. Und weil er Kapitän der Mannschaft war. Und weil sie ihn in München halt so irre doll mögen, den Filou. War allerdings wirklich nicht sein bestes Spiel. Köpfte mal in der ersten Halbzeit den Ball aus dem eigenen (!) Sechzehner, rettete den Ball in der zweiten Halbzeit spektakulär vor dem Seitenaus. Auch das bejubelte das Publikum.

James Rodríguez: Spielte als Spielmacher und entdeckte den Ausdauersportler in sich. Lief und lief und lief und hatte am Ende so viele Kilometer in den Beinen wie ein Tour-de-France-Fahrer auf den Champs-Élysées. Hatte aber immer noch genug Luft, um sich beim Schiedsrichter zu beschweren und dafür Gelb zu sehen. Als er weiter meckerte und die reale Gefahr eines Platzverweises wuchs, schlug er vor dem 2:0 eine Flanke, so geschwungen wie ein Bogen der Seine auf den Kopf von Corentin Tolisso. Auch sonst Pass-Empfänger und Pass-Geber und erstaunlich oft Ball-Eroberer. Starker Auftritt.

Kingsley Coman: In Sachen Geschwindigkeit der Bayern-Spieler, der am ehesten mit dem Paris-Express mithalten kann. Kam ein paar Mal auf Touren und war dann auch zu fix für Layvin Kurzawa. Wichtigste Aktion war aber zunächst: ein Kopfball. Warf sich in eine abgefälschte Flanke von James Rodriguez und legte so Lewandowski das 1:0 vor. Raste außerdem vor dem 3:1 die Außenlinie entlang und legte Tolisso das Tor mundgerecht auf. Ist 13 Jahre jünger als Landsmann Ribéry und außer an der Zahl an Kerzen auf der Geburtstagtorte erkennt man den Unterschied mittlerweile auch deutlich auf dem Tacho.

Robert Lewandowski: Rechnete in der achten Minute wie jeder vernünftige Mensch damit, im Abseits zu stehen. Schoss den Ball aber trotzdem mal ins Tor. Doch dann die Überraschung: Dani Alves hielt im Fünfmeterraum Siesta und hob in Lewandowskis Rücken das Abseits auf.

Thomas Müller, Arturo Vidal und Rafinha: Kamen irgendwann rein und hatten die Aufgabe, noch zwei Tore zu schießen, um doch noch den Gruppensieg zu sichern. Klappte nicht ganz.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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