30 Jahre Effenberg in München:Die Ära des "Cheffe" beim FC Bayern

Steran Effenberg FC Bayern München gegen Alois Schwartz Stuttgarter Kickers dahinter Schiedsric; Stuttgarter Kickers im Jahre 1992

Stefan Effenberg in seinen frühen Jahren beim FC Bayern: Blond und großspurig.

(Foto: imago/WEREK)

Am 11. August 1990 bestritt Stefan Effenberg sein erstes Bundesliga-Spiel für den FC Bayern. Schon bald wurde er ausgepfiffen in Deutschland. Über einen Fußballer, der nicht zimperlich war.

Von Johannes Kirchmeier

Es war ein Sinneswandel mit Folgen, der sich im Sommer 1990 im deutschen Fußball zutrug. Fernab der Weltmeisterschaft in Italien, die das DFB-Team für sich entschied, entschloss sich das 21-jährige Gladbacher Nachwuchstalent Stefan Effenberg für einen Wechsel zum FC Bayern. Effenberg, geboren in Hamburg, wurde erstmals ein Münchner. Man muss ein wenig im Archiv kramen, dann tauchen allerlei Kuriositäten zu diesem Transfer auf. Laut einem SZ-Bericht von damals soll er zuvor beispielsweise gesagt haben: "Zu den arroganten Bayern gehe ich niemals!" Es kam anders, er ging ja sogar zweimal nach München. Aber der Reihe nach.

Zu jener Zeit der Offerte aus dem Süden hatte der blonde Mittelfeldspieler seine Meinung rasch geändert: "So 'ne Chance kriegt nicht jeder." Der Sinneswandel zahlte sich über die Jahre aus: Effenberg sollte in der Folge die Wahrnehmung der Bayern prägen, zeitweise polarisierte er als Person in Deutschland ähnlich stark wie sein Verein. Er gewann mit dem FCB drei Meisterschaften und als Krönung die Champions League 2001, nachdem er noch einmal zurückgekehrt war. Heute ist von der "Ära Effe" die Rede, der Boulevard taufte ihn "Cheffe Effe". Ein Teil der Fußballfans liebte ihn, ein Teil hasste ihn - begonnen hatte alles vor exakt 30 Jahren.

Am 11. August 1990 ließen sich Effenbergs Einfluss, sein Erbe und seine Erfolge nur erahnen. Der junge Kerl mit den feinen Füßen bestritt sein erstes Bundesliga-Spiel für den FC Bayern von Trainer Jupp Heynckes. Kurz vor Ende der Partie gegen Bayer Leverkusen schoss Effenberg sein erstes Tor - den 1:1-Endstand per Elfmeter. Es war ein holpriger Saisonstart für den Verein: Bereits eine Woche zuvor war er blamabel im DFB-Pokal am Oberligisten FV 09 Weinheim (0:1) gescheitert. Wenige Wochen später patzten die Münchner auch gegen den VfL Bochum (2:2). Ergebnisse wie aus einer anderen Zeit - umrankt von heftiger Kritik.

"Den unangenehmsten Auftritt hatten die Jungstars Stefan Effenberg und Michael Sternkopf, die in der zweiten Halbzeit - gnadenlos ausgepfiffen - als trauriges Duo auf der rechten Angriffsseite Fehlpaß auf Fehlpaß spielten", urteilte die SZ damals. Und schlimmer noch, sie wirkten am entscheidenden Gegentor mit. "Thorsten Legat zockte die beiden alleine ab und traf sechs Minuten vor Schluß sogar noch zum 2:2 ins Netz."

Effenberg Imago 1991

Effenberg und Michael Sternkopf - zwei mit unterschiedlichen Wegen beim FC Bayern.

(Foto: Imago)

Aber schnell wurde klar: An Selbstvertrauen mangelte es diesem Effenberg zeit seiner Karriere nicht. Im Gegenteil - das Ego nahm manchmal eben überhand. Als Sechser durfte er auf dem Feld gerne mal dazwischenhauen, um unangenehme Gegner zu stoppen, Effenberg gönnte sich aber auch abseits des Platzes gerne eine rustikale Meinung. "Meine Welt ist das defensive Mittelfeld. Da habe ich meine Stärken, da werde ich mich durchsetzen", hatte er vollmundig verkündet.

Einfach machte er es sich damit freilich nicht, er kam schnell aufmüpfig rüber. Im Herbst 1990 tönte er geradeheraus: "Die anderen sind zu blöd, um Deutscher Meister zu werden." Dabei waren die Bayern seinerzeit weit von jenen Dauersiegern der Gegenwart entfernt. Effenberg, der Provokateur, war gerade 22, als er in deutschen Stadien bereits herzhaft ausgepfiffen wurde. Ihm war das egal, aber heute sind wohl auch wegen den öffentlichen Anfeindungen gegen ihn viele Nachwuchsfußballer vorsichtiger - Demut und Phrasen wie "den nächsten Schritt machen" sind das neue Ding im Fußball. Und Berater tun ihr Übrigens, damit keiner aus der Reihe schert.

