Eishockey:Abschied hinter Plexiglas

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Ehre, wem Ehre gebührt: Wolfsburgs Fans verabschieden sich von Sebastian Furchner. (Foto: Franziska Gora/Jan Huebner/Imago)

Mit dem dritten Sieg in Serie gegen Wolfsburg zieht der EHC München ins Finale ein. Wolfsburgs Kapitän, der 39-jährige Kaufbeurer Sebastian Furchner, tritt nach 20 Jahren in der DEL mit mehr als 1100 Spielen ab.

Von Christian Bernhard

Sebastian Furchner war ganz nah dran - und doch so weit weg. Den Kapitän der Grizzlys Wolfsburg trennten am Sonntag nur wenige Meter von seiner Bank, zwischen ihm und seinen Teamkollegen war aber eine Plexiglasscheibe, hinter der er in der Münchner Olympia-Eishalle in zivil saß. Der 39-jährige Kaufbeurer konnte im Playoff-Halbfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gegen den EHC Red Bull München nicht mitwirken, da er sich im Viertelfinale am Kopf verletzt hatte. Inmitten seiner Familie saß er nun zwei Sitzreihen hinter der Wolfsburger Bank. Von dort musste er mitansehen, wie die Münchner das Spiel 2:0 gewannen und so die Halbfinalserie 3:0 für sich entschieden. "Man sagt ja immer, dass das letzte Spiel das schwerste ist", sagte EHC-Stürmer Frank Mauer nach dem ersten Münchner Finaleinzug seit 2019 bei Magentasport. "Und das war es."

EHC-Trainer Don Jackson hatte keine Ausfälle zu beklagen und vertraute zum zweiten Mal in Serie derselben Mannschaft. Das bedeutete, dass die Verteidiger Yannic Seidenberg, Olympia-Silbermedaillengewinner von 2018, sowie Andrew O'Brien aufgrund der U23-Regel erneut keinen Platz im Kader fanden. Den Wolfsburgern fehlten etliche wichtige Akteure; Trainer Mike Stewart standen nur noch vier gelernte Abwehrspieler zur Verfügung, Stürmer Fabio Pfohl musste in der Defensive aushelfen.

EHC-Kapitän Patrick Hager war vor der Partie womöglich auch deshalb ziemlich zuversichtlich. Das Spiel müsse natürlich erst gespielt werden, sagte er, "aber ich denke, dass wir bisher in den Playoffs hochkonzentriert sind". Den Worten seines Kapitäns ließ der EHC zügig Taten folgen. Nach einem gefährlichen Überzahlspiel, in dem Yasin Ehliz den Pfosten traf (4.), war es in der sechsten Minute erneut Ehliz, der die Führung markierte. Der Nationalspieler verschaffte sich mit einer schnellen Drehung auf engem Raum Platz und bezwang Dustin Strahlmeier mit einem platzierten Handgelenkschuss. Der Stadionsprecher bejubelte noch das 1:0, da erklang erneut die Tormusik. Diesmal war Austin Ortega per Nachschuss erfolgreich, nur 14 Sekunden nach Ehliz' Treffer.

Als Bayerns Meistertrainer Julian Nagelsmann begrüßt wird, gibt es Pfiffe aus dem Fanblock

Furchner bückte sich beim ersten Powerbreak, einer geplanten Auszeit zur Hälfte eines jeden Drittels, von seinem Platz aus nach vorne, als wolle er bei der Ansprache seines Trainers auch von der Tribüne aus dabei sein. Der EHC hatte die Wolfsburger aber auch defensiv gut im Griff, Pfiffe aus der dem TSV 1860 München nahestehenden EHC-Nordkurve gab es im Startdrittel lediglich, als Bayerns Meistertrainer Julian Nagelsmann auf dem Videowürfel eingeblendet und begrüßt wurde.

Im Mitteldrittel war die Partie ausgeglichen - und den Münchnern stand in der 31. Minute das Spielglück zur Seite, als die Scheibe direkt vor dem EHC-Tor von Maximilian Daubners Schlittschuh an den Pfosten ging. Mauer vergab im Schlussdrittel die Chance zur Vorentscheidung, Strahlmeier entschärfte seine Direktabnahme stark nach einem Konter (48.). Dann brachte sich der EHC mit einigen Strafzeiten selbst in Bedrängnis, doch die Münchner blockten mehrere Schüsse der müden Wolfsburger - und die, die durchgingen, schnappte sich Henrik Haukeland. "Natürlich wussten wir, dass ihnen ein paar Leute fehlen. Wir haben versucht, die Scheibe hinter ihre Verteidiger zu kriegen, damit sie viel laufen müssen, die Wege für sie immer länger werden und die Beine immer schwerer", erklärte Mauer. Münchens Versuch, den Gegner zu "zermürben", wie Mauer es ausdrückte, war von Erfolg gekrönt.

Als die Schlusssirene erklang und sich die Münchner Spieler auf dem Eis in die Arme fielen, umarmte Furchner auf der Tribüne seine Frau und seine Töchter - und wurde dann von Wolfsburgs Manager Charly Fliegauf auch aufs Eis gewunken, um sich von den Münchnern, den Schiedsrichtern und den zahlreich mitgereisten Wolfsburger Fans zu verabschieden. Er hatte bereits vor dem Start der Playoffs verkündet, dass er seine Karriere nach 20 Jahren in der DEL mit mehr als 1100 Spielen aufgrund gesundheitlicher Probleme beenden wird. Für die Münchner geht es dagegen weiter. Mauer, der von 2016 bis 2018 dreimal den Titel mit dem EHC gewann, erinnerte daran, dass man den Geschmack des Sieges nie vergesse. "Den will man immer wieder haben", sagte er, "und wir sind gewappnet dafür."

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