Bemerkenswert, wenn in einem Nachruf der ehrwürdigen BBC ein Satz wie dieser steht: „Er war ein Schelm, der manchmal liebenswert, manchmal zwielichtig und gelegentlich beides zugleich war.“ Aber besser lässt sich der ehemalige Rennstallbesitzer Edmund Patrick Jordan kaum charakterisieren. Und vermutlich war dies genau die richtige Mischung, um in den 1990er-Jahren in der Formel 1 mit einem eigenen Team anzutreten – zu einer Zeit, als die Garagisten noch in der Mehrheit waren, aber schon Überlebenskünstler sein mussten. Das Kleeblatt, das Jordan auf seine Rennwagen pappte, war nicht nur eine Reminiszenz an seine irische Heimat. Es war auch das Siegel eines rasenden Glücksritters.
Der Mann, den die ganze Motorsportwelt nur als „Eddie“ kannte, ist am Donnerstagmorgen im Alter von 76 Jahren in Kapstadt seinem Leiden erlegen, das er im vergangenen Dezember öffentlich gemacht hatte. Der Prostata- und Blasenkrebs hatte trotz Chemotherapie weiter gestreut und war nicht mehr zu besiegen. Die Formel 1, in der Jordan längst als Protagonist einer Ära galt, kondolierte: „Mit seiner unerschöpflichen Energie verstand er es immer, Menschen zum Lächeln zu bringen, und blieb dabei stets authentisch und brillant.“

Formel 1:Als Michael Schumacher einfach die Tür zumachte
Vor 30 Jahren liefern sich Michael Schumacher und Damon Hill ein unvergessliches Duell. Nach einer Kollision wird der Deutsche erstmals Weltmeister in der Königsklasse – und lebt in den Folgejahren eine Professionalität vor, die bis heute nachwirkt.
Chronisch unterfinanziert, aber immer überenthusiastisch, damit hatte Jordan seinen Rennstall immerhin 15 Jahre lang in der Königsklasse halten können. Als sein Team, das er 1991 praktisch aus dem Nichts gegründet hatte, mal wieder dringend Geld und Publicity (in beliebiger Reihenfolge) brauchte, erfand Jordan mal eben die Boxenluder. Er bestellte freizügige Fotomodelle und bezahlte sie dafür, seiner Hinterbänklertruppe ein seiner Meinung und seinem Geschmack nach interesseförderndes Sex-Image zu verleihen. Der Unfug wirkte tatsächlich, noch heute klebt der Etikettenschwindel an der gesamten Formel 1.
Schon für damalige Zeiten war dieser Eddie Jordan, der als Jugendlicher noch mit dem Priesterseminar geliebäugelt hatte, viel zu unkorrekt. Aber genau das machte ihn auch so legendär. Die Fans liebten ihn, weil er als Drummer der Band Eddie and the Robbers Rock’n’Roll nicht bloß spielte – sondern vor allem auch lebte.
Eine ganze Reihe großer Piloten heuerte bei ihm an, ob Ayrton Senna in der Formel 3 oder Damon Hill in der Formel 1
Als eher mäßiger Rennfahrer hatte er sich 1976 bei einem Unfall ein Bein gebrochen, im Krankenhaus fielen ihm alle Haare aus. Von da an wurde das Toupet zu seinem Markenzeichen, das für seine Branche unabdingbare Tuning unternahm er mit einer großzügigen Portion Gel. Größtmögliche Seriosität war nicht unbedingt sein Ding, vielleicht hatte ihn seine Banklehre auch eines Besseren belehrt. Einen Verbündeten fand er in dem ehemaligen Gebrauchtwagenhändler Bernie Ecclestone, der als Zampano der Formel 1 tatsächlich immer ein Herz für die Kleinen hatte, und für einen Dealmaker wie Jordan ganz besonders.
