Eintracht Frankfurt:Frankfurter Brummschädel

Eintracht Frankfurt - 1. FC Köln

Viel zu besprechen: Frankfurts Trainer Oliver Glasner (2.v.l.) und Kölns Trainer Steffen Baumgart (r.) diskutieren mit ihren Spielern.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Sechs Spiele ohne Sieg zum Saisonstart: Ist das bloß dumm gelaufen - oder schon ein Systemproblem? Nach dem 1:1 gegen Köln stellen sich Trainer Glasner auch Fragen zur Aufstellung.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Es war das aufrechte Bemühen des neuen Frankfurter Stadionsprechers Daniel Wolf, dem Publikum die nächste Punkteteilung aus dem Blickwinkel eines eingefleischten Eintracht-Fans schmackhaft zu machen. "Wir sind zuhause noch ungeschlagen!" brüllte der Mann am Mikrofon, traf damit im Frankfurter Stadtwald aber nicht wirklich den Ton. Denn das inzwischen zum Standardergebnis gewordene 1:1 gegen den 1. FC Köln wollte kaum ein Eintracht-Anhänger mehr als Fortschritt werten. Hörbares Geraune, aber auch höhnische Pfiffe folgten auf die Durchsage von den Rängen, während auf dem Rasen der mit Abstand beste Frankfurter, Filip Kostic, wild fluchend in die Katakomben stakste. Mit derart unstrukturierten Vorstellungen wird es schwierig, Bundesligaspiele und Publikumsgunst zu gewinnen.

"Wir lechzen nach dem Sieg, es geht gerade nicht leicht von der Hand", sagte Trainer Oliver Glasner. Sechs Liga-Partien zum Start nicht zu gewinnen, ist den Hessen noch nie passiert; der Österreicher versuchte im Anflug von Ironie ("Ganz happy sind wir nicht"), diese wenig schmeichelhafte Wegmarke zu überspielen. Doch negierte der 47-Jährige nicht mehr die grundsätzlichen Mängel seiner Mannschaft. "Wir staffeln uns nicht gut, wir machen zu viele Abspielfehler." Eine unterirdische Passquote von 65 Prozent sprach Bände - jeder dritte Ball landete am Samstag beim Gegner.

Trainer Glasner lobt Makoto Hasebe überschwänglich - setzt ihn aber nicht ein

Wenn es auch im Europa-League-Auswärtsspiel bei Royal Antwerpen am Donnerstag keine Besserung gibt, könnten sich fürs Auswärtsspiel beim FC Bayern drei Tage später einige Grundsatzfragen stellen. Noch will Glasner zwar "kein Systemproblem" erkennen, deutete aber an, an seiner Formation mit Viererkette nicht dogmatisch festhalten zu wollen. Nur zur Erinnerung: Drei Jahre lang hatte die Eintracht unter Glasner-Vorgänger Adi Hütter fast durchgängig mit Dreierkette und vorgezogenen Außenverteidigern agiert - und so in Heimspielen eine erdrückende Dominanz aufgebaut.

Eine zentrale Rolle als Strukturgeber spielte seinerzeit der Abwehrchef Makoto Hasebe, der situativ ins Mittelfeld aufrückte - der bei Glasner nach dem vermasselten Bundesliga-Auftakt bei Borussia Dortmund (2:5) jedoch völlig außen vor ist. Glasner überhäufte den Japaner zwar erneut mit Komplimenten: "Für den ganzen Klub ist Makoto ein sehr wichtiger Spieler. Was Makoto sagt, hat Hand und Fuß. Wenn er erzählt, hänge ich an seinen Lippen" und so weiter. Der Trainer setzte ihn aber mit Verweis auf die körperlich robusten Kölner Mittelstürmer Anthony Modeste und Sebastian Andersson erneut nicht ein. Es könnte für Glasner zur Gretchenfrage werden, den 37-Jährigen bald wieder einzubinden.

Eintracht Frankfurt: Mittlerweile Inventar der Bundesliga: Makoto Hasebe.

Mittlerweile Inventar der Bundesliga: Makoto Hasebe.

(Foto: Juergen Schwarz/Getty Images)

Fragwürdig wirkt auch der Verzicht auf Hasebes Landsmann Daichi Kamada, dessen Kreativität dem Team fast immer gut getan hat. Zudem benannte Glasner selbst das Problem, dass einige Zugänge mit den Anforderungen fremdeln würden: "Man merkt, dass der eine oder andere Spieler erst noch die Bundesliga kennenlernt. Denn du kannst nicht mit vier bis fünf Ballkontakten durchs Mittelfeld spazieren."

Überschattet wurde ein "intensives, wildes Spiel" (Glasner) vom enormen Crash-Potenzial. Fast im Minutentakt rauschten in der ersten Halbzeit die Akteure mit den Köpfen zusammen. "So was habe ich noch nicht erlebt", sagte Frankfurts Routinier Timothy Chandler, der in der Halbzeitpause wegen einer Platzwunde genäht werden musste und dann mit einem Kopfverband und nach eigener Aussage auch mit "einem Brummschädel" weiterspielte. Eine Behandlungspause folgte auf die nächste - und in Erik Durm (Frankfurt) und Luca Kilian (Köln) mussten zwei Akteure nach heftigen Zusammenstößen ausgewechselt werden. "Zeitweise waren fünf Spieler mit Kopfverletzungen am Boden. Das zeigt, dass sich keiner was geschenkt hat", urteilte Glasner.

Sein Kölner Kollege Steffen Baumgart hatte sogar ein "interessantes, hochklassiges Spiel" gesehen: "Grundsätzlich haben beide Mannschaften auf Sieg gespielt, das ist das, was wir sehen wollen." Der unaufhörlich an der Seitenlinie herumtigernde Coach mit der Schiebermütze war mit seinem Ensemble zufrieden. Den Vorteil des fein herausgespielten Führungstreffers von Ellyes Skhiri (14.) gaben die mutig startenden Rheinländer erst in der achtminütigen (!) Nachspielzeit der ersten Halbzeit aus der Hand, als der kolumbianische Neuzugang Rafael Borré nach einer von sieben Kostic-Flanken seinen ersten Bundesligatreffer anbrachte (45.+6).

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