E-Mail aus China:Hartes Mädchen-Leben

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In China werden die Mädchen benachteiligt, die Frauenfußball-WM soll das ändern. Das Spiel der Deutschen hat die chinesischen Männer jedenfalls schon beeindruckt.

Kathrin Steinbichler

1,3 Milliarden Einwohner, 9,6 Millionen Quadratkilometer, 16 Mannschaften, ein Ziel: Frauenfußball-Weltmeister werden. Vom 10. bis 30. September spielen die besten Teams der Welt, darunter Titelverteidiger Deutschland, in China um die WM 2007. Unsere Sportreporterin Kathrin Steinbichler berichtet während der WM täglich für sueddeutsche.de aus dem Reich der Mitte.

Das offizielle Maskottchen der fünften Frauenfußball-WM heißt Rongrong, ist eine blau-rot gekleidete Mischung aus Mädchen und Mickey Maus und trägt nicht nur einen Fußball unter dem Arm, sondern hat auch ihre Haare unter zwei Fußbällen zu Knoten geflochten. Sie soll, heißt es im WM-Handbuch, chinesische Tugenden verkörpern: Mut, Freundlichkeit, Fairness und die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden.

Das haben Mädchen im riesigen Reich der Mitte auch durchaus nötig. Auch wenn die 1979 eingeführte Ein-Kind-Politik in China nicht, wie im Ausland meist angenommen wird, grundsätzlich und für alle Chinesen gilt (sondern hauptsächlich für Städter, wie es im Familienbuch eingetragen ist), so werden in China dennoch weit weniger Mädchen als Jungen geboren:

Im Zweifelsfall wollen chinesische Eltern lieber einen Jungen als ein Mädchen

Auf 119 geborene Jungen kommen aktuell 100 neugeborene Mädchen, erklärte Richard Bridle, Unicef-Regionaldirektor für Asien und die pazifischen Staaten, bei der Fifa-Pressekonferenz im schnieken Pudong Shangri-La Hotel in Schanghai. "Und das ist keine natürliche Entwicklung", fügt er an. Soll heißen: Im Zweifelsfall wollen die Eltern noch immer lieber einen Jungen als ein Mädchen, was dazu führt, das quer durch das Land Mädchen teilweise wegen ihres Geschlechts abgetrieben werden oder von kleinauf benachteiligt werden.

Unicef und Fifa haben die Frauen-WM in China deshalb zum Anlass genommen, ein weltweites Sportprogramm aufzulegen, "Goals for Girls", das Mädchen und Frauen die Chance bieten soll, Sport und Bildung zu verbinden und so körperlich wie ausbildungstechnisch in die Lage zu kommen, sich zu emanzipieren und selbstbestimmt zu leben. Als Sun Wen, die international bekannte ehemalige chinesische Nationalspielerin und Botschafterin des Programms, diese Worte hört, nickt sie auf dem Podium eindringlich. "Diese WM ist für die chinesischen Mädchen und Frauen sehr wichtig", sagt Wen, "und ich hoffe, ich kann dazu beitragen, ihnen Mut zu machen."

Als Logo für die Kampagne haben Fifa und Unicef das chinesische Schriftzeichen "Nu" ausgewählt, das "weiblich" bedeutet. Ein schwungvolles und zugleich klares Zeichen, das in den nächsten Wochen in China Millionen Menschen als Teil der Kampagne sehen werden, während im Fernsehen die WM-Werbespots mit den chinesischen Fußballerinnen für die WM rauf und runter laufen.

Dazu ist natürlich Rongrong in den Städten omnipräsent. Vor dem Eröffnungsspiel in Schanghai stand an fast jeder Kreuzung eine überdimensionale, modern verschlungene Skulptur mit Rongrong, später im Stadion rannte es noch hundertfach über den Rasen.

Nach dem Eröffnungsspiel der deutschen Frauen gegen Argentinien jedenfalls waren die chinesischen Journalisten ganz aus dem Häuschen ob des tollen Fußballs, den die Frauen gezeigt haben, vor allem die Dynamik der Deutschen hat ihnen imponiert. Mädchen können eben auch was ganz Besonderes sein.

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