Einzelkritik:Showfliegen und Showplumpsen

Lesezeit: 3 min

Das verjüngte deutsche Team sorgt für einige spektakuläre Momente, allerdings fehlt offensiv oft noch der Mut.

Von Saskia Aleythe

Manuel Neuer: Showfliegen gehört nicht zu seinem Repertoire, das hatte Manuel Neuer vor dem Spiel gegen Frankreich extra noch einmal betont. Musste nach 39 Minuten zunächst nur ein Showplumpsen zeigen, weil Kylian Mbappé am Ball vorbei rutschte, der problemlos fangbar Richtung linke Ecke trudelte. War nach der Halbzeitpause erneut gegen den schnellsten Mann des Weltfußballs gefordert, zeichnete sich durch seine Leidenschaft fürs Mitdenken aus: Stürzte weit hinaus und zeigte, dass er die Funktion des clever mitspielenden Torhüters noch beherrscht. Hätte beim 1:1 durch Antoine Griezmann unerhörtes Talent zum Showfliegen gebraucht - streckte sich, war aber selbst mit 1,93 Metern Körperlänge zu kurz für den wunderbaren Franzosen-Kopfball ins rechte Eck.

Matthias Ginter: Wäre in der 24. Minute beinahe zum Torschützen geworden, führte sich aber in die Partie ein, wie es in der deutschen Offensive zuletzt zum Standard geworden war: Als Fehlschütze, sein Versuch landete nicht im Netz. Ist als Abwehrmann aber entschuldigt. Kam in der 38. Minute noch zu einem Kopfball, der mit einem vier Meter größeren Tor zum 2:0 geführt hätte. Wird demnächst einen entsprechenden Antrag einreichen.

Niklas Süle: Vertrat den verletzten Jérôme Boateng und tat dies wackelfreier als sein Kollege beim 0:3 am Samstag in den Niederlanden. Ist im Laufduell mit Mbappé natürlich ebenso unterlegen wie der Rest der Welt, brachte es trotzdem zustande, nicht ausgekontert zu werden. Grätschte nach dem Ausgleich durch Griezmann einmal wertvoll im eigenen Strafraum. Muss die Genesung des Münchner Teamkollegen Boateng kaum fürchten.

Mats Hummels: Hätte einen richtig bösen Abend erleben können: Wurde schon recht früh im direkten Duell mit Mbappé öfter verladen als Kisten bei Umzugsunternehmen. Nahm es aber nicht persönlich und erledigte seinen Job solide. Dann wurde es doch noch bitter: Grätschte in Not gegen Blaise Matuidi, was zum Erstaunen sehr vieler mit Elfmeter geahndet wurde.

Thilo Kehrer: Hatte vor dieser Partie zwar erst ein Länderspiel bestritten, doch besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen: Kam durch die Experimentierfreudigkeit des Bundestrainers zum Startelf-Debüt. Machte weder Showfliegen noch Showplumpsen, hielt sich auf dem rechten Flügel erstaunlich schadlos.

Nico Schulz: Hatte vor dem Start in Paris die beste Länderspiel-Torquote aller Deutschen vorzuweisen, erzielte schließlich vor wenigen Wochen gegen Peru bei seinem Debüt gleich den Siegtreffer. Durfte sich gegen Frankreich auf der Außenbahn beweisen, nahm diese Chance gelassen an. Hat jetzt allerdings eine schlechtere Torquote.

Joshua Kimmich: Bringt gute Eigenschaften mit, eines Tages als Führungsfigur eine Mannschaft anzuleiten: Kritisierte zuletzt recht schonungslos die Leistung der DFB-Auswahl, schritt nun angstbefreit in den Strafraum, um Toni Kroos vor dessen Elfmeter zum 1:0 noch ein paar Worte mitzugeben. Grätschte nach hinten Bälle weg, spielte nach vorne Führungsspieler-Pässe auf Leroy Sané.

Späte Premierenfeier in einem nagelneuen Wettbewerb: Joshua Kimmich gratuliert Toni Kross zum ersten deutschen Nations-League-Tor. (Foto: Ina Fassbender/dpa)

Toni Kroos: Wenn jemand im deutschen Team Funken eines Fußballers von Weltformat in sich trägt, dann Toni Kroos, jedenfalls sagt man das über den Mann von Real Madrid. Musste nach neun Minuten allerdings erfahren, dass dieser Mbappé ein paar mehr Funken innewohnen hat. Die Rakete zündete, Mbappé düste davon, Kroos war schon nach wenigen Schritten abgehängt. Bibberte dann beim Elfmeterschuss, die Weltformat-Funken reichten aber zum 1:0. Schickte mal Nico Schulz mit einem langen Ball zum Flitzen über die Außenbahn, war auch spielfreudig unterwegs und arbeitete sogar in der Defensive mit.

Ein Duell mit Perspektive, das der Spitzenfußball wohl noch häufiger präsentieren wird: Leroy Sané, 22, entwischt Kylian Mbappé, 19. (Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)

Leroy Sané: Wird noch oft mit dieser WM 2018 in Verbindung gebracht werden, als Was-wäre-gewesen-wenn-Spieler. Wurde von Joachim Löw nicht fürs Turnier auserwählt, zeigte danach aber immer deutlicher, dass dies ein Fehler war. Kombinierte sich im Duo mit Serge Gnabry munter durch die französischen Abwehrreihen, hätte nach 19 Minuten und einem Pass von Kimmich aber ein bisschen mehr Mut zeigen müssen, um selbst zum 2:0 zu erhöhen - wählte stattdessen die schlechtere Option: einen Pass auf Timo Werner. Bekam nach 76 Minuten eine Pause.

Serge Gnabry: Lief auffällig oft genau in die Bereiche, wo man sich aufhalten muss, um den Ball im Tor zu versenken - bekam nur oft den letzten Pass nicht. Das war schade, aber Gnabrys Talent zum eleganten Eindringen in Gefahrenzonen sollte ihm noch viele Startelfeinsätze einbringen. Spielte in der 66. Minute mit der Hacke einen märchenhaften Pass auf Sané, ein daraus resultierendes Tor blieb aber Fantasie.

Timo Werner: Lief permanent Kreise durch die Offensive, große und schöne. Konnte mit den Pässen der Mitspieler allerdings nicht genug anfangen, um die Jobbeschreibung eines Stürmers zu erfüllen.

Die Einwechselspieler: Julian Draxler - lief sich noch warm, dann war die Partie vorüber. Thomas Müller - schaffte es binnen einer Minute, zur vielversprechenden Torchance zu kommen. Vergab Das alte Leid.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: