Süddeutsche Zeitung

Dzsenifer Marozsan bei der WM:Wie ein Auto mit Einparkhilfe

  • Seit Jahren gilt Dzsenifer Marozsan als das größte Versprechen des Frauenfußballs. Doch irgendetwas ging immer schief.
  • Bei der WM in Kanada sinkt sie im Training unter Schmerzen zusammen. Doch nun lenkt die 23-Jährige das DFB-Team wie keine andere.
  • Zu den Ergebnissen und Spielplan der Frauen-WM geht es hier.

Von Kathrin Steinbichler, Ottawa

Dieses Mal, sagte Dzsenifer Marozsan, sei es irgendwie anders gewesen. "Ich war vor dem Spiel nervös", meinte die 23-Jährige, "mehr als sonst." 49 Länderspiele hat die Tochter des früheren ungarischen Nationalspielers Janos Marozsan schon für die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft bestritten und dabei 25 Tore erzielt. Dieses zweite WM-Vorrundenspiel der Deutschen gegen Norwegen aber war ihr erster Einsatz überhaupt bei einer Weltmeisterschaft. Und der gelang ihr gleich so gut, dass sie nach dem 1:1 (1:0) zur besten Spielerin gekürt wurde.

Seit Jahren gilt Dzsenifer Marozsan als das größte Versprechen des deutschen, wenn nicht gleich des ganzen Frauenfußballs. "In der Profiwelt der Männer hätte sie längst einen Millionenvertrag", meinte einmal Spielführerin Nadine Angerer. So talentiert, so außergewöhnlich und so physisch stark ist die Fußballerin des 1. FFC Frankfurt. Und so sensibel. Als wenn ihr Übermaß an Talent mit einem Übermaß an Gefühlen gekoppelt wäre. "Sie kann Dinge am Ball, für die andere ein Leben lang vergeblich trainieren", meint ihre Frankfurter Nationalmannschaftskollegin Simone Laudehr.

Bei der WM in Deutschland kam das Aus kurz vor Anpfiff

Wie ein Auto mit elektronischer Einparkhilfe weiß Marozsan meist ohne noch einmal aufzuschauen, wie sie sich drehen muss, um den Gegner ins Leere laufen zu lassen, wohin sie den Ball spielen muss, um die Mitspielerin am besten in Szene zu setzen. Auf dem gleichmäßigen Kunstrasen, auf dem bei der WM in Kanada gespielt wird, kommt ihre Technik noch besser zur Geltung. "Sie hat ein unglaubliches Auge und Gespür für das Spiel", lobt Bundestrainerin Silvia Neid.

Schon 2011, bei der Weltmeisterschaft in Deutschland, war Marozsan nominiert. Doch dann riss ihr wenige Wochen zuvor im Training das Innenband im rechten Knie. Der Traum von der WM war vorbei, bevor er begonnen hatte. Auch in Ottawa war Marozsan noch vor dem ersten Spiel unter Schmerzen auf dem Trainingsplatz zusammengesunken. Sie war beim Schlusstraining umgeknickt und holte sich eine Bänderdehnung im Knöchel. "Ich war erst mal geschockt", gesteht Marozsan, "ich wollte auf keinen Fall wieder fehlen." Im ersten Spiel wurde sie noch geschont, gegen Norwegen aber wollte sie mithelfen, dem Gruppensieg einen Schritt näher zu kommen.

Als das Spiel im Lansdowne-Stadion von Ottawa dann lief, war immer wieder mal ein lang gezogenes "Ohhhh" oder "Ahhhh" zu hören, wenn Marozsan am Ball war. Die 23-Jährige gab im Mittelfeld auf beeindruckende Art den Takt vor, einen ihrer Torschüsse konnte Norwegens Ingrid Hjelmseth nicht festhalten und Anja Mittag so zur Führung ins Tor lupfen (6.). So dominant, so ballsicher und spielfreudig trat die deutsche Elf um seine junge Regisseurin auf, dass Nor- wegens Trainer Even Pellerud erkannte: "Sie hätten uns in der ersten Halbzeit killen können." Doch in der zweiten Hälfte verschenkte die deutsche Elf das Spiel und seine Chancen, Maren Mjelde glich per Freistoß aus (61.). "Das darf uns nicht passieren, da müssen wir konsequenter sein", sagte Marozsan. Ihre Entwicklung werden die Fans bald im Ausland verfolgen müssen.

Vergangenen Sommer schon wollte Marozsan trotz laufenden Vertrags zu Olympique Lyon, auch andere Klubs haben Interesse. In einem Jahr nun endet der Kontrakt, dann will Dzsenifer Marozsan wechseln. Sie will nicht wieder eine Chance verpassen.

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SZ vom 13.06.2015
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