Frankfurt in der Bundesliga:Eintracht war einmal

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Ernüchterter Abgang: Martin Hinteregger, Jens Petter Hauge und Djibril Sow nach der jüngsten Niederlage in Köln. (Foto: Jan Huebner/Imago Images)

Nach einer famosen Hinrunde wirkt Frankfurt gerade zerstritten und konfus, nur sechs Tore gelangen bislang im Jahr 2022. Aber nun kommt ja der Lieblingsgegner: Bayern München.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Natürlich kommt bei Kevin Trapp jetzt wieder die Erinnerung hoch. An sein vielleicht bestes von bislang 224 Bundesligaspielen, von denen der gebürtige Saarländer die meisten für Eintracht Frankfurt absolvierte. An jenen 3. Oktober vergangenen Jahres, als die bis dahin sieglosen Hessen beim scheinbar unbezwingbaren FC Bayern mit 2:1 gewannen - und ihm das perfekte Torwartspiel gelang.

In einem Beitrag für den Sender Dazn erzählte Trapp kürzlich von seiner Vorbereitung auf diesen siebten Spieltag. "Ich war nicht hundertprozentig zufrieden. Ich habe mich hingesetzt, was ich ändern muss, voller Fokus auf mich, alles andere ist egal." Er wollte weniger ans große Ganze denken, sondern einfach versuchen, "jedes Ding zu halten, vielleicht ist es der entscheidende Ball".

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Kurz nachdem ihn Bundestrainer Hansi Flick für die Nationalmannschaft wegen einiger wackliger Darbietungen zu Beginn der Saison nicht berücksichtig hatte, wehrte er in München vor Flicks Augen (fast) jeden Ball ab, als wären ihm dafür tausende Arme und Beine gewachsen. "Zu dem Zeitpunkt war Bayern unschlagbar, sie haben gefühlt jedes Spiel vier, fünf Tore geschossen", sagte Trapp: "Von zehn Spielen gewinnst du so eines ein-, zweimal." Der 31-Jährige nannte es rückblickend selbst den "perfekten turning point" der Saison.

Oliver Glasner hatte eigentlich angekündigt, dass in der Rückrunde alles noch besser wird

Für den Torwart, aber auch für den neuen Trainer Oliver Glasner und den ganzen Verein sollte der Erfolg in München ein Wendepunkt sein, nachdem viele schon gefürchtet hatten, dass der erzwungene Umbruch auf der Führungsebene schlimme Auswirkungen haben würde. Für die Eintracht war der erste Saisonsieg das Startsignal zu einer famosen Hinrunde: Die Frankfurter boten mit fast jedem Spieltag bessere Leistungen, körperlich machte ihnen die Doppelbelastung aus Bundesliga und Europa League anscheinend nichts aus, auch mental wirkten sie gefestigt, wie zahlreiche Last-Minute-Treffer belegten. Als die Eintracht kurz vor Weihnachten gegen Mainz 05 mit 1:0 gewann, sagte der Mainzer Manager Christian Heidel: "Sie kommen in dieser Form direkt nach den Bayern."

Der Österreicher Glasner verabschiedete sich in den kurzen Winterurlaub mit der Ankündigung, dass zur Rückrunde alles noch besser werde, weil seine Mannschaft bis in den März hinein keine Englischen Wochen haben würde, weil man aus dem DFB-Pokal früh ausgeschieden und in der Europa League als Gruppensieger bereits fürs Achtelfinale (10. und 17. März) qualifiziert war. Alles in allem eröffneten sich prächtige Perspektiven für 2022.

Gleich im ersten Rückrundenspiel, am 8. Januar gegen Borussia Dortmund, machten Glasners Spieler genau dort weiter, wo sie aufgehört hatten. Traten kratzbürstig auf, spielten temporeich - und überrollten den Gegner mit ihrer Wucht und ihrem Willen. 2:0 stand es nach 24 Minuten. Doch die Frankfurter brachten die Führung nicht über die Zeit, begannen zu zweifeln, stellten sich hinten rein - und verloren kurz vor Schluss gegen den BVB noch 2:3.

Sebastian Rode sagt: "Wir müssen eine Einheit bleiben und dürfen uns nicht selbst zerfleischen."

Seit diesem Tiefschlag ist scheinbar etwas zerbrochen. Vor dem Gastspiel der Bayern (Samstag 18.30 Uhr) wartet die Eintracht mit einem Negativlauf auf: In der Rückrundentabelle liegt Frankfurt mit vier Punkten auf Platz 15, nur Augsburg, Stuttgart und Hertha BSC sind noch schlechter. Lediglich sechs Tore gelangen in diesem Jahr, davon kümmerliche zwei aus dem Spiel heraus. Die jüngsten Auftritte wirkten blass, wie zuletzt beim 1. FC Köln (0:1), wo kaum noch ein gescheiter Spielzug klappte. Kapitän Sebastian Rode warnte danach: "Wir müssen eine Einheit bleiben und dürfen uns nicht selbst zerfleischen." Eintracht war einmal.

Auch Glasner trägt seinen Teil dazu bei, dass Keile ins Gefüge getrieben worden sind. Zwar stützt der 47-Jährige seinen verunsicherten Landsmann Martin Hinteregger, dessen Abwehrspiel von Aussetzern durchsetzt ist und dessen Aufbauspiel oft mindestens unkonventionell aussieht. Aber den japanischen Edeltechniker Daichi Kamada wechselte Glasner nach einem fatalen Ballverlust am vergangenen Samstagabend ein und wieder aus - und beschimpfte ihn noch auf dem Platz. Dabei hat kaum einer der Leistungsträger noch Normalform. Stürmer Rafael Borré versteckt sich, Djibril Sow trabt im zentralen Mittelfeld hinterher und selbst Linksaußen Filip Kostic, als bester Vorlagengeber der Liga gefürchtet, kommt nach Achillessehnenproblemen kaum noch an einem Gegenspieler vorbei.

Herbeigesehnt wird irgendwie ein Befreiungsschlag, am besten wieder gegen den Rekordmeister. Das Frankfurter Gesundheitsamt erlaubt überraschend 25 000 statt der bisher zulässigen 10 000 Zuschauer, das könnte helfen. Und die Statistik macht Mut: Frankfurt hat tatsächlich drei der fünf letzten Bundesligaspiele gegen die Bayern gewonnen, im Herbst 2019 sogar spektakulär mit 5:1. Es war das letzte Spiel des früheren Frankfurter Trainers Niko Kovac als Bayern-Angestellter. Auch daran wird jetzt neben Trapps tadellosem Auftritt wieder erinnert.

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