Ehemalige Profis des FC Bayern:Mia san Ottmar

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Ottmar Hitzfeld beobachtet aus der Ferne mit stillem Vergnügen, wie seine Jünger ihren Weg gehen: Markus Babbel und Thorsten Fink sind Trainer, Willy Sagnol und Thomas Linke agieren als Manager, Jens Jeremies verdingt sich als Spielerberater. Die Kinder des FC Bayern machen sich langsam im Establishment breit.

Christof Kneer

Als Profi gehört es dazu, sich auf ein Spiel vorzubereiten. Ein Verteidiger muss wissen, in welche Richtung sich der gegnerische Stürmer dreht; ein Mittelfeldspieler muss wissen, in welchen Räumen man dem Gegner weh tun kann; ein Stürmer muss wissen, ob der gegnerische Verteidiger lieber quer spielt oder steil.

Einst Spieler des FC Bayern, nun erfolgreiche Trainer: Markus Babbel und Thorsten Fink. (Foto: AP)

Ein Trainer muss alles wissen. Er muss sogar wissen, was die gegnerischen Journalisten wissen wollen. In welche Richtung sie das Gespräch drehen, ob sie lieber quer fragen oder steil. Und wenn er ein besonders profihafter Profi ist, dann weiß er auch, mit welchen Antworten er ihnen weh tun kann. Markus Babbel sagt: "Ich bin nicht derjenige, der täglich daran denkt, ob er irgendwann mal Bayern-Trainer wird." Das war fast die Antwort, die die gegnerischen Journalisten hören wollten, abgesehen von diesem lästigen "nicht" am Anfang. "Ich bin derjenige, der daran denkt. . ." - diese Antwort hätte der Presse gefallen, aber die kriegen sie nicht. Nicht von Babbel.

Markus Babbel, 39, ist nicht nur ein Profi, er ist sogar ein "Proffffi". Das sind jene Spieler, die beim FC Bayern unter dem alemannischen Konsonantenliebhaber Ottmar Hitzfeld gedient haben. Von ihm haben sie gelernt, die Branchenreflexe bis zur fünften Stelle hinterm Komma zu berechnen, und wer diese Lektion einmal intus hat, für den ist es ein Leichtes, Fragen zu antizipieren und sich Antworten zurechtzulegen, die verbindlich klingen, aber immer unverbindlich bleiben. Also: Er, Markus Babbel, Bayern-Trainer? "Wenn sich die Frage irgendwann stellen würde", sagt er und schmunzelt, "dann wüsste ich, dass ich in dem Verein, in dem ich gerade bin, gute Arbeit geleistet habe." Na toll. Und was macht man da jetzt für eine Schlagzeile draus?

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Markus Babbel ist inzwischen Trainer in Hoffenheim, mit seinem neuen Verein kommt er am Samstag nach München. Ein Ehemaliger kehrt heim, das sind die Geschichten, die immer gerne erzählt werden, außer natürlich bei Felix Magath, der ja praktisch jede Woche in eine Stadt kommt, in der er schon mal Spieler durch die Gegend gescheucht hat. Im Fall Babbel ist die Geschichte aber besonders schön, nicht nur, weil er 16 Jahre ein Münchner war und "immer noch hohe Sympathie für den Verein" hegt - vielmehr könnte seine Geschichte der Prolog für weitere, ähnliche Geschichten sein.

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Ottmar Hitzfeld, der Vater aller Proffffis, beobachtet aus der Ferne mit stillem Vergnügen, wie sich seine Jünger allmählich im Establishment breit machen; als Trainer, als Manager (Willy Sagnol beim französischen Verband, Thomas Linke in Ingolstadt), als Spielerberater (Jens Jeremies), als Fernsehfiguren (Thomas Helmer, Oliver Kahn, Stefan Effenberg) oder als Gesamtkunstwerk (Mehmet Scholl). Babbel hat einstweilen den prominentesten Platz in der Branche ergattert, in der "Braaasche", wie er das als anständiger Bayer ausspricht. Man könnte sagen, er hat seine "Schaaase" genutzt. Auch der Ex-Bayer Thorsten Fink hat sich als HSV-Coach einen der 18 begehrten Erstliga-Jobs gesichert, "beide gehören zu denjenigen, die schon als Spieler Verantwortung übernommen haben", sagt Hitzfeld. "Gerade Markus Babbel war nie nur auf sich konzentriert, er hatte immer schon die Gruppe im Sinn."

