Süddeutsche Zeitung

KFC Uerdingen:Effenbergs Wenigkeit trägt viel bei

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Von Markus Schäflein, München

"Alle Effenberg?", fragte der Pressesprecher des KFC Uerdingen, und ja, natürlich: Alle Effenberg. Sämtliche Journalisten wollten nach dem Drittliga-Fußballspiel zwischen dem TSV 1860 München und den Uerdingern mit dem neuen "Manager Sport" des KFC sprechen. Und der frühere Nationalspieler ließ dann ganz höflich auch keine Kamera, kein Mikrofon und keinen Block aus, warum auch: Sein neuer Klub hatte zu seinem Einstand ja gewonnen, 1:0 in einem Kampfspiel, das viel mehr Kampf als Spiel war. Ein "Kompliment an die Mannschaft, die sich den Sieg wirklich verdient hat", sprach Stefan Effenberg, 51, also aus. Und machte eine "neue Konstellation mit dem neuen Trainerteam, vielleicht auch mit meiner Wenigkeit" aus.

Dass Effenbergs Wenigkeit Vieles zu dem bissigen Auftritt beigetragen hatte, bestätigten dann auch die Uerdinger Spieler. "Er ist jeden Tag ganz nah bei der Mannschaft", berichtete Torschütze Adam Matuschyk, und: "Als Kind hat man ja schon zu ihm aufgeschaut." Als Matuschyk noch ein Kind war, wurde Effenberg "der Tiger" genannt, und in der Tat präsentierte sich die teuere Mannschaft des russischen Investors Michael Ponomarew bei den Löwen ungewohnt tigermäßig - in einer Partie, von der der gegnerische Trainer Daniel Bierofka zu Recht sagte: "Für mich war das kein Fußballspiel. Das waren nur Emotionen, und der Schiedsrichter hat null Kontrolle gehabt."

Man konnte allerdings nicht behaupten, dass diese Emotionen nur von den Uerdingern auf den Platz gebracht worden wären, auch bei Sechzig steuerten die üblichen Aggressivleader wie Dennis Erdmann und Sascha Mölders einiges Chaos bei. Dass sich der KFC da behauptete, war angesichts der Auftritte der ersten Saisonspiele unter Trainer Heiko Vogel bemerkenswert. Zuletzt übernahm der vorherige Assistent Stefan Reisinger den Posten, nun kam in Daniel Steuernagel noch ein Inhaber der nötigen Fußballlehrer-Lizenz hinzu. "Seit Reise übernommen hat, stehen wir defensiv deutlich besser", stellte Kapitän Jan Kirchhoff fest, "wir kriegen kaum noch Gegentore."

Effenberg sitzt managermäßig auf der Tribüne

Handelte es sich also gar um einen Reise-Effekt statt um einen Effe-Effekt? Vor dem Spiel in der Kabine sei Effenberg "gar nicht dabei gewesen", berichtete Kirchhoff, "er ist ja in der Managerfunktion". Effenberg saß dann auch mangermäßig auf der Tribüne, nicht auf der Bank. Ansonsten habe der Neue aber schon viel bewirkt: "In den eineinhalb, zwei Wochen hat man seinen Einfluss gemerkt, er hat einfach Autorität und Persönlichkeit." Effenberg stoße "Kleinigkeiten an, die uns gut tun - auch wie wir in der Mannschaft miteinander umgehen, wie wir uns führen". Und er stellte sich vor diese Mannschaft - als der Reporter der Sportschau anmerkte, sie habe verunsichert gewirkt, sagte Effenberg: "Ne, ne, ne, ne, verunsichert war sie nicht, da muss ich mal widersprechen."

Dass aus teueren und hochqualifizierten Spielern nicht automatisch eine gute Mannschaft wird, hat der KFC Uerdingen ja mittlerweile ausreichend oft bewiesen. Effenberg entdeckte neben dem Teamgefüge aber noch einen verblüffenderen Verbesserungsbedarf: "Ich habe von Anfang an gesagt, dass das wirkliche Defizit im physischen Bereich ist." Bei besserer Kondition, meinte er, "wäre dieses Spiel auch anders ausgegangen" - sprich: früher entschieden gewesen. In der Tat vermochten die Uerdinger die Überzahl nach gelb-roter Karte gegen Felix Weber (51.) kaum zu nutzen, in der Schlussphase hatte Sechzig noch die Möglichkeit zum Ausgleich durch den eingewechselten Timo Gebhart.

Effenberg war es egal, er hatte gute Laune - bis er auf die Tatsache angesprochen wurde, dass er 2014 fast mal Trainer des TSV 1860 geworden wäre, in der zweiten Liga unter dem damaligen Sportchef Gerhard Poschner. "Das stimmt nicht, und wenn, dann ist das Geschichte", sagte also Effenberg. Man mag sich darauf einigen, dass es Geschichte ist, aber eine gute Geschichte: Schließlich waren die Verantwortlichen zu den Verhandlungen nach eigenen Angaben sogar bei ihm in Dingharting im Wohnzimmer. Dingharting? "Da habe ich nie gewohnt", sagte Effenberg. Und dann reichte es ihm doch mit den Fragerunden zum erfolgreichen Einstand.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2019
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