Einzelkritik gegen Schweden:Reus durchbricht Schwedens Festung

Der Flügelspieler muss definitiv im Team bleiben. Jérôme Boateng arbeitet an zwei Platzverweisen. Toni Kroos' heimlicher Bruder blutet. Das DFB-Team in der Einzelkritik.

Von Christof Kneer und Philipp Selldorf, Sotschi

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Manuel Neuer

World Cup - Group F - Germany vs Sweden

Quelle: REUTERS

Gleich ein Schreckmoment, als ihm plötzlich der Schwede Marcus Berg gegenüberstand. Mit dem letzten Zipfel seines Handschuhs verhinderte er das 0:1. Beim schwedischen Führungstor fand er dann kein rettendes Kleidungsstück mehr. Kurz vor der Pause hielt der lange verletzte Neuer dann aber wieder wie der jahrelang gesunde Neuer: Dank seiner Glanztat marschierten seine Vorderleute mit einem 0:1 in die Kabine, nicht mit einem 0:2.

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Joshua Kimmich

Germany v Sweden: Group F - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Wollte es wieder besonders gut machen, und das gelang ihm zumindest anfangs auch des Öfteren. Lief lang, lief kurz, flankte aus dem Halbfeld oder von der Grundlinie. Und defensiv? Schien das ja ein lockerer Abend zu werden in der Anfangsphase. Nach dem Gegentor war natürlich auch der schwäbische Energiebolzen nicht mehr in der Lage, das Spiel und seine verunsicherten Nebenleute zu beruhigen. Stürmte nach der Pause mit, aber das meiste lief über die anderen Seite.

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Jérôme Boateng

Jerome Boateng nach seinem Platzverweis im WM-Spiel gegen Schweden

Quelle: dpa

Retter in der Not, als Marcus Berg allein auf Manuel Neuer zusteuerte, brauchte dann aber selbst einen Retter: Sein Eingreifen war nicht regelgerecht und hätte, streng genommen, nicht nur einen Elfmeter, sondern einen Platzverweis zur Folge gehabt. Haute sich mehrfach rein, wie man in der Fachsprache so sagt, gab anfangs die gewohnte Autorität im Zentrum. Nach dem Gegentor neigte aber auch er zunächst zur gut gemeinten Hyperaktivität und tauchte mehrmals auf dem rechten Flügel auf. Auch nach der Pause getrieben von dem ehrenwerten Drang, sich überall einzubringen - was dem deutschen Spiel dank seiner zahlreichen präzisen Verlagerungen gut tat. Andererseits war es nicht ohne Risiko. Den Raum, den er sonst bewachte, bewachte dann halt niemand. Geradezu folgerichtig, dass er an diesem Abend auch noch Gelbrot sah.

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Antonio Rüdiger

Germany v Sweden: Group F - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Begann seine WM-Premiere verheißungsvoll - und fügte ihr dann durch einen beinahe kriminell fahrlässigen Ballverlust eine Fortsetzung hinzu, die riesiges Unheil barg. Zwar konnte Boateng das Schlimmste verhindern, aber dieser Schockmoment brachte einen Bruch ins deutsche Spiel. Und natürlich auch in das Spiel des Verteidigers Rüdiger, der zwar seine imposante Athletik immer wieder vorzeigen konnte, aber natürlich keine Souveränität mehr ausstrahlte. Nach der Pause in anspruchsvoller Rolle als Ein-Mann-Abwehrkette, weil Boateng ständig marschierte. Gab sich große Mühe, das seriös zu lösen, und oft gelang ihm das sogar. Solider letzter Mann.

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Jonas Hector

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Quelle: AFP

Ebenfalls WM-Debütant. Man sah es ihm an, als er vor dem Anpfiff auf den Gang ins Stadion wartete. Hakte sich bei der Hymne sicherheitshalber bei Manuel Neuer und Thomas Müller ein. Sein Auftreten im Spiel verriet aber keine übermäßige Anspannung, er bearbeitete seine linke Seite wie gewohnt. Brillantester Moment: Der Hackentrick, mit dem er den Schweden Claesson im Strafraum vom Ball trennte. An ihm lag die zwischenzeitliche deutsche Verunsicherung nicht, aber von ihm wird ja auch keine Führungsrolle erwartet. In der zweiten Hälfte solide als Absicherung auf der Timo-Werner-Seite.

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Sebastian Rudy

World Cup - Group F - Germany vs Sweden

Quelle: REUTERS

War die überraschendste Personalie in Löws Startelf, sollte eine Art kleinen Toni Kroos geben: ball- und passsicher sein, das Spiel kontrollieren und damit diese zuletzt so gemeinen Konter verhindern. Wenn die Außenverteidiger aufrückten, spielte er manchmal eine Art Libero vor den Innenverteidigern. Nicht dominant, aber einigermaßen seriös - bis er nach einer Kollision mit einem gegnerischen Fußballschuh blutend raus musste.