Babbel und Fink bilden die Vorhut, gespannt verfolgt Hitzfeld, wie viele Ottmarianer ihnen folgen werden. Eine günstige Prognose stellt er vor allem jener Generation, die ihm besonders nahe ist - jenen Spielern, mit denen er 1999 im Champions-League-Finale den legendären Zwei-Minuten-Schock gegen Manchester United erlitt und jenen, mit denen er den Titel zwei Jahre später gegen Valencia nachholte. "Das war eine ganz besondere Elf, mit herausragenden Charakteren", sagt Hitzfeld, "das Trauma von 1999 hat die Gruppe zusammengeschweißt, das ist nicht nur eine Legende, das war wirklich so." So sieht Hitzfeld mit erheblichem Wohlwollen, wie sich etwa Thomas Linke als Sportchef beim Zweitligisten Ingolstadt schlägt. "Thomas hat im Elfmeterschießen gegen Valencia einen Elfmeter verwandelt, obwohl er sonst nie Elfmeter geschossen hat. Das nenne ich Verantwortung übernehmen."

Wer kurz hintereinander mit Hitzfeld und Babbel spricht, der kann unmöglich überhören, wie sehr sich die Worte ähneln. Keiner von beiden redet übers Verschieben von Viererketten, stattdessen bündeln sie ihren Sport in Schlagworte wie "Mentalität", "Verantwortung", "Siegeswillen". Das folgt einerseits einem schlauen Hitzfeld-Grundsatz, der sich Werkstatteinblicke von außen verbittet; andererseits lässt das Vokabular schon erkennen, dass sich hier eine Gruppe von Gleichgesinnten dem Spiel ohne jeden falschen Komplex mit einem Blick nähert, den sogenannte Konzepttrainer für oberflächlich halten würden. Babbel kokettiert sogar damit, "ich bin nicht der Fußballprofessor", sagt er mit dem naturbelassenen Selbstbewusstsein des Oberbayern. "Ich bin keiner, der immer das Neueste vom Neuen braucht."

Markus Babbel ist ein Kind des FC Bayern, im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist als 12-Jähriger bei Hallenturnieren ausgepfiffen worden, weil er das Bayern-Trikot trug, "als Kind verstehst du das ja nicht", sagt er, "du fragst dich: Wie unsportlich ist das denn?" Es habe ihn damals verletzt, aber es hat auch jene Reflexe in ihm angelegt, die Hitzfeld später nur noch schärfen musste. "Bei Bayern entwickelst du früh das Gefühl: Euch zeigen wir's!", sagt Babbel, "schon in der Jugend begreifst du, dass der zweite Platz nicht gut genug ist."

Für die Bosse des FC Bayern hat es einen gewissen Charme, dass sich hinter den Kulissen der Macht eine ganze Mia-san-Ottmar-Generation warm läuft. Die Münchner müssen Perspektiven für die sportliche Leitung der Zukunft und die Nach-Heynckes-Ära entwickeln, und ob sie sich an vereinsfremde Namen wie Slomka oder Tuchel wagen, ist ungewiss. Wer Präsident Uli Hoeneß kennt, weiß, dass er sein Lebenswerk am liebsten Menschen anvertrauen würde, die das Bayern-Emblem im Herzen oder, zur Not, als Tattoo am Körper tragen wie Markus Babbel. Mit interessierter Sympathie werden die Bayern beobachten, ob sich Babbel und Fink bewähren, sie werden Effenberg verfolgen, der gerade den Trainerschein erwirbt. Seinen Nebensitzer im Trainerkurs, Mehmet Scholl, haben sie sowieso im Blick, weil sie ihm nächste Saison die hauseigene U 23 geben. Auch Willy Sagnol, den die Bayern im Scouting beschäftigten, hat nach dem Angebot aus Frankreich angeblich gleich die Bayern informiert, die ihm zur Annahme des Jobs geraten haben sollen - mit dem freundschaftlichen Zusatz, dass ein Sportdirektor der Franzosen auch mal ein Thema für Bayern werden könnte.

Einige im Klub haben den Dortmundern zuletzt schon fast zur Meisterschaft gratuliert, so geht das natürlich nicht. "Auch mit sieben Punkten Rückstand hat Bayern immer die Chance, Meister zu werden", hat Markus Babbel vor dem Gastspiel seiner Hoffenheimer gesagt. Jawoll! Genau so, finden die Münchner, redet ein echter Bayer.

© SZ vom 10.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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