Für einen Moment zeichnete sich das ungeheuerlichste und imposanteste Pauken-und-Trompeten-Debüt eines Neulings in der Geschichte der Bundesliga ab. Doch der Moment verging so schnell, wie er gekommen war. Elye Wahi, soeben für Mario Götze eingewechselt und erst Ende Januar aus Marseille nach Frankfurt gewechselt, hatte seinen Körper schwungvoll in die Luft befördert, aber der Versuch des Fallrückziehers brachte kein Resultat: Weder traf er den Ball noch einen der vielen Mönchengladbacher Verteidiger, die bei ihm standen. Letzteres war allgemein zu begrüßen, Wahi wurde nicht gleich beim ersten Einsatz für die Eintracht mit einer Verwarnung oder gar einem Platzverweis konfrontiert, und Manager Markus Krösche durfte feststellen, der erste Akt der Integration des 25-Millionen-Euro-Einkaufs sei schon mal gelungen.
Ein bisschen neidisch durfte Gladbachs Trainer Gerardo Seoane schon sein, als sein Pendant Dino Toppmöller in der zweiten Halbzeit seine Ersatzbank ins Spiel brachte: mit den Stürmern Can Uzun, 19, und Elye Wahi, 22, oder den vielversprechenden Oscar Höjlund, 20, und Nnamdi Collins, 21. Viel Zukunft drängt da in die Frankfurter Mannschaft – in der Gegenwart reichte es allerdings gegen eine von krankheits- und verletzungsbedingten Ausfällen gezeichnete Gladbacher Borussia bloß zu einem 1:1.
Ein Kompromissergebnis, von dem sich jeder nehmen konnte, was er brauchte: Die ständigen Kritiker durften monieren, mit dem Remis sei keiner der beiden Seiten richtig gedient – Standardformulierung: X und Y „treten auf der Stelle“ –, die Beteiligten durften auf den Spielverlauf verweisen und sich mit dem Resultat einverstanden erklären. Ein Punkt im Borussia-Park, dafür müsse „man sich nicht schämen“, stellte Toppmöller gelassen fest. Die Frankfurter hatten in der zweiten Halbzeit mehr Spielanteile und bessere Torchancen gehabt, aber sie waren dem Sieg nicht näher als die Borussia mit ihren Gelegenheitsvorstößen.
Ohnehin leitet Toppmöller gerade wieder ein Team an, das aus dem Versuchslabor stammt, der Tabellendritte der Bundesliga ist eine fortgesetzte Versuchsanordnung. Dass mitten in der Saison der Toptorjäger Omar Marmoush das Haus verlassen hat und aus der unerschöpflichen Talentquelle Frankreich dafür ein weiterer Auszubildender zum Team gestoßen ist, das hat die Tor- und Punktproduktion der Eintracht naturgemäß beeinflusst, zuletzt gab es drei Remis hintereinander. Marmoushs Nachfolger Elye Wahi muss erst eingewiesen und moralisch aufgebaut werden. In seinen jungen Jahren wurde er bereits zum dritten Mal für sehr viel Geld durch die Gegend transferiert. Erst aus Montpellier nach Lens, dann aus Lens nach Marseille, nun aus der Hafen- in die Hessenstadt. Dort müsse er jetzt erst mal „Minuten sammeln“, sagte Krösche.
Die Eintracht hat sich in den vergangenen Jahren als Transfermarkt-Meister hervorgetan, Platz drei ist Ausdruck gestiegener Möglichkeiten und Qualitäten. Zugleich zwingen die Fluktuation und die Orientierung an der Marktwertsteigerung dem Trainer Toppmöller anspruchsvolles Arbeiten auf. Routiniers haben in seinem Kader inzwischen Seltenheitswert. Das war womöglich einer der Gründe, warum er sich entschied, an der Seite von Torjäger Hugo Etikité – in Gladbach Schütze des Ausgleichstreffers – den 31 Jahre alten Zugang Michy Batshuayi einzusetzen, der erst am Montag kurz vor Schließen der Börse von Galatasaray Istanbul gekommen war und das Zukunftsversprechen Wahi gewissermaßen absichern soll.
Can Uzun forderte öffentlich mehr Spielzeit ein. Die Eintracht-Chefs haben das als Ausdruck von Ambition gutgeheißen
Batshuayi sei fit und im Rhythmus, sagte Toppmöller, aber der strategische Gedanke des Trainers, den belgischen Mittelstürmer mit „Exit-Bällen“ aus der Deckung in Szene zu setzen, fand keine Verwirklichung. Merklich gefährlicher wurde die Eintracht-Offensive erst, als Uzun für Batshuayi ins Spiel kam. Toppmöller lobte dessen Ballsicherheit, Entschlossenheit und den Drang nach Spielbeteiligung. Ein Versprechen für künftige Startelfeinsätze wollte er damit aber ausdrücklich nicht abgeben, was Uzun als pädagogischen Wink verstehen darf. Der 19-Jährige, im Vorjahr noch Zweitligaprofi beim 1. FC Nürnberg, ist im Wettrennen der Marmoush-Epigonen offenbar der ungeduldigste. Mehr Spielzeit hat er öffentlich eingefordert und das zuletzt auch gestisch unterstrichen, die Eintracht-Chefs haben es registriert und als Ausdruck von Ambition gutgeheißen. In allen Mannschaftsteilen kann Toppmöller vom hausinternen Konkurrenzkampf profitieren. Gute Voraussetzungen für den Einzug in die Champions League und den Start in die nächste Entwicklungsphase des Vereins.
Bei der anderen Traditionself des Samstagabendspiels muss Gerardo Seoane mit bescheideneren Mitteln auskommen. Durch den kurzfristigen Ausfall der erkrankten Nico Elvedi und Philipp Sander musste der Gladbacher Trainer nun auf einen Spieler zurückgreifen, der hierzulande schon weitgehend in Vergessenheit geraten ist, obwohl er vor wenigen Jahren noch als künftiger Stammspieler der Nationalelf ausersehen war. Jetzt feierte Florian Neuhaus, 27, den ersten Startelfeinsatz der Saison und machte sich nicht nur durch die Vorlage für Tim Kleindiensts 1:0 verdient. Doch das Comeback könnte schon das Abschiedsspiel gewesen sein. Besiktas Istanbul drängt kurzfristig auf ein Engagement des Mittelfeldspielers, die Gespräche laufen.