Einsatz von Torlinientechnik:Schiedsrichter im Stich gelassen

Einsatz von Torlinientechnik: Hinter der Linie? Bayerns Dante schlägt den Kopfball von Dortmunds Mats Hummels zurück ins Feld

Hinter der Linie? Bayerns Dante schlägt den Kopfball von Dortmunds Mats Hummels zurück ins Feld

(Foto: AP)

Die Schiedsrichter wollen im Stadion nicht die Dummen sein - wie Florian Meyer im Pokalfinale. Doch die Bundesliga lehnt die Torlinientechnik ab. Gerade in Zeiten von Spiel-Manipulationen sollte man die Frage über Tor oder kein Tor nicht der Spekulation überlassen.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Gleich nach Abpfiff sah man Jürgen Klopp auf Schiedsrichter Meyer zusprinten und Beschwerde einlegen. Meyer ist schon die höchste Instanz. Höher kann sich ein Trainer nicht beschweren. Auch im Falle des Torklaus von Berlin ist die Sache damit erledigt, jetzt ist niemand mehr zuständig. Kein Einspruch, keine Revision. Meyer hatte in der 64. Minute seine Nicht-Tor-Entscheidung getroffen, obwohl der Dortmunder Hummels den Ball wohl über die Linie drückte. Das fällt unter den Terminus der "Tatsachen-Entscheidung", also des Urteils auf dem Spielfeld.

Meyers Reaktion auf Klopps-Klage blieb deshalb das Eingeständnis von Hilflosigkeit: Er selbst sei ja für die Torlinientechnik, so Meyer, aber die gebe es nun mal nicht. Anders als in England, wo das Hawk-Eye-System in dieser Premier-League-Saison gut geholfen hat; anders als bei der WM in Brasilien, wo das System GoalControl genutzt werden wird.

In Deutschland aber werden Meyer und Kollegen auf unabsehbare Zeit im Stich gelassen. Ihnen wird jedwede Hilfe verweigert, sie ziehen sich nach Dramen wie in Berlin den ewigen Zorn zumindest einer Seite des Fan-Volkes zu, nur weil einige Verantwortliche offenbar so gerne die Frage Tor-oder-nicht-Tor diskutieren. Am 24. März wurde dies gerade erst wieder amtlich, da wurde innerhalb der Deutschen Fußball Liga (DFL) von den 36 Profiklubs der ersten und zweiten Liga die Einführung einer Torlinientechnik generell abgelehnt.

Nur neun Erstligisten für die Torlinientechnik

Nur neun Erstligisten und drei Zweitligisten waren für die Einführung technischer Hilfsmittel, wodurch die geforderte Zwei-Drittel-Mehrheit klar verfehlt wurde. Klubs wie Schalke, Wolfsburg oder Frankfurt votierten dagegen, Dortmund und der FC Bayern, die Berliner Finalisten, waren dafür. Dafür gewesen sind auch, und das hätte überzeugend genug sein müssen, die deutschen Schiedsrichter. Diese wollten befreit werden aus der Rolle, im Stadion die Dummen zu sein: Die Einzigen, die nicht aufgeklärt werden über das, was Fernseh-Analysten sekundenschnell auf ihre Bildschirme gespielt bekommen. Und was der Tribünengast mittels Handy-Dienst umgehend erfährt.

Veranstalter des Pokalfinales ist nicht die DFL, sondern der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Dessen Präsident Wolfgang Niersbach teilte mit, der DFB folge dem Votum der Vereine. Unbenommen wäre es dem DFB und seinen Schiedsrichtern gewesen, zusätzlich zwei Torrichter neben den Netzen zu platzieren. Dies macht der europäische Verband Uefa bei seinen großen Turnieren. Allerdings ist auch da schon manch beeindruckende Sinnestäuschung aktenkundig: So bei der EM 2012, als der Engländer John Terry im Spiel gegen die Ukraine klar hinter der Linie klärte. Der Torrichter äugte durchs Netz - und reagierte nicht.

Tor oder nicht Tor? Darum geht es im Fußball. Gerade in Zeiten, in denen Manipulation und Wettbetrug die Spielidee gefährden, zählt es zur Geschäftsgrundlage, diese Frage jedweder Spekulation zu entziehen. All das scheint den selbsternannten Romantikern, die heute noch gerne übers Wembley-Tor von 1966 diskutieren, nicht bewusst zu sein. Sie haben ja Leute wie Florian Meyer, die unfreiwillig für die Unterhaltung sorgen.

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