Eigentlich war der Arbeitstag von Will Butcher schon vorbei, doch um 22.30 Uhr wartete noch eine kleine Extraschicht auf ihn. Eine, die er liebend gerne annahm. Der neue Verteidiger des EHC Red Bull München nahm seine zwei kleinen Kinder an die Hand und führte sie direkt an die Eisfläche des SAP Gardens. So wie sie es sich gewünscht hatten. Dann übergab er sie kurz an seine Frau, da sein erstes Interview als EHC-Spieler auf ihn wartete. Und als auch das absolviert war, musste er seine kleine Familientour fortsetzen: Die Kinder wollten unbedingt auch noch in die Kabine ihres Papas.
Das erste Spiel von Butcher im Trikot des EHC war eines der spektakulären Sorte. Im bayerischen Derby gegen die Nürnberg Ice Tigers, das die Münchner trotz einer 2:0-Führung hätten verlieren können, in den Schlussminuten voller Offensivdruck und doppelter Überzahl hätten gewinnen sollen, verloren sie am Donnerstagabend mit 3:4 nach Verlängerung. Es war die erste Niederlage nach zuvor drei Siegen in Serie in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Verteidiger Butcher lief in seinem Debütspiel an der Seite von Maximilian Daubner und Les Lancaster auf. Erstmals auffällig in Erscheinung trat er in Minute 13, direkt nach Münchens 1:0 von Yasin Ehliz: Der 29-Jährige begleitete einen Konter zielstrebig und tauchte zentral vor Ice-Tigers-Torhüter Niklas Treutle gefährlich auf. Sein vielversprechender Schussversuch wurde in letzter Sekunde von einem Nürnberger Stock unschädlich gemacht.
Dass seine offensiven Fähigkeiten so schnell aufblitzten, kam mit Blick auf seine Vita nicht überraschend. Von 2017 bis 2019 sammelte er in zwei NHL-Spielzeiten für einen Verteidiger beeindruckende 74 Scorerpunkte, 65 davon waren Torvorlagen. Er sei keiner, der nur über Statistiken rede, sagte EHC-Trainer Max Kaltenhauser, „aber wenn jemand diesen Output in der NHL hat, dann wird er sicher Tools haben, die uns weiterhelfen.“ Zu seinen erfolgreichen NHL-Zeiten verwies Butcher darauf, dass er nicht der Schnellste oder Größte auf dem Eis sei, das Spiel aber schnell denke: „Ich verwende mein Gehirn, um schnell zu sein, um Spielaktionen zu antizipieren.“ Auch heute, einige Jahre später, ist sein Sprachduktus derselbe geblieben. Sein „Nummer-eins-Asset“ sei sein Hirn, sagte er am Donnerstag. Er sieht sich als „Spielmacher“, und als solcher „kommen bei guten Mannschaften normalerweise Scorerpunkte“.
Der Transfer von Nationalverteidiger Fabio Wagner vom ERC Ingolstadt zur kommenden Saison ist fix
In den vergangenen Spielzeiten sind seine Offensivzahlen aber gehörig zurückgegangen. In der Saison 2021/22 bestritt er sein letztes NHL-Spiel, dann lief er in zwei Spielzeiten für drei AHL-Klubs auf und landete schließlich zu dieser Saison in der kasachischen Hauptstadt Astana. Und dort, in der russisch geprägten KHL, wurde es kurios. Noch bevor er seine Familie nach Astana holen konnte, war seine Zeit dort nach nur 15 Spielen im Oktober auch schon wieder vorbei: Der Klub löste die Verträge alle ausländischen Spieler gegen Abfindung auf. Butcher kehrte in seine Heimat nach Wisconsin (USA) zurück, trainierte dort mit seiner ehemaligen Juniorenmannschaft – und einigte sich dann mit den Münchnern. Obwohl er seine Erlebnisse in Astana als die „verrücktesten“ seiner Karriere bezeichnete, wirkte er tiefenentspannt, als er davon erzählte. „Glücklicherweise hatte ich schon eine tolle Karriere“, sagte er. Eine Karriere, die ihm allein in seinen fünf NHL-Jahren mehr als 13 Millionen US-Dollar eingebracht hat.
Gegen Nürnberg bekam er knapp 17 Minuten Eiszeit. Seine Spielzeit dürfte sich in Zukunft aber erhöhen, wenn man den Worten von Kaltenhauser genau lauscht. Da er lange nicht gespielt habe, müsse man ihm ein paar Spiele Zeit geben, „dass er auf die vollen Minutenzahlen kommt“, sagte der EHC-Trainer nach Butchers Debüt. Dann „wird er sicher unser Überzahlspiel verstärken“, unterstrich Kaltenhauser, der Butcher als „flink und schlau“ beschreibt. Die Präsenz von Butcher erhöht zudem den Konkurrenzkampf beim EHC, gegen Nürnberg musste Dominik Bittner draußen sitzen. Zukünftig wird dieser noch größer: Nach SZ-Informationen ist der Transfer von Nationalverteidiger Fabio Wagner (ERC Ingolstadt) zur kommenden Saison fix.