Süddeutsche Zeitung

Eintracht-Niederlage gegen Arsenal:Lebbe geht weiter

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Aus der letzten Stuhlreihe des Presseraumes ertönte eine brummige Stimme. Ihr Besitzer plärrte natürlich nicht unhöflich nach vorne, er war aufgerufen worden vom Moderator, und dann lieferte er auch die gewünschte Phrase: "Lebbe geht weider", sagte also Dragoslav Stepanovic, inzwischen 71 Jahre alt, aber selbstverständlich immer noch mit Schnauzer und Schalk ausgestattet, in Richtung von Adi Hütter, seinem 16. Nachfolger als Trainer von Eintracht Frankfurt.

Natürlich konnte das Vortragen dieses Zitats im Zusammenhang dieses Abends maßlos übertrieben erscheinen. Das Original-Lebbe-geht-weider war ja nach dem dramatischen 34. Bundesliga-Spieltag anno 1992 entstanden, an dem Frankfurt den sicher geglaubten Meistertitel verspielte. Am Donnerstagabend war gerade mal die erste von sechs Europa-League-Vorrundenpartien gegen den unbestritten besten Gruppengegner, den FC Arsenal, 0:3 verloren gegangen. Noch dazu hatten die Frankfurter eine gute Leistung gezeigt. Aber das Zitat ist längst inflationärer Benutzung ausgesetzt, zudem war der Abend auf gewisse Weise vielleicht doch mehr als nur ein 0:3 zum Gruppenstart.

Europa war im Vorjahr das Frankfurter Thema schlechthin gewesen, sportlich wie atmosphärisch. Sechs Siege in sechs Gruppenspielen der Europa League, danach Triumphe gegen Donezk, Lissabon und Mailand, der K. o. erst im Elfmeterschießen des Halbfinales gegen den FC Chelsea - ein einziges europäisches Märchen war es. Eine Niederlage in einem Europa-Heimspiel hatte es gefühlt seit Stepanovic nicht mehr gegeben (und tatsächlich seit dem 1:2 gegen Palermo 2006 und 16 Heimspielen nicht mehr). Die Fans feierten auch am Donnerstag unverdrossen weiter, als habe es die nächste schöne europäische Nacht gegeben. Aber drinnen musste sich Hütter schon fragen lassen, ob sein Team zurück in der Realität sei.

"Enttäuscht sind wir alle, das bin ich natürlich auch, wenn ich das Ergebnis mit den nackten Zahlen sehe", sagte der Coach. Aber die Leistung sei ansprechend gewesen, und er glaube, dass "die Erwartungshaltung riesengroß geworden ist aufgrund der letzten Saison", so Hütter.

Es gab an diesem Abend durchaus Grund für positive Frankfurter Einschätzungen. Denn sie waren etwas mehr als eine Stunde dem FC Arsenal ebenbürtig, der allerdings nicht in Bestbesetzung angetreten war. Viele Torchancen hatte die SGE, der Schuss zum Rückstand nach 38 Minuten war unglücklich, weil abgefälscht, und die beiden Tore der Londoner in der Schlussphase fielen, als Frankfurt nach Dominik Kohrs gelbroter Karte (79.) in Unterzahl war.

Zu den berechtigten Verweisen auf ein gutes Spiel gesellte sich aber auch einige grundsätzliche Skepsis, wie schon in den bisherigen Ligaspielen. Dass der Parade-Sturm um Luka Jovic (zu Real Madrid), Sébastien Haller (zu West Ham United) und Ante Rebic (zum AC Mailand) komplett verkauft worden ist und stattdessen jetzt André Silva und Bas Dost in vorderster Front agieren, macht sich nämlich sehr stark bemerkbar. Es solle keine Ausrede sein, sagte Hütter, aber man müsse halt ein paar Spieler ersetzen - und die Neuen bräuchten noch etwas Zeit. In der Abwehr tritt Kapitän David Abraham nicht so souverän auf wie im Vorjahr, und in der Zentrale ist der junge Zugang Djibril Sow, 22, recht fehleranfällig. Trotz zweier Patzer ersparte Hütter es ihm, zum zweiten Mal nacheinander bereits in der Pause ausgewechselt zu werden.

Der Trainer weiß, dass sich in diesen Bereichen etwas tun muss mit Blick auf das nächste schwere Liga-Spiel gegen Dortmund am Sonntag, aber auch auf die Duelle mit den anderen Euro-Gegnern Guimaraes und Standard Lüttich im Oktober. Ansonsten könnte zumindest Frankfurts Europacup-Leben in dieser Saison nicht lange weitergehen.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2019/sonn/tbr
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