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Toni Kroos

Germany v Sweden: Group F - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Bemühte sich nach der jüngsten Kritik anfangs auffällig um seriöses und konstruktives Spiel, und geriet dann durch zwei schlampig gespielte Pässe doch wieder zu einem Hauptangeklagten. Der erste Fehlpass trug Rudy die Verletzung ein, die ihn zum Aufgeben zwang, der zweite brachte das Gegentor. Hatte in der düsteren Phase der ersten Halbzeit mitunter wieder die erhabene Körpersprache eines Weltmeister und viermaligen Champions-League-Siegers, der sich nicht hundertprozentig sicher ist, ob er unbedingt noch weitere Titel braucht. Startete dann aber schwer motiviert in Halbzeit zwei: Der vorletzte Pass zum Ausgleich stammte von ihm. Und dann kam die Nachspielzeit, dann lief er an zu einem schon jetzt historischen Freistoß, er legte seine ganze Weltklasse in den Schuss, er traf in den Winkel und lief ekstatisch in die Fankurve. Ja was denn, schien er zu schreien: Ja was denn?

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Thomas Müller

World Cup - Group F - Germany vs Sweden

Quelle: REUTERS

Machte einen Witz, bevor´s losging, Julian Draxler konnte nicht anders: Er musste lachen. Das blieb für eine ganze Weile Müllers mit Abstand beste Szene. Versuchte ansonsten in ein Spiel hinein zu finden, das ihn einfach nicht mitmachen lassen wollte. Deutschland braucht, um wirklich erfolgreich zu sein, definitiv einen anderen Müller.

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Marco Reus

World Cup - Group F - Germany vs Sweden

Quelle: REUTERS

Rochierte viel, sorgte in doppeltem Sinne für die von Löw gewünschte Tiefe im Spiel. Er spielte und rannte steil. Kam in der ersten Hälfte nicht immer durch, stellte den Schweden aber immer wieder Aufgaben. War nicht zufällig der Schütze des Ausgleichs. Immer gefährlich für die schwedische Festung, brachte Tempo in die vorderste Reihe und nutzte seine grandiose Technik. Muss definitiv im Team bleiben.

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Julian Draxler

Germany v Sweden: Group F - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Die erste Ballberührung war ein geglücktes Kunststück nach Art eines doppelten Rittbergers. Wenige Momente später hätte er sich fast als Retter des Fußball-Vaterlandes verewigt, doch knapp vor der Linie stoppte ein Verteidiger seinen 1:0-Schuss. Das brachte ihn offenkundig um seine Spiellaune: Blieb bemüht, aber unglücklich und vor allem: ineffektiv. Wurde zur Pause zurecht ausgewechselt.

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Timo Werner

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Quelle: AFP

Spielte Mittelstürmer und war dennoch überall unterwegs. Suchte ähnlich wie Reus jene Korridore, die Richtung Tor führen, arbeitete viel, und das fast immer im Sprinttempo. Sprintete auch, obwohl er eigentlich gar keine Räume dafür hatte. Und so wie Reus ein verdienter Torschütze war, war er ein verdienter Vorbereiter: Eine Tempoverschärfung am Flügel öffnete den entscheidenden Raum und sorgte für die entscheidende Überforderung beim Gegner. Stürmte in der zweiten Hälfte über links und machte diesen Flügel zur gefährlichsten deutschen Zone.

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İlkay Gündoğan

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Quelle: AFP

Nach einer halben Stunde für Rudy eingewechselt und von den deutschen Fans mit Applaus begrüßt. Üblicherweise nichts Ungewöhnliches - in seinem Fall zurzeit schon. Bildete mit Kroos ein technisch exquisites Zentrum, das trotz aller Technik das Spiel in der ersten Hälfte nicht kontrollieren konnte. Nach der Pause durchaus mit Akzenten, aber nicht immer präzise und nicht immer gut abgestimmt mit Nachbar Kroos. Oft zu weit vorn unterwegs, hinterließ Löcher mit hohem Risikofaktor.

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Mario Gómez

World Cup - Group F - Germany vs Sweden

Quelle: REUTERS

Kam zur Pause für Draxler, und schon nach wenigen Minuten hatte sich sein Einsatz gelohnt. Wurstelte sich im Strafraum in einen Zweikampf hinein, der am Ende jenen Raum öffnete, in den Torschütze Reus beim Ausgleich hinein stoßen konnte. Erfüllte seine Rolle als athletische Spitze sehr präsent und gewissenhaft, doch in den entscheidenden Momenten war er nicht dort, wo der Ball war.

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Julian Brandt

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Quelle: AFP

Durfte auch noch ein paar Minuten mitspielen - und hätte sich fast als Retter erwiesen: Sein Schuss in der Nachspielzeit krachte aber an den Pfosten.

© SZ.de/jbe
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