Jóan Símun Edmundsson von den Färöern:Eddie fliegt durch Ostwestfalen

DSC Arminia Bielefeld v FC St. Pauli - Second Bundesliga

Jóan Símun Edmundsson spielt in Bielefeld oft auf dem rechten Flügel - im Nationalteam der Färöer fungiert er aber auch als Stürmer.

(Foto: Thomas F. Starke/Bongarts/Getty Images)

Der Bielefelder Jóan Símun Edmundsson ist der erste und einzige Profi von den Färöern im deutschen Fußball - in seiner Heimat füllt er manchmal Titelseiten.

Von Jonas Beckenkamp

Die Sache mit dem Wetter möchte Jóan Símun Edmundsson kurz klarstellen, denn wer von den Färöern stammt, der hat so ziemlich jeden Sturm erlebt. "Wenn du Urlaub mit Sonnenschein willst, fahr bloß nicht auf die Färöer", sagt er - und trotzdem war er natürlich diesen Sommer wieder zu Hause. Eine Woche Mallorca mit seinen Brüdern, danach ging's heim nach Toftir am Skálafjørður auf der Insel Eysturoy, "ein Dorf mit 1100 Einwohnern". Dagegen ist Edmundssons derzeitiger Arbeitsort Bielefeld fast schon ein Großstadtmoloch.

Bei der Arminia nennen sie den Stürmer "Eddie", was daran liegt, dass kaum ein Ostwestfale des Färöischen mächtig ist und die Vornamen richtig aussprechen kann. Und Eddie hat es zu einer gewissen Bekanntheit gebracht, schließlich ist er seit vergangenem Jahr der erste und einzige Färinger des gesamten deutschen Profifußballs, am Samstag hat er mit seinem Team 1:0 in der ersten DFB-Pokalrunde gegen Viktoria Berlin gewonnen.

Verbindungen zu Nordatlantik und Nordsee gab es vonseiten der Bundesliga zwar schon immer: Es gab Isländer (Eyjólfur "Jolly" Sverrisson, Alfreð Finnbogason, etc.), Norweger (u. a. Rune Bratseth, Jan Åge Fjørtoft) oder Schotten (Alan McInally, Paul Lambert, etc.). Und natürlich gab es einen Grönländer (Jesper Grønkjær, geboren in Nuuk) sowie Menschen mit Wattenmeerhintergrund (Arjen Robben, André Hahn). Und es gab einst in Gladbach den gebürtigen Dänen Allan Rodenkam Simonsen, der auf den Schafsinseln sogar Nationaltrainer war.

Aber Importfußballer aus dem Archipel im Nordatlantik? Da schweigen die Datenbanken.

So war Edmundsson im vergangenen Sommer schon eine kleine Attraktion, als er vom dänischen Erstligaklub Odense BK mit der Empfehlung von 20 Treffern in Dänemarks erster und zweiter Liga kam. Ostwestfalen neigen gemeinhin zwar nicht zur Euphorie ("Na, wie geht's? - "Muss ja"), doch dass Eddie aus so weiter Ferne geflogen kam und dann auch noch prompt einige Tore zum Start schoss, gefiel den Menschen in Bielefeld. "Klar interessiert das die Leute", sagt der 28-Jährige, "aber ich fühle mich jetzt nicht speziell, nur weil ich der erste Färinger hier bin." Ihm geht es um den Fußball in Deutschland, denn der ist für jemand mit seiner sportlichen Sozialisation etwas Besonderes.

"Die Stadien sind voll, der Fußball ist intensiv, ich habe das Gefühl, hier auf dem richtigen Weg zu sein", sagt Edmundsson - doch er erzählt auch in aller Offenheit, dass er zuvor einige holprige Pfade entlang musste. Bei genauer Betrachtung seiner Vita ist Edmundsson das, was in der Fankurve als "Wandervogel" gilt. Vejle Boldklub, HB Tórshavn, AB Argir, FC Fredericia, Viking Stavanger, FC Gateshead, Newcastle United, B68 Toftir - seine bisherigen Stationen klingen so, als ob einer einmal im Kreis durch die Nordsee geschippert wäre. Während viele seiner Landsleute sich mit dem Sprung ins Mutterland Dänemark zufriedengeben, wollte er "es immer etwas anders machen".

