Dustin Brown in Wimbledon:Beidhändige Backpfeife für Nadal

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Unbändige Freude: Dustin Brown.

(Foto: AFP)
  • Dustin Brown entnervt Rafael Nadal mit furiosem Angriffstennis, besiegt den Spanier in Wimbledon.
  • 99 Mal stürmt er ans Netz, 72 Mal macht er den Punkt. Und sagt danach: "Ich bin, wie ich bin."
  • So souverän spielte seit Pete Sampras in Wimbledon niemand mehr Serve-and-Volley.
  • Hier geht es zu den aktuellen Ergebnissen aus Wimbledon.

Von Lisa Sonnabend, London

Seine Rastalocken sind nun auf der ganzen Welt bekannt. Doch als Dustin Brown nach dem größten Sieg seiner Karriere zur Pressekonferenz erschien, hatte der deutsche Tennisspieler seine Haare unter einer riesigen, gelben Strickmütze versteckt. Ein paar Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, er grinste beseelt, seine Augen leuchteten. "Das war der wahrscheinlich beste Tag in meinem Leben", sagte Brown.

7:5, 3:6, 6:4, 6:4 hatte der 30-jährige Qualifikant kurz zuvor Rafael Nadal besiegt, den 14-maligen Grand-Slam-Sieger. Und das nicht irgendwo, sondern auf dem Centre Court in Wimbledon, dem berühmtesten Tennisplatz der Welt. Als er am Donnerstagabend seinen dritten Matchball mit einem Ass verwandelte, bekam er von den 15 000 Zuschauern Standing Ovations.

Dustin Brown hatte nicht nur eine Zweit-Runden-Partie gewonnen, er hatte Millionen Menschen auf der Welt begeistert. Weil er so spektakulär Tennis spielt. Aber auch, weil er so anders ist als die meisten Sportler. "Ich bin, wie ich bin", sagte Brown. Der Deutsch-Jamaikaner denkt deswegen gar nicht daran, sich die langen Dreadlocks abzuschneiden. Auch wenn er mit ein paar Kilogramm Haaren weniger ein bisschen beweglicher wäre und in der Weltrangliste vielleicht ein paar Plätze höher stehen würde.

2:34 Stunden hatte der 102. der Weltrangliste sein unkonventionelles Angriffstennis aufgeführt, das ihm vielleicht noch nie in seiner Karriere so gut gelang wie gegen Nadal. 99 Mal stürmte Brown ans Netz, um Serve-and-Volley zu spielen, 72 Mal holte er den Punkt.

Dabei schlug er Bälle, die sonst nur wenige wagen: Den Return chippte er immer wieder frech als Stopp über das Netz. Der eingesprungene, beidhändige Rückhand-Volley ist riskant, erwies sich jedoch auf dem Centre Court als ähnlich gefährlich für den Gegner wie die beidhändige Backpfeife aus den alten Bud-Spencer-Filmen. Alles oder nichts. An diesem Abend gelang Brown alles.

Der Deutsche wusste, dass er dem Gegner sein Spiel aufzwingen musste, um Erfolg zu haben. "Grundlinien-Rallyes wären nicht klug gewesen", erklärte er. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass es so gut funktioniert würde, obwohl er das Spiel auf Gras liebt und Nadal auf diesem Belag bereits vor einem Jahr besiegen konnte, damals im westfälischen Halle. "Ich war überrascht, wie ruhig ich geblieben bin", wunderte sich Brown. Er sei wie im Tunnel gewesen, habe nur gedacht: "Weiter, weiter, mach so weiter."

Sein Trainer reist nach Wimbledon nach

Das gelang ihm. Beim Stand von 5:3 im vierten Satz vergab er zwei Matchbälle, Nadal verkürzte. Als Brown nun zum Matchgewinn aufschlug, servierte er einen Doppelfehler. Doch er begann nicht zu flattern, stattdessen rückte er nach einem zweiten Aufschlag ans Netz vor, zeigte danach ein letztes Mal den eingesprungenen Rückhand-Volley, dann ein starker erster Aufschlag - und zum Schluss ein Ass. So souverän hat in Wimbledon seit Pete Sampras niemand mehr Serve-and-Volley gespielt.

Nadal sah nach dem Match ziemlich mitgenommen aus. "Es war ein harter Tag für mich", sagte der Spanier und musste zugeben, dass er einfach keinen Rhythmus gefunden hatte: weil "es unmöglich war, drei Schläge hintereinander auf die gleiche Weise zu spielen." Stopp, Lob, Volley, Topspin, Slice - der Deutsche hatte ihn entnervt.

Bislang hat es Brown in seiner Karriere nie unter die Top 75 der Weltrangliste geschafft. Statt bei den großen Turnieren anzutreten, tingelt er oft zu kleinen Wettbewerben. Einen Physiotherapeuten oder einen Manager kann er sich nicht leisten. Auch einen festen Trainer hat er nicht.

Als er sich in Wimbledon durch die Qualifikation gekämpft und das Hauptfeld erreicht hatte, buchte Scott Wittenberg noch schnell einen Flug nach London. Den Coach aus Hannover kennt Brown seit er fünf Jahre alt ist.

In der dritten Runde trifft Brown am Samstag auf den Serben Viktor Troicki, die Nummer 24 der Weltrangliste. Ob er dann wieder so spektakuläres Tennis zeigt wie gegen Nadal? "Ich kann jedes Match gewinnen, wenn es läuft", sagte Brown. "Aber ich kann auch schockierend schlecht spielen." So sei das eben mit ihm. Alles oder nichts.

Hier geht es zu den aktuellen Ergebnissen aus Wimbledon.

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