EHC München vor dem DEL-Saisonstart:Flotte Sprüche, große Show

Pierre Page

Neuer Trainer in München: Pierre Pagé.

(Foto: dpa)

Der Start in die Saison der Deutschen Eishockey-Liga ist für den neu formierten EHC München der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Nur sechs Spieler durften bleiben, die Erwartungen sind hoch, der neue Trainer spricht von der Meisterschaft. Den Klub stört das nicht - im Gegenteil.

Von Michael Neudecker

Pierre Pagé spricht dann über Albert Einstein, er sagt: "Warum hat Einstein denn fast nichts Geniales mehr getan, als er 25 war?" Er blickt in die Runde, ernst, die Runde schweigt, sie ahnt ja, dass Pierre Pagé selbst antworten wird. "Ich weiß es nicht", fährt Pierre Pagé fort, "aber vielleicht haben ihm die Leute gesagt, dass er jetzt zu alt ist für Geniales." Pagé blickt. Die Runde: schweigt.

Pierre Pagé wollte damit wohl sagen, dass einem egal sein muss, was die Leute sagen, weil man in Wahrheit nie zu alt ist für Geniales, er selbst ist ja schon 65, und das wäre also die Überleitung zu seiner neuen Aufgabe: Der Kanadier Pagé ist der neue Trainer des neuen EHC München.

Am Freitag um 19.30 Uhr starten sie gegen die Hamburg Freezers in die Saison, weshalb sie am Dienstag zur Pressekonferenz geladen haben, im neuen, 300 Quadratmeter großen VIP-Raum des neu hergerichteten Olympia-Eisstadions. Nahezu alles ist neu beim EHC, seit Red Bull den Klub übernommen hat, und wenn alles neu ist, weiß man vorher nie so genau, wie es wird, wenn es losgeht, auch darüber redet Pierre Pagé am Dienstag. Es ist dann schnell klar, wie es bestimmt nicht wird: langweilig.

"Ich war mal in Rom, nett da", sagt Pagé, "aber München! Das ist eine Stadt der Champions, und deshalb können wir nicht Durchschnitt sein."

"Wir wollen etwas Spezielles erschaffen", sagt Pagé, "auf das das deutsche Eishockey stolz sein kann", er sagt: "Dies ist ein Film, am Freitag beginnt Kapitel eins."

"Jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung", sagt Christian Winkler, und natürlich weiß er, wie das alles klingt, er ist ja einer der wenigen, der aus der alten Zeit übrig geblieben ist. Er ist seit zehn Jahren Manager des EHC, und er kann sich noch gut erinnern, wie der EHC immer wieder ums Überleben kämpfen musste; nicht nur einmal sah es ja so aus, als sei es vorbei mit dem Profi-Eishockey in der, nun ja, Stadt der Champions. "Für mich ist das wie ein Traum, aus dem ich hoffentlich nie aufwache", sagt Winkler. Wie real der Traum ist, sieht man, wenn man in der Eishalle steht: neue Bestuhlung, neue Pressekabinen, unter dem Dach hängen ein Videowürfel und vier HD-Beamer, für die Show vor dem Spiel.

Für die Show auf dem Eis ist Pierre Pagé zuständig, zusammen mit Helmut de Raaf, dem früheren Weltklassetorwart, der jetzt Co-Trainer in München ist. 23 neue Spieler haben sie verpflichtet, von der alten Mannschaft wurden nur sechs Profis übernommen: Torwart Jochen Reimer, Verteidiger Felix Petermann sowie die Stürmer Uli Maurer, Martin Hinterstocker, Andreas Pauli und Toni Ritter.

Sie reden über die Meisterschaft

Ein 29-Mann-Kader ist selbst im Eishockey ungewöhnlich; ob alle bleiben, ist zwar ungewiss, der slowenische Stürmer Jan Urbas hat einen sogenannten Try-Out-Vertrag, der jederzeit gekündigt werden kann, aber "auf jeden Fall", sagt Winkler, "werden wir einen größeren Kader haben als viele andere Klubs". Der große Kader soll den Druck hochhalten und damit die Leistungsfähigkeit steigern, so sehen es Winkler und Pagé.

Unter den Neuen sind auch sechs Amerikaner und fünf Kanadier, vor allem von ihnen wird es wohl abhängen, wie erfolgreich die Show beim EHC tatsächlich wird. Ein paar durchaus vielversprechende Spieler sind dabei, der Verteidiger Andy Wozniewski etwa, der in der starken Schweizer Liga beim EV Zug viel Lob erhalten hat, oder auch der vom Schwesterklub Salzburg nach München versetzte Danny Richmond, der als offensiv begabter Abwehrspieler gilt.

Im Angriff bilden die Amerikaner Jon DiSalvatore, Nick Palmieri und Darren Haydar wahrscheinlich die erste Reihe, besonders Haydar hat sich in der Branche als begnadeter Techniker einen Namen gemacht. Ob das aber reicht, um mit den großen Klubs aus Berlin, Mannheim und Köln mithalten zu können, weiß niemand, nicht einmal Pierre Pagé. Es gibt da ja noch einen Faktor, von dem Pagé am Dienstag auch oft redet: Chemie.

Um sich aufeinander einstellen zu können, haben die Münchner früher mit der Vorbereitung begonnen als alle anderen Klubs der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), haben acht Testspiele bestritten, gegen russische Klubs, tschechische und Schweizer, wegen der Modernisierungsarbeiten in der Halle alle auswärts. Das Fazit fällt gemischt aus, im Sport heißt das: durchwachsen. Die ersten zwei Spiele hat der EHC gewonnen, aber danach ging jedes Spiel verloren, gegen den tschechischen Kontinental-Ligisten Lev Prag gar 5:10, zweistellig. Und weil sie auch einige sogenannte Raubeine geholt haben, haben sie oft viele Strafzeiten bekommen.

"Die Chemie ist noch nicht da", sagt Pagé, es sei klar, "dass wir noch viel Arbeit vor uns haben." Über das größtmögliche Ziel zu reden, die Meisterschaft, findet Pagé trotzdem nicht nur okay, sondern sogar wichtig: "Wenn du nicht darüber redest, hast du Angst davor."

Und Angst, daran besteht kein Zweifel, hat in München niemand.

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