Als er nach England kam, ereilte ihn als Jungprofi mit 20 Jahren ein kleiner Kulturschock, ihm fehlte die nötige Ernsthaftigkeit für den Fußball, wie er selbst zugibt. "Wer aus einer Umgebung kommt, wo jeder jeden kennt, kriegt leichter Heimweh." Die Sehnsucht nach der Einfachheit auf den Inseln gehört für viele Färinger zum Leben wie der Regen und die Windböen. Die Natur, die Ruhe, die Abgeschiedenheit - das prägt und schafft eine Erdverbundenheit, die auch Edmundsson im Gespräch vermittelt. So schüchtern und leise wie ihn die Presseabteilung der Arminia ankündigt, ist er aber doch nicht. Edmundsson spricht wie einer, der schon ein bisschen was erlebt hat. Tatsächlich ist er ja munter umhergetingelt, ehe er sogar noch einmal ein Jahr zu Hause in Färöers Hauptstadt spielte. Zum Durchschnaufen quasi.

Zwei große Momente gegen Griechenland

Sein Werdegang zeigt aber auch, wie viele Zufälle letztlich eine Fußballerkarriere ausmachen können. Oder war es etwa kein Zufall, was im November 2014 passierte? Der Moment, als Färöers Nationalteam seinen allergrößten Sieg errang, war nämlich auch Edmundssons Moment. In Piräus gewannen die Nordmänner dank seines Treffers mit 1:0 in der EM-Qualifikation gegen Griechenland. "Wir hatten uns damals überhaupt nichts ausgerechnet, schließlich spielten viele von uns daheim auf niedrigem Level und hatten wie ich eigentlich Urlaub", sagt er, "aber dann klappte fast alles." Seitdem ist er daheim eine Art Volksheld, zumal er auch dabei war, als die Färinger Griechenland 2015 erneut in den Wellen des Ozeans versenkten (2:1).

Überhaupt hatte der färingische Fußball bis 2018 eine produktive Entwicklungsphase. Die Zeiten, in denen die Färöer mit elf Amateuren antraten und in der Nationalelf Lkw-Fahrer, Fischfabrikmitarbeiter und Möbelverkäufer regelmäßig sieben oder acht Stück kassierten (außer natürlich 1990 beim 1:0 gegen Österreich), sind ohnehin längst vorbei. "Vieles ist professioneller geworden", erklärt Edmundsson. "Wir trainieren mittlerweile das ganze Jahr hindurch und nicht nur im Sommer. Dadurch kommen einige Färinger auch bei Klubs im Ausland unter."

Früher hätten Fußballer von den Inseln meist gedacht, dass sie im internationalen Vergleich ohnehin keine Chance haben. Heute verstärken Punktgewinne gegen Europas Kleine wie Malta, Estland, Lettland, Andorra, Liechtenstein oder sogar das mittelkleine Nordirland den Eindruck, dass Färöer mit seinen knapp 50 000 Einwohnern eine kleine, gedeihende Fußballnation ist. Auch dank Spielern wie Edmundsson hat sich der Fußball dort von der Folklore mit ihren Erzählungen von Torhütern mit Zipfelmützen befreit. Nur zuletzt lief es nicht mehr ganz so gut - fast ein Jahr wartet man nun auf einen Erfolg, weil die Mannschaft verjüngt wurde, weil eine neue Generation sich erst finden muss.

Um Rekordtorschütze seines Heimatlandes zu werden, muss Eddie nur noch vier weitere Treffer schaffen, dabei "ist Toreschießen gar nicht meine größte Stärke". Aber wenn er so auftrumpft, wie zum Start der vergangenen Spielzeit in Bielefeld (er traf damals prompt in den ersten beiden Spielen), dauert es nicht mehr lange, bis er wieder groß in den Medien auf den Färöern auftaucht. "Sie zeigen dort meist meine Spiele in den Nachrichten", erzählt Edmundsson, "und wenn ich Tore schieße, dann steht das mitunter sogar auf den Titelseiten der Zeitungen." Man wird eben schnell berühmt im Land der grünen Hügel und Schlechtwetterfronten.

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