Einrad-Weltmeister Christian Eckert:Als Preisgeld eine Gemüsekiste

Einradfahren gilt in Deutschland als Zirkusnummer oder Mädchensport. Dabei werden darin Weltmeisterschaften ausgetragen, vom langsamen Rückwärtsfahren bis zum 100-Kilometer-Rennen. Christian Eckert gehört zu den erfolgreichsten Einrad-Fahrern und zählt bei der WM in Italien zu den Favoriten. Sein Sport verhilft ihm bisweilen zu seltsamen Preisen.

Saskia Aleythe

Er kann es schnell und sehr langsam, bergab und bergauf, im Hoch- und im Weitsprung und auch stundenlang: Christian Eckert fährt gern Rad und er fällt auf dabei. Sein Trikot ist übersät mit Sponsoren-Logos und wer den mehrfachen Weltmeister mit seinem Medaillenbündel und der Sportsonnenbrille sieht, hat auch die Berge vor Augen, die Tour-de-France-Etappen und Belgien-Rundfahrten. Für den Erfolg braucht Eckert aber nicht zwei Räder, denn er fährt Einrad. Mal in China, mal in Neuseeland und jetzt gerade in Italien.

Christian Eckert Einradfahrer

Weltmeister Christian Eckert: Mit dem Einrad schon viel rumgekommen.

(Foto: Walter Herzog)

"Das ist wohl die professionellste WM, die ich bisher erlebt habe", sagt der 25-Jährige, und er muss es wissen. Vor 15 Jahren ist er dem Einradfahren verfallen und mittlerweile schon bei seiner siebten Weltmeisterschaft dabei. Mehr als 20 Mal stand er bei der Siegerehrung auf dem Podest, sechs Mal wurde er Weltmeister in den unterschiedlichsten Disziplinen. "Früher wurde noch mit manuellen Uhren gemessen, heute gibt es eine Zeitanlage mit Frühstarterkennung", erzählt er.

Eckert ist groß geworden mit einem Sport, der oft belächel wird, als Mädchensport und Zirkusnummer. Stören tut ihn das kaum, "ich war schon immer einer, der gegen den Strom geschwommen ist." Mit dem Einrad lässt sich so einiges anstellen, allein bei der diesjährigen Weltmeisterschaft in Brixen üben sich annähernd 2000 Teilnehmer in über 30 Disziplinen. Die ganze Woche über tritt Eckert in diversen Sprintdisziplinen (100 bis 800 Meter) an, in denen bis zu 26 Kilometer pro Stunde erreicht werden, auch beim Marathon über 42 Kilometer ist er am Start. Und beim langsamen Rückwärtsfahren. "Das habe ich aber kaum trainiert dieses Jahr", sagt er.

Als 14-Jähriger fuhr Eckert zu seiner ersten Weltmeisterschaft, sie führte ihn nach Peking. Wieder zu Hause angekommen war er um zwei ungewöhnliche Erlebnisse reicher: Mit einer Sondergenehmigung fuhr Eckert mit dem Einrad auf der Chinesischen Mauer, bei der WM wurde er Zweiter im langsamen Vorwärtsfahren. Auf einem 10 Meter langen und 15 Zentimeter breiten Brett holt sich den Titel, wer die meiste Zeit benötigt. Eckert rollte nach 20,15 Sekunden ins Ziel, fünf hundertstel Sekunden schneller als sein Konkurrent aus China. Mit den Jahren kamen Medaillen in den Sprintdisziplinen hinzu, mittlerweile konzentriert sich Eckert aber eher auf die Langstrecken.

"Man kann nicht alles trainieren. Es ist ein extremer Unterschied, ob man sich auf die Ausdauer konzentriert oder die Geschicklichkeit wie beim Langsamfahren", sagt er. Trainieren heißt für Eckert größtenteils sich selbst zu motivieren, einen eigenen Trainer hat er nicht. Hatte er noch nie. "Wenn ich jeden Tag allein auf dem Einrad hocken würde, das würde mich mental total in den Keller fahren", sagt Eckert, der in Dogern in Südbaden wohnt. Er fährt vor allem mit Mountainbike oder Rennrad, zusammen mit anderen Radsportlern. Zweimal pro Woche steht Krafttraining auf dem Plan, insgesamt sind bis zu 20 Stunden pro Woche für das Training vorgesehen. "Mich gibt's aber auch ohne Einrad. Die Dinger liegen im Keller, nicht in meinem Bett."

13 Einräder im Keller

Im März hat Eckert sein Maschinenbau-Studium mit dem Bachelor abgeschlossen und seitdem eine halbe Stelle als Service-Techniker. Nach der WM in Brixen will er sich mehr auf den Beruf konzentrieren. "Ich kann ja nicht noch zehn Jahre Einrad fahren und dann sagen 'Jetzt fang ich mal mit dem Arbeiten an'."

Christian Eckert Einradfahrer

Einrad-Fahrer Eckert: In der Disziplin Cross County auch im Gelände unterwegs.

(Foto: Christian Eckert)

Eine Gemüsekiste gab es bei der Internationalen Bodenseemeisterschaft Ende Juni zu gewinnen, für die Erstplatzierten auch Salatsoße und Gewürze. Preisgelder kommen beim Einradfahren nicht vor, dafür Startgebühren, Anfahrts- und Übernachtungskosten. Eckert ist einer der wenigen, der beim Einradfahren von Sponsoren unterstützt wird. Davon leben kann er nicht. "Die Kosten gehen jährlich an die 10.000 Euro", sagt er. Und so ein Einrad kostet ja auch. Zwischen 300 und 500 Euro muss für ein Wettkampfrad bezahlt werden, je nachdem welche Disziplin damit bestritten werden soll. Eckert hat mittlerweile 13 Stück davon.

Mit rund 900 Teilnehmern ist Deutschland in Brixen vertreten, zur Weltspitze gehört es leistungsbedingt schon lange. Mit den Sportlern aus China und Japan, wo das Einradfahren zum Schulsport gehört, liefern sich die Deutschen seit Jahren Duelle. National ist Niklas Wojtek Eckerts größter Konkurrent. Bei den deutschen Meisterschaften Ende Juni musste sich Eckert über 800 Meter kurz vor dem Ziel von ihm einholen lassen. "Ich bin gespannt, wie es in Brixen sein wird", sagt er, "ich denke, ich habe in den vergangenen Wochen aufgeholt."

Noch bis zum 31. Juli messen sich in Südtirol die Einradsportler. Und wer sich nach dem 42 Kilometer Marathon noch nicht genügend Muskelkater im Hintern zugezogen hat, kann sich auf das erstmals durchgeführte Rennen am Abschlusstag freuen: Dann geht es über 100 Kilometer.

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