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E-Sport:Zocken ist nicht Joggen

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E-Sport ist laut eines Gutachtens kein Sport - und das ist richtig so. Denn hinter dem E-Sport stecken milliardenschwere Konzerne - sie interessiert maximaler Profit mehr als maximale sportliche Leistung.

Kommentar von Raphael Späth

Die Frage drängt schon lange: Ist E-Sport nun Sport oder nicht? Ein vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zur Gemeinnützigkeit findet darauf nun eine klare Antwort: Nein, der E-Sport sei im Sinne des geltenden Rechts kein Sport, weil er den im Sportbegriff definierten "Anforderungen an die Körperlichkeit" nicht entspreche. Diese Sicht bietet allen Andersdenkenden natürlich genug Angriffsfläche, wie der Präsident des Deutschen E-Sport-Bundes, Hans Jagnow, in seiner ersten Stellungnahme auch direkt beweist. Viele vom DOSB anerkannte Sportarten, so argumentiert er, definierten sich ebenfalls nicht durch übertriebene Athletik - er nennt Sportschießen, Tischfußball oder Darts als Beispiel.

Unterschiedliche Spiel- und Wettbewerbsformen werden in der Tat mit unterschiedlichem Körpereinsatz betrieben. Niemand würde das bezweifeln. Doch anders als beim E-Sport stehen hinter Tischfußball und Darts nicht milliardenschweren Konzerne wie EA oder Riot Games, deren legitime Triebfeder darin besteht, so viel Profit wie möglich zu generieren. Das unternehmerische Ziel dieser Firmen liegt nicht im Streben nach maximaler sportlicher Leistung, sondern nach maximalem Gewinn: Der Umsatz mit Games und Hardware, etwa Konsolen, wuchs in Deutschland im letzten Halbjahr um elf Prozent auf 2,8 Milliarden Euro.

Der Sport hält mit seinem Wertekodex dagegen, und im Idealfall soll er die Gesundheit fördern. Auch E-Sportler wie Cihan Yasarlar betätigen sich sportlich: Der dreimalige deutsche Meister in der Fußballsimulation "FIFA" erzählt in einem Werbespot der Techniker Krankenkasse, dass er "nach mehreren Stunden Zocken" Joggen geht oder Stabilitätsübungen macht - als Ausgleich. Auch er weiß, dass es kaum gesundheitsfördernd ist, stundenlang auf den Computer- oder Fernsehbildschirm zu starren. Und vermutlich würde kein Arzt der Welt als Behandlung einer Adipositas zwei Stunden "Counterstrike" pro Tag verordnen.

Die E-Sport-Community hingegen hat stets den Wettkampfgedanken höher bewertet als alle Fragen der körperlichen Aktivität. Durch die Assoziation mit dem positiv besetzten Sport hat sie sich auch Anerkennung auf Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung erhofft.

Wie so oft ist es auch hier die Politik, die der Debatte ein Ende setzen könnte: Eine Körperschaft muss laut Abgabenordnung nicht unbedingt den Sport fördern, um als gemeinnützig anerkannt zu werden. Würde der E-Sport beispielsweise als kulturförderndes Phänomen definiert, ständen auch ihm steuerliche Vorteile zu. Und das, ohne Sport zu sein.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2019
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