Jordan war mit einem feinen Näschen für Talente und fürs Geschäft ausgestattet, eine ganze Reihe großer Piloten heuerte bei ihm an, ob Ayrton Senna in der Formel 3 oder Damon Hill in der Formel 1. Ohne Eddie Jordan würde es aber vor allem das sogenannte deutsche Rennfahrerwunder vermutlich nicht geben. Als er Ende August 1991 dringend Ersatz für seinen Stammfahrer Bertrand Gachot suchte, der in London im Gefängnis saß, diente ihm der Stuttgarter Manager Willi Weber seinen Schützling Michael Schumacher an. Bezahlfahrer waren bei Jordan immer willkommen, die gute halbe Million für den Einsatz des unbekannten Debütanten kam von Mercedes.

Jordan wollte nur wissen, ob dieser junge Deutsche denn schon mal in Spa-Francorchamps gefahren sei. Was Weber bejahte und was nicht ganz gelogen war – Schumacher hatte bereits eine Runde auf dem Mountainbike über den Asphalt in den Ardennen gedreht. Der Rest ist Rennsportgeschichte: Der Neuling Schumacher fuhr in der Qualifikation auf einen sensationellen siebten Rang, im Rennen explodierte nach ein paar Hundert Metern allerdings die Kupplung. Beim nächsten WM-Lauf saß Schumacher schon nicht mehr im Jordan, Bernie Ecclestone hatte endlich seinen ersehnten deutschen Rennfahrer und besorgte ihm bei Benetton ein aussichtsreicheres Cockpit. Eddie Jordan ärgerte sich vor allem darüber, was ihm da für ein Geschäft durch die Lappen gegangen war, hätte er nur einen besseren Vertrag gemacht.
Heute ist aus dem Rennstall von Jordan das Team Aston Martin geworden – und aus den bescheidenen Werkhallen eine echte Traumfabrik
Das holte er später bei Schumachers Bruder Ralf nach, bei dessen Karrierestart 1997 Jordan schon ein Mittelklasseteam war, auch wenn der Boss ihm in Spa 1998 mit einer Team-Order zu Gunsten von Damon Hill den ersten Grand-Prix-Sieg verweigerte. Ralf Schumacher hatte Jordan vor nicht allzu langer Zeit noch in Kapstadt getroffen und schrieb am Donnerstag auf Instagram: „Dafür, dass du mir die Gelegenheit gegeben hast, meine Formel-1-Karriere in deinem Team zu starten, werde ich dir ewig dankbar sein.“
Manchmal verdiente der gewiefte Teamchef auch noch mit, wenn seine Piloten schon längst woanders fuhren. Auch seinen größten Erfolg in anderthalb Jahrzehnten Rennstallgeschichte, Platz drei 1999 in der Konstrukteurswertung hinter Ferrari und McLaren, feierte Jordan mit einem deutschen Piloten – dem Mönchengladbacher Heinz-Harald Frentzen. Nick Heidfeld und Timo Glock fuhren ebenso für ihn, 2005 verkaufte Jordan sein Team dann für 60 Millionen Dollar an den Kanadier Alexander Shnaider.
Heute ist daraus der Rennstall von Aston Martin geworden, und aus den bescheidenen Werkhallen vis-à-vis der Rennstrecke von Silverstone ist eine echte Traumfabrik erwachsen. Für Besitzer Lawrence Stroll spielt Geld keine Rolle, mit der Einrichtung der Kantine allein hätte Jordan wohl eine ganze Saison bestreiten können. Aber ein Stück Eddie steckt auch in Aston Martin. Der geniale Fahrzeugdesigner Adrian Newey hatte seine Verhandlungen über einen Wechsel von Jordan führen lassen, seinem Nachbarn am Zweitwohnsitz in Südafrika. Newey soll die Rekordsumme von 35 Millionen Euro jährlich kassieren. Und so könnte Eddie Jordan indirekt vielleicht doch noch irgendwann Weltmeister werden.