Süddeutsche Zeitung

Eintracht Frankfurt:Wie in alten Diva-Zeiten

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Der Streit zwischen Axel Hellmann und Philipp Holzer an der Spitze von Eintracht Frankfurt erreicht die nächste Eskalationsstufe - und das ist nicht der einzige Konflikt in einer auch sportlich komplizierten Phase.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Erstmals nach mehr als zweijähriger Pandemiepause lädt Eintracht Frankfurt am Mittwoch nächster Woche wieder zu einem Frühlingsempfang. Im Business Club der Arena sollen "großartige Gespräche" möglich sein, zudem wird der Trainer Friedhelm Funkel, der den Traditionsverein nach dem Wiederaufstieg im Jahr 2005 wieder in der Bundesliga etablierte, für sein Lebenswerk geehrt. Gut möglich allerdings, dass ein brisantes Thema diese Veranstaltung überlagert: der Machtkampf zwischen Aufsichtsratschef Philip Holzer und Vorstandssprecher Axel Hellmann, der eine neue Stufe der Eskalation erreicht hat.

Holzer hat in einem öffentlichen Statement am Mittwochabend seinen Rücktritt angeboten, um Hellmann in dem schwelenden Führungsstreit vom Weggang zur Deutschen Fußball-Liga (DFL) abzuhalten. Er habe Hellmann konkret darauf angesprochen, "ob unser Verhältnis ein Grund wäre, einen möglichen Wechsel zur DFL in Betracht zu ziehen". Dies habe Hellmann zwar "aus meiner Sicht verneint", teilte Holzer mit. Doch der Investmentbanker soll sich in den vergangenen Monaten nicht nur als Kontrolleur verstanden, sondern wiederholt auch ins operative Geschäft eingegriffen haben - was Holzer ausdrücklich verneint. In jedem Fall heißt es, die zwei Funktionäre hätten sich bei Fragen zur strategischen Ausrichtung der Eintracht und über die Aufteilung von Zuständigkeiten völlig verhakt.

Das hausinterne Gezänk fällt in eine sensible Phase. Verbürgt sind seit Wochen die Avancen der DFL, für die Hellmann seit dem Rückzug von Donata Hopfen interimsmäßig gemeinsam mit Oliver Leki vom SC Freiburg die Geschäfte führt. Mindestens zwei Tage die Woche wendet der 51-Jährige für die Arbeit bei der Liga auf, und nachdem der Finanzexperte Leki seinen Verbleib in Freiburg bekundete, gilt Hellmann als Topkandidat für den Job des DFL-Geschäftsführers. Das schmeichelt einem Funktionär, der trotz aller Verwurzelung in seinem Heimat- und Herzensverein von einflussreichen Entscheidern gedrängt wird, ganz in die Ligazentrale im Frankfurter Westend zu wechseln. DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, sieht Hellmann als Idealbesetzung an, um die strategische Vernetzung der Liga im internationalen Wettbewerb hinzubekommen.

Die Eintracht beschäftigt ein weiterer Streitfall

Holzer würde nun "im Sinne von Eintracht Frankfurt" seinen Job zur Verfügung stellen, damit Hellmann seinen noch vier Jahre laufenden Vertrag im Verein erfüllt. Es erscheint fraglich, ob sich die beiden zerstrittenen Funktionäre bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung noch mal zusammenraufen. Und Holzer ahnt inzwischen, dass ein Hellmann-Weggang den Europa-League-Sieger in seinen Grundfesten erschüttern würde. Nach vielen personellen Wechseln - insbesondere den Abschieden von Trainer Adi Hütter und Sportchef Fredi Bobic 2021 - war der Jurist derjenige, der das Machtvakuum füllte. Hellmann hat sich zu Holzers neuem Vorstoß noch nicht geäußert.

Der Streit ist derweil nicht der einzige im Verein, was Erinnerungen an das Image der Eintracht als "Diva vom Main" weckt, das der Klub längst abgeschüttelt zu haben schien. Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch Sportvorstand Markus Krösche und Cheftrainer Oliver Glasner oft weit auseinanderliegen. Sei es bei den Zielvorgaben, die Glasner oft als viel zu ambitioniert empfand, oder bei der Bewertung der Qualität des Kaders. Kein Wunder, dass Glasner das Angebot zur Vertragsverlängerung noch nicht annehmen möchte.

In dieser Gemengelage sind die Hessen zudem seit sechs Pflichtspielen sieglos. Nach der jüngsten Pleite bei Union Berlin (0:2) ging Glasner im Fernsehinterview sogar genervt auf seine Spieler los. Der aktuelle Bundesliga-Sechste, chancenlos im Champions-League-Achtelfinale gegen den SSC Neapel, könnte leicht die erneute Europapokal-Qualifikation verpassen.

Und über allem schwebten noch die Ermittlungen wegen Kokainbesitzes gegen Präsident Peter Fischer, die am Donnerstag offiziell eingestellt wurden. Nach Abschluss der Ermittlungen bestehe "zwar weiterhin ein Anfangsverdacht wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Dieser konnte letztlich aber gegenüber keinem der Beschuldigten im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts erhärtet werden", schrieb die Oberstaatsanwältin Nadja Niesen in einer Stellungnahme.

Fischer, 67, der lange als moralische Instanz der Eintracht galt, war zuletzt völlig abgetaucht. Auch bei offiziellen Anlässen wie kürzlich der Verabschiedung des Frauenfußballfunktionärs Siegfried Dietrich war Fischer nicht zugegen. Die Rede für Dietrich hielt Hellmann. Holzer hatte den Termin ausgelassen.

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