Hinter der Bande stehen ist nicht gleich hinter der Bande stehen – diese Erfahrung hat Max Kaltenhauser in den vergangenen zehn Tagen gemacht. Dort stand der 43-Jährige die ganze bisherige Saison schon, doch seit er am 12. Oktober vom Co- zum Interimstrainer des EHC Red Bull München befördert worden ist, wird alles, was er macht, viel aufmerksamer beobachtet. Etwa, dass er sich Sekunden vor Spielbeginn so wie viele der Eishockeyprofis mit Riechsalz stimuliert. Dreimal stand Kaltenhauser mittlerweile als verantwortlicher Trainer der Münchner an der Bande, am vergangenen Sonntag konnte er sich beim 4:0-Derbysieg gegen die Nürnberg Ice Tigers erstmals über drei Punkte freuen.
Die Geschichte von Max Kaltenhauser zeigt, wie schnell es im Profisport gehen kann. Vor etwas mehr als zwei Jahren trainierte der gebürtige Ebersberger noch in der Oberliga. Von dort führte er die Regensburger Eisbären in die DEL2, wo er mit ihnen vor wenigen Monaten völlig überraschend Meister wurde. Es folgten der Anruf aus München, einige Wochen als Assistenztrainer von Toni Söderholm und am 12. Oktober, nach der Trennung von Söderholm, die Beförderung.
Kaltenhauser hat zwei Studiengänge abgeschlossen, er ist Diplom-Sportwissenschaftler und hat einen Master in Management. In diese Richtung tendierte er auch, er wollte „raus aus der vordersten Linie“, wie er es nennt. Nicht mehr als Cheftrainer im öffentlichen und medialen Fokus stehen. Dazu passte das Co-Trainer-Angebot aus München – doch dann kam alles anders. „Eigentlich wollte ich es nach meiner Zeit in Regensburg ein bisschen ruhiger haben, der Plan ist bis jetzt so mittelmäßig aufgegangen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Stattdessen wurde es „turbulent“, so hat er die Tage seit seiner Beförderung wahrgenommen.
Offiziell ist Kaltenhauser Interimstrainer, er beschreibt seinen aktuellen Status so: „Wir machen jetzt erst einmal so weiter und schauen so gut es geht, das Ganze zu lösen.“ Er verweist darauf, dass er ein Angestellter des Klubs sei – und, dass er auch kein Problem damit habe, „wenn ich wieder ins zweite Glied rücken soll“. Er wolle „einfach helfen“.
Stürmer Nikolaus Heigl nennt seinen neuen Coach einen "Bombentyp"
Bei jenen Spielern, die seit seiner Beförderung öffentlich über ihn sprachen, kommt er sehr gut an. Kaltenhauser sei ein sehr lockerer Typ, der immer für einen Witz gut sei, erzählt Konrad Abeltshauser, den nicht nur seine bayerische Seele mit Kaltenhauser verbindet, sondern auch die fußballerische Liebe zum TSV 1860 München. Einfach ein „super Kerl“, betont der Verteidiger. Nikolaus Heigl nimmt das ähnlich wahr, der junge Stürmer spricht, angesprochen auf Kaltenhauser, von einem „Bombentyp“.
So viel zum Typ Max Kaltenhauser. Doch wie ist der Eishockeylehrer Max Kaltenhauser? Der gebe den Spielern „viel Freiraum“, damit sie ihre individuellen Stärken ausspielen können, berichtet Abeltshauser. Das drücke sich „vor allem in der offensiven Zone“ aus, wo gewisse Dinge nicht mehr so vorgegeben seien. Über sich selbst sagt Kaltenhauser, er sei „kein Trainer, der von oben herab coachen möchte“. Der 43-Jährige hat in seinen ersten Tagen als Chef hinter der Bande die Führungsspieler in einige Entscheidungsprozesse eingebunden: wann die Besprechungen stattfinden sollen, ob sie am Spieltag selbst intensiv auf den Gegner eingehen wollen, oder lieber einen Tag vor dem Spiel. Solche Dinge.
Was seine Art betrifft, eine Mannschaft zu führen, schaut Kaltenhauser gerne über die Eishockey-Bande hinaus. So schätzt er vieles an Jürgen Klopp, etwa den Umgang mit den Spielern oder die Begeisterung bei der Ausübung der Trainertätigkeit. Das zeige, „dass man auch etwas zurückbekommt, wenn man viel gibt“, sagt er. Seine emotionale Art an der Bande wurde schon bei seinem ersten Auftritt als verantwortlicher Trainer deutlich: Beim 5:4-Sieg nach Penaltyschießen in Bremerhaven stellte er sich nach den Toren seiner Mannschaft zwischen die Spieler an der Bande und klatschte die Torschützen ab.
Darauf hofft er auch am kommenden Wochenende, am Freitag in Schwenningen (19.30 Uhr) und am Sonntag zu Hause gegen den erstplatzierten ERC Ingolstadt (16.30 Uhr). Am Dienstag erreichte Kaltenhauser die Nachricht, dass das Freiluft-Ligaspiel gegen die Grizzlys Wolfsburg, das die Münchner am 6. Dezember in Prag hätten austragen sollen, abgesagt wurde. So weit nach vorn dürfte er aber wohl kaum gedacht haben.