Effenberg und seine Bayern konnten die großen Töne übrigens nicht rechtfertigen, sie belegten in seiner ersten Münchner Saison Rang zwei hinter dem 1. FC Kaiserslautern. Und in der Spielzeit darauf, in der Effenberg als erster Spieler überhaupt in der Bundesliga mit der frisch eingeführten gelb-roten Karte vom Platz gestellt wurde, reichte es gar nur zu Platz zehn. Ein Resultat, das aus heutiger Sicht nach Satire anmutet.

Effenbergs persönliche Bilanz fiel gar nicht so schlecht aus: 19 Bundesligatore, zahlreiche brauchbare Pässe, sein Können war zu erahnen. Trotzdem zog er weiter, schneller als erwartet und fast so, als reiche es ihm vom deutschen Fußball. Er unterschrieb beim AC Florenz und blieb zwei Jahre, ehe er zu Borussia Mönchengladbach zurückkehrte, wo er sich später seinen berühmten Tigerkopf ins Haupthaar rasieren ließ. Zuvor zeigte er den deutschen Fans flugs den Stinkefinger im Nationaltrikot bei der WM 1994 in den USA. Damals haftete ihm der Ruf "Star ohne Titel" an - doch seine beste Zeit sollte noch kommen.

Radikal verändern sollte sich die Zuschreibung ab 1998, als er den Sprung zum FCB noch einmal wagte. Unter Trainer Ottmar Hitzfeld, der ihm Freiheit ließ und ihn endgültig zum "Cheffe" machte, erlebte er seine erfolgreichste Zeit als Fußballer. Aus dem vormals oft noch belächelten Tiger wurde nun der Antreiber auf dem Platz bei den Bayern - und viel wichtiger: ein gerissener Pokalejäger. Seine Aggressivität lebte Effenberg jetzt vorzugsweise auf dem Spielfeld aus, er riss sein Team damit mit. "Stefan Effenberg führt die Mannschaft. An ihm orientieren sich viele", sagte sein Coach. "Wo andere sich verstecken, da zeigt sich Effenberg." Ein Beweis dafür: seine insgesamt 110 gelben Karten, Bundesliga-Rekord. Effenberg verstand die Verwarnungen auch als "Zeichen" an Gegen- sowie Mitspieler.

In seinen Dreißigern führte er die Münchner als umsichtiger Regisseur im Mittelfeld zu drei Meisterschaften in Serie (1999-2001), 2001 gewann der Klub zudem die Champions League und den Weltpokal. Erstmals seit Maier, Müller und Beckenbauer in den 1970er Jahren holten die Münchner wieder den wichtigsten Pokal Europas. Es war nach schwereren Jahren damals der Wiederbeginn der Dominanz der Münchner, die bis heute anhält. Und der Kapitän Effenberg, freilich weiterhin nicht zimperlich in seiner Wortwahl, war der polarisierende Frontmann.

"Freunde der Sonne"

"Für den FC Bayern war er eine wichtige Figur in den letzten Jahren. Mit ihm sind viele Erfolge, die wir gemeinsam erzielt haben, ganz eng verbunden. Und ich bin ihm dafür sehr dankbar", sagte der damalige Manager Uli Hoeneß zum Abschied im Jahr 2002, als Effenberg nach Wolfsburg weiterzog. Er musste Platz machen für seine Nachfolger Sebastian Deisler und Michael Ballack.

CHAMPIONS LEAGUE FINALE 2001 FC BAYERN MUENCHEN - FC VALENCIA 6:5 n.E.

Champions-League-Sieger 2001: Effenberg

(Foto: imago sportfotodienst)

Zuweilen gab es übrigens auch in seiner späteren Münchner Phase noch den alten Effe zu sehen. Zur Weihnachtsfeier 2000 erschien er in Cowboystiefeln und Lederhosen statt in Anzug mit Krawatte, er war auch in Handgreiflichkeiten in einer Diskothek verwickelt. Unvergessen sicherlich auch jene Pressekonferenz im Jahr 1999, die bundesweite Berühmtheit erlangen sollte und heute mehrere Hunderttausend Abrufe bei Youtube hat.

Effenberg störte sich damals an der Berichterstattung der Journalisten über ihn: "Es wird immer nur geschrieben: 'Scheiß Effenberg, der spielt immer nur mit angezogener Handbremse', oder sowas. So ein Schmarrn", sagte er. Und weiter ging's: "Da muss man aufpassen, mit dem was man sagt, was man schreibt und wie man das rüberbringt." Es endete mit: "Ich bin einer, der lässt sich das nicht gefallen, Freunde der Sonne." Effenberg konnte wahrlich austeilen. Aber konnte er auch einstecken? Nunja.

FUSSBALL: DFB POKAL 01/02, FC SCHALKE 04

Auf dem Sprung und ein harter Zweikämpfer: Stefan Effenberg (r.).

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es braucht einen gewissen Schneid, um eine Mannschaft zu solch großen Titeln zu führen. Der Fußballer Stefan Effenberg hatte diese Aura, ohne Frage. Als Trainer oder sportlicher Leiter reichte ihm das bei seinen Stationen in Paderborn oder Uerdingen aber nicht. Schwer vorstellbar, dass er selbst noch einmal einen Sinneswandel hinlegt, der ihm den Weg zurück in den Fußball ermöglicht.

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