Süddeutsche Zeitung

Europa League:Frankfurt spürt Verlustängste

Von Tobias Schächter, London

Ob er es schön finde, dass auch seine Freundin Izabel Goulart im Stadion gewesen sei, wollte ein Reporter wissen. Diese Frage nervte Kevin Trapp. Der Torwart von Eintracht Frankfurt musste gerade das maue 0:0 in der Bundesliga gegen Hertha BSC erklären und forderte von seinen Teamkollegen volle Konzentration auf die letzten Saisonwochen. Trapp stockte daher bei der Frage kurz, atmete tief durch - und sagte höflich, er finde es natürlich schön, dass seine Freundin aus Paris gekommen sei. Dem Reporter reichten diese wenigen Worte - und Trapp redete weiter über die sportliche Situation auf der Zielgeraden der Saison. Die Eintracht, betonte Trapp, habe nun auch etwas zu verlieren.

Knapp zwei Wochen ist diese Szene jetzt her, seither gab es für Frankfurt ein 1:1 gegen Chelsea im Halbfinal-Hinspiel der Europa League und zuletzt das denkwürdige 1:6 bei Bayer Leverkusen. Trotz dieser Schmach und nur zwei Punkten aus den jüngsten vier Spielen steht die Eintracht in der Liga aber noch immer auf dem vierten Champions-League-Rang. Und am Donnerstagabend, im Rückspiel beim FC Chelsea, bestehen durchaus noch Chancen aufs Finale in Baku am 29. Mai.

Tatsächlich aber reisten die Eintracht-Profis am Mittwoch ziemlich ausgelaugt nach London. Zwar kehrt Ante Rebic nach seiner Sperre im Hinspiel wieder in die Startelf zurück, doch fast alle Frankfurter zollen den vielen Kraftakten im Verlauf dieser langen Saison körperlich Tribut. Sebastian Rode fehlte in Leverkusen, weil er nach dem 1:1 gegen Chelsea entkräftet war. Die Hoffnung auf ein Mitwirken des Mittelfeldmotors in London hat Trainer Adi Hütter aber noch nicht aufgegeben; und vielleicht reicht es sogar für einen Einsatz des schon länger verletzten Stürmer Sebastien Haller (Bauchmuskelzerrung). Die Eintracht will noch mal alle Kräfte bündeln für den Traum vom Finale.

Der Druck wird größer, die Kraftreserven kleiner

Doch schon am Sonntag geht es dann wieder um wichtige Punkte in der Liga, zu Hause gegen Mainz, bevor die Frankfurter zum Saisonabschluss beim FC Bayern antreten müssen. Der Druck, etwas Großes zu verlieren, nimmt zu - die Kraftreserven der Spieler aber sind immer kleiner. Einen Sieg in der Liga braucht die Eintracht noch, um sicher auch in der nächsten Saison Europacup-Abende zu erleben. Gelänge dies nicht, würde eine lange Zeit herausragende Saison enttäuschend enden. Nach dem 0:0 gegen Berlin warnte Trapp bereits: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles hergeben, was wir uns in den letzten acht Monaten aufgebaut haben."

Der persönliche Ehrgeiz des Torwarts ist riesig. Trapp, 28, ist als einer der wenigen im Eintracht-Kader auch jetzt, wo es um alles geht, noch in Topform.

Trapp und Frankfurt - diese Liaison wurde zuletzt zu einer Erfolgsgeschichte, die so gar nicht geplant war. Eigentlich hatte der Verein im vergangenen Sommer Frederik Rönnow vom FC Bröndby als neue Nummer eins verpflichtet - als Nachfolger von Lukas Hradecky, der nach Leverkusen wechselte. Immerhin drei Millionen Euro bezahlte die Eintracht für den Dänen. Aber schwache Leistungen zu Saisonbeginn nach einer Knieverletzung stellten Rönnows Bundesliga-Tauglichkeit infrage. Und weil Trapp nach der Verpflichtung von Gianluigi Buffon bei Paris Saint-Germain nur noch als Nummer drei eingeplant war, kehrte der gebürtige Saarländer kurz vor Transferschluss nach Frankfurt zurück - als Leihspieler für ein Jahr.

Nach dem Abstieg des 1. FC Kaiserslautern war Trapp 2012 aus der Pfalz zur Eintracht gewechselt, unter Trainer Thomas Schaaf war er sogar zum Kapitän befördert worden. 2015 wagte er dann den Schritt nach Paris. Die Eintracht kassierte eine Klubrekordablöse von zehn Millionen Euro, und die drei Jahre in Paris ließen Trapp in jeder Hinsicht reifen: "In Paris musst du dich nicht nur mit Leistung, sondern auch mit deiner Persönlichkeit durchsetzen. Du musst dir die Mentalität aneignen, jedes Trainingsspiel gewinnen zu wollen", sagte Trapp einmal.

In drei Jahren an der Seine bestritt er 63 Spiele, doch im vorigen Sommer setzte der neue Trainer Thomas Tuchel nicht mehr auf ihn, obwohl er als dritter Torwart im deutschen WM-Kader in Russland stand.

In Frankfurt ist Trapp nach leicht wackligem Beginn jetzt aber wieder einer, dessen Wort zählt. Ende April erklärte er, sich vorstellen zu können, auch über die Saison hinaus in Frankfurt zu spielen - die entscheidenden Gespräche wolle er aber erst nach der Saison führen. Dann wird Trapp auch wissen, ob Frankfurt nächste Saison erneut europäisch spielt.

Die Eintracht will ihre drei Leihspieler - Trapp, Martin Hinteregger (Augsburg) und Sebastian Rode (Dortmund) - gerne längerfristig halten. Mit den bislang in der Europa League eingespielten 35 Millionen Euro könnte sich der Klub dies leisten. Und eine weitere internationale Wettbewerbsteilnahme würde Trapps Entscheidung positiv beeinflussen.

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SZ vom 09.05.2019/tbr
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