Eine Sache erleichtert Toni Söderholm dieser Tage seine Arbeit: die Beschriftungen an den Wänden im Bauch des neuen SAP Garden. Ohne die, sagt der Trainer des EHC Red Bull München lächelnd, könnte man sich in den weitläufigen Gängen der neuen Arena verlaufen. Söderholm, schwarzes T-Shirt, schwarze Hose, sitzt entspannt in einem Ledersessel, an der Tür zum Raum prangt Coaches 6, es ist eine der vielen Türen in den Gängen. In den Katakomben liegen stellenweise noch Holzpaletten, Bretter oder Teile von Scheinwerfern am Boden, die deutlich machen, dass die offizielle Eröffnung, die am 27. September mit einem Spiel gegen die Buffalo Sabres aus der NHL steigt, eine Punktlandung wird.
Bevor die neue Münchner Arena in Betrieb genommen wird, beginnt für den EHC aber erst die neue Spielzeit in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) – und zwar mit Auswärtsspielen, eben weil der SAP Garden noch nicht bespielbar ist. Am Freitag ist das Söderholm-Team bei den Iserlohn Roosters zu Gast (19.30 Uhr), am Sonntag tritt es bei den Frankfurter Löwen an (14 Uhr). Fehlen wird dort Domink Bittner, der Verteidiger verpasst aufgrund einer Oberkörperverletzung die ersten beiden Spielwochenenden.
Ungewöhnlich am diesjährigen Saisonstart ist das Votum der DEL-Trainer und Sportdirektoren, bevor die Saison am Donnerstag mit dem Auftaktspiel zwischen den Augsburger Panthern und dem ERC Ingolstadt beginnt (19.30 Uhr). Dieses fällt nämlich – was den EHC betrifft – deutlich anders aus als in den vergangenen Jahren. Da wurden die Münchner verlässlich zu den Topanwärtern auf den Titel gezählt, den sie letztmals 2023 geholt haben. Zum Start der aktuellen Spielzeit sieht es erstmals nicht so aus. Bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur nannten nur noch zwei Trainer den EHC als großen Favoriten auf den Gewinn der Meisterschaft – einer davon ist: Toni Söderholm.
Topfavorit ist der Titelverteidiger, die Eisbären Berlin, mit sieben Nennungen. Münchens Nationalspieler Yasin Ehliz denkt ähnlich: „Nach letzte Saison muss man auf jeden Fall zugeben: Das Topteam ist Berlin“, sagte der Angreifer nach der Dienstagstrainingseinheit. Dahinter fiel am häufigsten der Name Adler Mannheim. „Ich kann das verstehen“, sagt Söderholm diesbezüglich. Sein Rezept dagegen: „Dann muss man sich halt beweisen.“ Unter dem Radar fliegen will der ehemalige Bundestrainer aber nicht: „Ich will, dass wir genannt werden, wenn über die Topkandidaten gesprochen wird.“ Auch Münchens Manager Christian Winkler betonte in den Eishockey News: „Wir wollen Meister werden. Daran werden wir uns messen.“
„Wir sind ein bisschen aggressiver unterwegs als letztes Jahr“, sagt Söderholm
Die von außen wahrnehmbare Skepsis, die dem EHC vor dem Saisonstart entgegenschlägt, wurde auch von den Testspielergebnissen im Sommer befeuert. Sieben Spiele hat der EHC bestritten, meist gegen qualitativ starke Gegner, sechs davon gingen (meist knapp) verloren. Söderholm sagt, genau das wünsche man sich in der Vorbereitung: enge Spiele. „Wir sind ein bisschen aggressiver unterwegs als letztes Jahr, und ein bisschen detaillierter“, sind zwei Erkenntnisse, die er aus den Spielen gezogen hat. Detaillierter insofern, als die Abstände zwischen Stürmern und Verteidigern jetzt besser seien und viel wert auf die Schlägerarbeit gelegt wurde.
Mittlerweile hat der EHC auch personell nachjustiert. Das liegt allerdings an der schweren Beinverletzung, die sich Trevor Parkes Ende August im Testspiel gegen den EV Zug zuzog. Der 33-jährige Kanadier, der mit 128 Treffern Münchens DEL-Rekordtorschütze ist, fällt monatelang aus und verpasst womöglich die komplette Saison. Neu verpflichtet wurde Taro Hirose. Der 28-jährige Kanadier kann nicht nur 60 NHL-Einsätze vorweisen, sondern auch die beachtliche Scoringquote von 203 Punkten (50 Tore) in 256 AHL-Spielen. Hirose verfüge über einen „hohen Eishockey-IQ“, sagt Söderholm, er sei spielschnell und einer jener Akteure, die wüssten, „wo die Scheibe landet“. Für Straubings Trainer Tom Pokel hat Hirose sogar das Potenzial, der DEL-Zugang zu werden, der am meisten Aufsehen erregt.
Und dann ist da ja auch noch der erhoffte Schub durch die neue Halle. Vor ziemlich genau einem Jahr erzählte Söderholm direkt vor der Arena, die damals noch ein Rohbau war, welch Schub durch Tampere in seiner finnischen Heimat gegangen sei, als Ende 2021 dort die moderne Arena eröffnet wurde. Dort habe man gesehen, „was für eine Zugkraft“ ein neues Stadion mitbringen könne. Spürt er diesen Effekt hier in München auch schon? „Ja und nein“, sagt Söderholm. Nein deshalb, da er als Trainer „im Vorbereitungstunnel“ lebe und nicht wirklich viel aus diesem herausschaue. Aber auch ja, immer dann, wenn er nach dem Training aus der Tiefgarage der Arena herausfährt und dann merkt: „Ok, es wird fertig.“ Eines spüre er jetzt schon: „Das Gefühl, in der Halle zu stehen, ist wirklich etwas Besonderes.“ Vergangene Woche erlebten Söderholm und seine Spieler bei einem Spieltags-Testlauf erstmals, wie es ist, auf der Eisfläche, mit Musik, Lasershow und allem Brimborium aufzulaufen und zu spielen. Das habe viele Spieler nachhaltig beeindruckt, nicht nur, weil sie von der Qualität des Eises positiv überrascht waren.
Das neue Stadion und die nicht zufriedenstellende vergangene Saison verursachen aber auch einen größeren Druck auf den EHC. Und auf Söderholm. Ja, sagt der Finne, er spüre diesen Druck: „Aber ich würde denselben Druck spüren, wenn ich auf einer anderen Position in diesem Geschäft wäre. Wenn man Teil eines Profiklubs sei, so betont der Trainer, „bist du einer von denen, die liefern müssen.“