Eintracht Frankfurt:Erst Blitzschach, dann Yoga

Die Eintracht setzt ihre Serie mit einem clever erwirtschafteten 3:1-Sieg in Augsburg fort - großen Anteil am Höhenflug haben Trainer Adi Hütter und Fixpunkt Sebastién Haller.

Von Maik Rosner, Augsburg

Viele Frankfurter begaben sich hinterher bereitwillig in die Gesprächsrunden, doch auf einen Nenner kamen die Teilnehmer nicht wirklich. Die Fragen zielten vor allem auf Antworten ab, die von Euphorie und hohen Zielen künden sollten. Die Kicker sprachen aber überwiegend von den Defiziten, die ihren 3:1-Sieg beim FC Augsburg begleitet hatten.

Besonders überraschend war das alles zwar nicht, weil Zurückhaltung in solchen Fällen ja zum guten Ton gehört. Verblüffend kam aber die keinesfalls aufgesetzt wirkende Selbstkritik daher, mit der die Frankfurter ihre Dienstreise beschlossen. Egal, ob Kevin Trapp, Danny da Costa, Jonathan de Guzman, Evan N'Dicka, Marco Russ oder Gelson Fernandes - sie alle klangen nicht so, als hätten sie mit ihrem begeisterndem Tempofußball in den vergangenen zehn Spielen neun Siege und ein Remis angehäuft. Sie klangen eher, als kämen sie nach dem Sprung auf Tabellenplatz drei gerade aus einer Yoga-Stunde, in der es eher um inneren Einklang und Erdung gegangen war. In jedem Fall klangen sie wie elf kleine Adi Hütters, dessen besonnener Geist offenbar auf sie übergegangen ist. "Er strahlt immer eine sehr, sehr große Ruhe aus. Das hilft uns ungemein", sagte Außenbahnspieler da Costa über seinen Trainer - und damit auch über sich selbst.

Es ist ein bemerkenswerter Höhenflug, den die Frankfurter erleben - vor allem wegen des Saisonstarts, der besorgniserregend ausfiel. Dem 0:5 im Supercup gegen den FC Bayern folgte das Pokalaus beim Viertligisten SSV Ulm 1846. Der Österreicher Hütter, 48, galt rasch als Favorit auf die erste Entlassung, nachdem er im Sommer nach dem Meistertitel mit den Young Boys Bern zur Eintracht übergelaufen war.

Ende September erfasste die Frankfurter dann eine Thermik, die sie nun schon zwei Monate trägt. Hütter veränderte die Formation von einem auf zwei und dann drei Stürmer und stellte zudem auf eine Dreierabwehr um. Inzwischen steht in der Europa League die Versetzung in die Zwischenrunde nach vier von sechs Gruppenspielen fest. In der Bundesliga etabliert sich die Eintracht als Spitzenteam. Der Ruhepol Hütter muss seine Spieler trotzdem nicht vor Übermut schützen. "Ich steige sicher nicht auf die Euphoriebremse, ich lasse die Jungs laufen, wenn sie taktisch diszipliniert sind", sagte er. Wichtig sei, dass diese Gier auch den Trainingsalltag präge. Das sieht nicht nur Hütter so, sondern auch seine Belegschaft. Weshalb Sportdirektor Bruno Hübner die Fangesänge vom Meistertitel, bei aller Zurückhaltung, keinesfalls als störend empfand. Die Ziele seien, "dass wir für Euphorie, Power und Wucht stehen", sagte er.

FC Augsburg v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

Der Spielmacher-Stürmer: Frankfurts eleganter Offensivspieler Sébastien Haller bringt es nach zwölf Spieltagen auf neun Tore und acht Assists. Beides sind Liga-Höchstwerte.

(Foto: Adam Pretty/Bongarts/Getty Images)

Sie wissen bei der Eintracht durchaus, dass sie keine Spitzenmannschaft im engeren Sinne sind - und richten sich auch auf Dellen im weiteren Saisonverlauf ein. Warum Hütters Elf aber derzeit so gut funktioniert und ihr durchaus zuzutrauen ist, weiterhin oben mitzuhalten, ließ sich in Augsburg ebenso besichtigen wie das Erfolgsrezept. Gleich beim ersten Angriff adressierte Makoto Hasebe einen weiten Pass aus der Abwehrmitte an Mittelstürmer Sébastien Haller, der den Ball mit der Brust annahm und direkt weiterleitete in den Lauf von Jonathan de Guzman, der ebenso kontrolliert zum 1:0 einschoss. 50 Sekunden Spielzeit zeigte die Stadionuhr da an.

In diesem Stil ging es munter weiter. Prägend agierte dabei vor allem die Zwei-Mann-Achse Hasebe und Haller. Immer wieder löste Hasebe die Angriffe aus und suchte Haller mit seinen Pässen über oder durch das Mittelfeld. Der Franzose gab den spielmachenden Stürmer mit dem Rücken zum Tor und verteilte die Bälle, meist auf seine schnellen Offensivkollegen Luka Jovic und Ante Rebic. Oft wechselte sich ein ruhiger Aufbau mit markanten Tempoverschärfungen ab. Zwischendurch sammelten die Frankfurter Kraft, indem sie die Augsburger anrennen ließen, um diese mit schnellen Zügen vor den weiteren Toren von Haller (47.) und Rebic (68.) wie beim Blitzschach zu überlisten. So agierte die Eintracht, trotz vieler zugelassener Augsburger Torannäherungen und Sergio Córdovas Anschluss (90.), durchaus im Stile einer cleveren Spitzenmannschaft, die ausgeglichene Spiele souverän für sich entscheidet.

Neun Siege, 32:8 Tore

Seit dem 1:3 am 5. Spieltag in Mönchengladbach hat Eintracht Frankfurt zehn Pflichtspiele bestritten. Die Bilanz: neun Siege, ein Remis, 32:18 Tore - und in der Bundesliga-Tabelle von Platz 15 unter die ersten drei Teams vorgerückt. - 30. 9.: E. Frankfurt - Hannover 96 4:1 (2:0), 4.10.: E. Frankfurt - Lazio Rom 4:1 (2:1), 7.10.: Hoffenheim - E. Frankfurt 1:2 (0:1), 19.10.: E. Frankfurt - Fort. Düsseldorf 7:1 (3:0), 25.10.: E. Frankfurt - Apollon Limassol 2:0 (2:0), 28.10.: 1. FC Nürnberg - E. Frankfurt 1:1 (0:0), 2.11.: VfB Stuttgart - E. Frankfurt 0:3 (0:2), 8.11.: Apollon Limassol - E. Frankfurt 2:3 (0:1), 11.11.: E. Frankfurt- FC Schalke 04 3:0 (0:0), 24.11.: FC Augsburg - E. Frankfurt 1:3 (0:1).

Welch besonderen Wert der große und ballsichere Haller als Wandspieler für die Spielanlage hat, war zuletzt auch indirekt zu beobachten gewesen: in Nürnberg etwa, vor vier Wochen, bei jenem 1:1, das die Siegesserie unterbrach. Haller saß damals 69 Minuten auf der Bank, und ohne den Fixpunkt setzten sich Jovic und Rebic kaum in Szene. Den Ausgleich in der Nachspielzeit erzwang: der eingewechselte Haller. Mit neun Toren und sieben Vorlagen führt er die Scorerwertung der Liga an. Euphorie? "Ich möchte eine gute Saison mit der Eintracht spielen, nicht mehr und nicht weniger", sagte Haller. Bremsen muss Hütter offenbar auch ihn nicht.

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