Fußball in Spanien:Ein Aschenputtel namens Eibar

Fußball in Spanien: Amaia Gorostiza ist die erste Präsidentin in der Vereinsgeschichte von SD Eibar. (Foto: AFP PHOTO / ANDER GILLENEA)

Amaia Gorostiza ist die erste Präsidentin in der Vereinsgeschichte von SD Eibar. (Foto: AFP PHOTO / ANDER GILLENEA)

(Foto: AFP)
  • SD Eibar darf ihren Spielern nur einen Bruchteil dessen zahlen, was Barcelona oder Madrid ausgeben können.
  • Der Verein verfolgt eine Null-Schulden-Politik und ist in Spaniens Liga trotzdem konkurrenzfähig.
  • In letzter Minute gelang am Sonntag ein Sieg gegen das andere spanische Überraschungsteam aus Alavés.

Von Christoph Söller

Das Label "Überraschungsteam der Saison" hatte in Spanien eigentlich Deportivo Alavés für sich gepachtet. Als Zweitplatzierter - nur einen Punkt hinter dem FC Barcelona - reisten die "Babazorros" am vergangenen Sonntag zum baskischen Derby ins benachbarte Kaff Eibar. Und es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre die Überflieger-Geschichte aus Alavés noch ein Stückchen weiter gegangen. In der Nachspielzeit aber siegte Eibar. Der andere Winzling des spanischen Fußballs. Ein ganz besonderer Winzling, wenn man so will.

Für SD Eibar, einen Klub, der seit Jahren überrascht, war das 2:1 eine Befreiung, fünf Punkte beträgt nun der Abstand zu den Abstiegsrängen. Und nur drei zum derzeit schwächelnden Real Madrid. In der spanischen Liga wirbelt es derzeit einiges durcheinander.

Im beschaulichen Eibar in der Provinz Gipuzkoa sind sie zufrieden mit der bisherigen Ausbeute. Für den Klub ist es das fünfte Jahr in der höchsten spanischen Spielklasse, und als 2014 der Aufstieg nach einem Durchmarsch durch die zweite Liga gelang, da glaubte keiner daran, dass sich dieser Zwerg überhaupt so lange halten würde. Der Aufstieg glich einem Wunder, von einer "Aschenputtel-Story" schrieb die Zeitung El País. Das war damals keine Übertreibung.

In einem System, in dem alle nach dem Prinzip "Geld schießt Tore" agieren, ist SD Eibar eine seltene Ausnahme. Gemessen an Etat und Infrastruktur war nach dem Aufstieg in die Primera División der Klassenerhalt ein Jahr später die nächste große Überraschung. Seitdem behauptet sich der einzigartige David unter Spaniens Goliathen immer wieder in der laut Uefa-Ranking stärksten Liga Europas.

Mit Crowdfunding finanzierte sich Eibar die Lizenz für die erste Liga

Der bis heute bekannteste Spieler, der jemals für Eibar auflief, ist wohl Xabi Alonso. In der Saison 2000/01 wurde er von Real Sociedad an Eibar verliehen, dort absolvierte er 14 Spiele. Nach dem Aufstieg vor gut vier Jahren erwarb Alonso Anteile des Klubs, um die Lizenz für die erste Liga zu finanzieren. Der Riesenschritt in die Primera División gelang mit einem mickrigen Jahreshaushalt von gerade einmal 3,2 Millionen Euro. Weil die Ligaverwaltung damals ein Mindestvermögen von 2,1 Millionen Euro verlangte, startete der Verein ein Crowdfunding-Projekt, um die Summe irgendwie aufbringen zu können. Der Aufstieg sei "eigentlich kaum zu fassen, denn sie sind ein wirklich kleiner Klub", sagte Alonso, dem der Verein bis heute am Herzen liegt.

Hoch oben im Norden Spaniens, im Baskenland zwischen Bilbao und San Sebastián, schlägt damit das Underdog-Herz des iberischen Fußballs. Eibar, Alavés, Athletic Bilbao - diese Vereine haben sich ihre Eigenständigkeit bewahrt. Auch wenn Bilbao aktuell nur 17. ist. Geschichtsinteressierten könnte Eibar geläufig sein, weil der Ort im April 1931 als eine der ersten Kommunen Spaniens die Zweite Republik ausrief, nachdem die Militärdiktatur von General Miguel Primo de Rivera gescheitert war. Sonst aber ist Eibar nie wirklich in Erscheinung getreten. Die Stadt befindet sich in einem Tal zwischen hügeliger Landschaft, die Winter sind mild, die Sommer nicht besonders heiß, es gibt wahrlich schönere Städte in Spanien.

