Eintracht FrankfurtIm Frühjahr wieder eine Diva

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„Die tut weh, die tut richtig weh“: Frankfurter Spieler nach der 1:2-Niederlage gegen Union Berlin.
„Die tut weh, die tut richtig weh“: Frankfurter Spieler nach der 1:2-Niederlage gegen Union Berlin. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Champions-League-Anwärter Eintracht Frankfurt droht in alte Muster zu verfallen und im Schlussdrittel der Saison einzubrechen – wenn die vielen Talente im Kader nicht bald ihre Reife beweisen.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Es ist eine gute Gepflogenheit, dass sich Fußballmannschaften unmittelbar nach Schlusspfiff in einem großen Kreis versammeln. Trainer sprechen dann einige Worte, während Spieler dem Lob oder Tadel lauschen. Doch nach dem Bundesliga-Heimspiel von Eintracht Frankfurt gegen Union Berlin (1:2) schien zunächst niemand in der Lage zu sein, für einen Schulterschluss zusammenzukommen: Minutenlang standen die Protagonisten verloren auf dem Rasen herum, von den Rängen ertönten vereinzelte Pfiffe. Als am Sonntag die Sonne hinter dem Waldstadion versank, herrschte Schockstarre. Nach einem Systemausfall, zu dem sich ein verschossener Strafstoß in der Nachspielzeit gesellte.

Dass Topstürmer Hugo Ekitiké mit einem mies ausgeführten Versuch aus elf Metern am Ex-Frankfurter Frederik Rönnow scheiterte (90.+5), passte zum fahrigen Gesamtauftritt. Ein Champions-League-Anwärter hatte den Aufbauhelfer für einen Abstiegskandidaten gegeben. Sportvorstand Markus Krösche war mächtig wütend, die Führung durch Winter-Leihgabe Michy Batshuayi (13.) weggeworfen zu haben wie ein Spaziergänger sein Kaugummi im Stadtwald: „Wir machen zu viele Fehler, verlieren die Struktur und die Kontrolle. Wir haben verdient verloren und sind allein dafür verantwortlich.“ Für diese Heimpleite gelte: „Die tut weh, die tut richtig weh.“

Drei Nackenschläge in der Liga nacheinander – davor Lehrstunden gegen Bayern München (0:4) und Bayer Leverkusen (1:4) – vergrößern die Furcht, mal wieder einen Champions-League-Platz zu verspielen. Der Einbruch zum Frühjahr fügt sich bei der vielleicht doch immer noch launischen Diva vom Main in altbekannte Muster. Erst unter Niko Kovac, danach auch unter Adi Hütter und Oliver Glasner folgte auf eine starke Hinrunde in erschreckender Regelmäßigkeit eine matte Rückrunde. Die Leichtigkeit verwandelte sich im letzten Saisondrittel oft in Schwerfälligkeit. Meist rettete sich die Eintracht irgendwie noch in die Europa League – nur 2022/23 hangelte sich der Klub wirklich in die Königsklasse.

Die Warnsignale sind vor dem Achtelfinalrückspiel der Europa League gegen Ajax Amsterdam (Donnerstag, 18.45 Uhr/RTL) für Krösche nicht zu übersehen: „Die Fehler müssen wir knallhart ansprechen, das darf sich nicht wiederholen. Wir werden Tacheles reden.“ Diesmal dürfte auch nicht der Kräfteverschleiß die erste Ursache für den Formverfall sein, sondern der Hang zur Lässigkeit. So begabt die jungen Wilden auch sind, es gibt eben viele aus diesem Perspektivkader, die lieber einen Ball mit der Sohle streicheln, als ihn mit der Innenseite zu passen. Was an guten Tagen bei Can Uzun, Nnamdi Collins, Nathaniel Brown oder Jean-Mattéo Bahoya hübsch aussieht, fällt ihnen in schlechten Zeiten auf die Füße.

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Toppmöller muss „fünf Minuten vor Anpfiff“ das System wechseln

Trainer Dino Toppmöller sprach von einem „gebrauchten Tag“. Klar, Ausfälle wichtiger Abwehrstützen wie Robin Koch und kurzfristig auch Arthur Theate („Wir haben fünf Minuten vor Anpfiff das System gewechselt“) kann die Eintracht nur schwerlich auffangen, aber sie hätte sich in der zweiten Halbzeit einfach auch mal wehren müssen. „Wir haben fußballerisch und läuferisch nicht das auf den Platz gebracht wie vor der Pause“, sagte Toppmöller und forderte: „Das müssen wir abschütteln und jetzt den vollen Fokus auf Donnerstag richten.“

Auch in der selbsternannten Fußballhauptstadt kann die Stimmung schnell kippen. Hingegen ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Bundeshauptstadt nicht auch noch ihren letzten Erstligisten verliert. So sehr sich allerdings Union-Trainer Steffen Baumgart über „Leistung und Ergebnis“ freute, so verstimmt war er, dass ihn Schiedsrichter Frank Willenborg am Ende der turbulenten Schlussphase mit einer aus seiner Sicht „völlig schwachsinnigen“ gelben Karte bedachte, weswegen er nun im Heimspiel gegen den FC Bayern gesperrt ist.

Das sei wieder „die Erziehungsmaßnahme des DFB“, wetterte Baumgart: „Ich glaube, was denen fehlt, ist das Fingerspitzengefühl, in welchen Situationen wir uns befinden und bewegen in so einem Spiel. Mittlerweile haben wir mehr gesperrte Trainer als Spieler.“ Ehe er sich eilig zum Flughafen aufmachte, wollte er aber noch angemerkt haben, „beim Tabellendritten“ gewonnen zu haben. Wobei das ja seit dem Wochenende gar nicht mehr stimmt: Diesen Rang hat Frankfurts Nachbar FSV Mainz 05 erobert – und dort zeigt die Formkurve vor dem Frühlingsanfang steil nach oben.

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