Der FC Barcelona kann 15 Mal mehr für Gehälter ausgeben als Eibar

Aber auch unerfolgreichere. Als Sociedad Deportiva Eibar dann ein Erstligaklub wurde, interessierten sich erstmals überregionale und englischsprachige Medien für dieses Kleinod. Und obwohl die Gegner nun seit geraumer Zeit Real Madrid und FC Barcelona heißen, hat sich im Umfeld nicht viel verändert. Das Estadio Municipal de Ipurua fasst 7000 Zuschauer, die meisten Drittligisten in Deutschland haben größere Arenen. Beim Heimspiel gegen Sevilla brach der Zaun im Gästeblock und ein Dutzend Fans fiel auf das Spielfeld, ohne dass etwas Schlimmes passierte.

Ein früherer Mainzer spielt auch mit

Das kleine, 1947 erbaute und in den späten 90er Jahren renovierte Stadion, umgeben von einer Autobahn und Wohnblocks, ist Teil der Fußballromantik. Bis zur neuen Saison soll das Stadion so umgebaut werden, dass dann 8000 Zuschauer darin Platz finden. Die Identifikation der Menschen vor Ort mit dem Klub ist riesig. Und die Mannschaft zahlt es zurück - nicht immer mit schönem Fußball, aber mit viel Hingabe. Die vergangene Saison beendete man auf Platz neun, aktuell ist man Zwölfter.

Dabei kämpfen die Basken mit ungleichen Waffen. Maximal 41 Millionen Euro darf Eibar inzwischen für Gehälter ausgeben. Das Gefälle in der Liga ist steil. Zum Vergleich: Der Branchenprimus FC Barcelona darf 15 Mal so viel ausgeben, mehr als 630 Millionen Euro. Diese Gehaltsobergrenzen wurden in Spanien eingeführt, um eine Überschuldung der Vereine zu verhindern und Gehaltszahlungen abzusichern. Alle Klubs in La Liga dürfen maximal 80 Prozent ihrer Gesamtetats für Gehälter und damit verbundene Ausgaben verwenden. Eibar verfolgt jedoch ohnehin eine Null-Schulden-Politik.

Zuletzt erwirtschaftete der Verein sogar einen Überschuss von 15 Millionen Euro. Die Präsidentin des Vereins, Amaia Gorostiza, erklärte: "Wir arbeiten weiter hart daran, unseren Traum, in der besten Liga der Welt zu bestehen, zu verwirklichen und wir werden weiter daran arbeiten, den Status des Klubs als Vorbild in unserer Stadt und unserer Region, aber auch außerhalb der Region, national und international, zu verbessern."

Im Kader stehen 16 Spanier und nur zwei Nationalspieler

Gorostiza ist seit 2016 im Amt, sie ist die erste Präsidentin in der Vereinsgeschichte, unter ihr hat sich der Verein wirtschaftlich wie sportlich hervorragend entwickelt. Sie hat trotzdem, so berichtet es die Marca, "nie aus den Augen verloren, wo der Klub herkommt".

Sportlich hat Trainer José Luis Mendilibar eine homogene, zähe Mannschaft zur Verfügung, in der häufig auch der Ex-Mainzer Pablo de Blasis auflaufen darf (wenn der Argentinier nicht, wie am Sonntag, vom Platz fliegt). Das Team profitiert auch von Marko Dmitrović, einem von zwei Nationalspieler Eibars. Der serbische Nationaltorwart hat mit seinen Paraden die teilweise löchrige Verteidigung schon einige Male gerettet in dieser Saison. Der andere Nationalspieler ist Fabián Orellana, der 33 Mal für Chile auflief und den Eibar zu Beginn dieser Saison fest verpflichtet hat. Ansonsten stehen 16 Spanier im Kader, der nicht einmal einen Wert von 50 Millionen Euro aufweist. Und die Saison ist noch lang - Überraschungsteam des Jahres, um diesen Titel spielt Eibar auf jedenfall wieder mit.

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