Süddeutsche Zeitung

Düsseldorf - Leipzig:Debüt am Turek-Gedächtnistag

Beim 4:0 in Düsseldorf bietet sich der junge Tyler Adams als neue Option für Leipzig an - bei der Fortuna deutet sich ein Torwart­wechsel an.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Von Toni Turek hatte Tyler Adams bisher noch nichts gehört. Am Sonntagabend erfuhr der 19-Jährige aus den USA erstmals vom deutschen Teufelskerl und Fußballgott der Weltmeisterelf von 1954, weil die Gegenspieler von Fortuna Düsseldorf Turek-Gedächtnistrikots im Retrolook trugen. Tureks Nachfahren auf Fortunas Torhüterposition besitzen allerdings nicht immer einen göttlichen Anstrich, auch das erlebte Adams am Sonntag live. Der kürzlich aus New York zu RB Leipzig gewechselte Mittelfeldspieler stand gerade die ersten 80 Bundesliga-Sekunden seines Lebens auf dem Feld, da nutzte sein Teamkollege Yussuf Poulsen einen schweren Patzer vom Fortuna-Keeper Michael Rensing zur Führung. Das Malheur mündete in einen Leipziger 4:0-Kantersieg.

"Aufregend war's", sagte Adams nach dem Spiel grinsend, englische Wörter sprudelten nur so aus seinem Mund. Kein Wunder. Mit diesem Sieg festigte sein neues Team den vierten, zur Champions League berechtigenden Tabellenplatz.

Der erstaunlich selbstbewusst spielende US-Boy legte dabei ein bemerkenswertes Debüt hin. Adams war laufstärkster Spieler auf dem Feld (11,73 Kilometer), mit den meisten Sprints (97), den meisten gewonnenen Zweikämpfen (17) und mit 81 Prozent erfolgreich zu Mitspielern transportierten Pässen: "Für sein erstes Spiel war das schon sehr, sehr, sehr, sehr gut", lobte der Doppeltorschütze Poulsen. Adams selbst, erst vor drei Wochen nach Leipzig gezogen, winkte bei den Komplimenten hingegen lächelnd ab: "Ach, es ist leicht, mit diesen Jungs zu spielen."

In Düsseldorf war das jedenfalls so. Als Adams noch nicht da war, verloren die Leipziger zuletzt fünf Auswärtspflichtspiele in Serie. Doch sie brachen diesen Fernreisen- Fluch in beeindruckender Manier. "Die Düsseldorfer haben in München unentschieden gespielt und gegen Dortmund gewonnen", betonte Poulsen, um dieses 4:0 bei den zuvor vier Mal nacheinander siegreichen Fortunen richtig eingeordnet zu wissen. Durch das schnelle Tor von Poulsen, einen überraschenden Offensivausbruch von Verteidiger Ibrahima Konaté (9.) und erneut Poulsen (16.) war der Sieg früh eingetütet. Der Österreicher Konrad Laimer (68.) stellte den Endstand her.

Adams war kurzfristig in die Startelf gerückt, weil Kevin Kampl ein Sprunggelenk wehtat. Adams spielte im zentral-defensiven Mittelfeld neben Diego Demme und gewann seine ersten Zweikämpfe mit einer Körpersprache, als besitze er bereits reichlich Erfahrung in der Bundesliga: "Er hat gespielt, als wäre er schon länger bei uns als drei Wochen", lobte Leipzigs Trainer Ralf Rangnick, der Adams durchspielen ließ. Ist Kampl aber wieder fit, dürfte es für Adams schwer sein, sich zu behaupten. Vor dem Kampf um Einsatzzeiten und der Geduld, die man dazu braucht, hat er viel Respekt - das hatte er bereits bei seiner Präsentation in Leipzig erzählt. "Abseits des Feldes", weiß Adams, lauern wohl die größten Herausforderungen.

Das gilt nun auch für Michael Rensing. Düsseldorfs Torhüter ist 34 Jahre alt und hat schon 123 Bundesligaspiele bestritten. Jenes am Sonntagabend war eines seiner übelsten - ausgerechnet im Turek-Trikot. Der frühere Torwart des FC Bayern erlaubte sich einige Patzer und hatte zu zwei Gegentoren einen Beitrag geleistet. Auf der Ersatzbank saß Jaroslav Drobny, ein 39-jähriger erfahrener Torwart, den die Fortuna in der Winterpause von Werder Bremen verpflichtet hat für den Fall, dass sich Rensing verletzt oder mal eine schwache Phase erwischt. Zwei Spiele in der Rückrunde hat es nur gedauert, schon ist der Tscheche Drobny, der bereits bei Hertha BSC unter Trainer Friedhelm Funkel gespielt hat, ein heißes Thema in Düsseldorf - ein 39-Jähriger als Nothelfer für einen formschwachen 34-Jährigen. Aber auch Turek war schon 35 Jahre alt, als er 1954 Weltmeister wurde und für die Fortuna spielte.

Funkel, der die Niederlage insgesamt halbwegs gelassen nahm ("Wir sind keine Roboter. Wir sind Menschen. Wir sind Aufsteiger"), sprach seinem Torwart Rensing nach der Partie nicht sofort das Vertrauen aus: "Wir sehen uns die Szenen noch mal an und diskutieren das dann aus", sagte der 65-Jährige zu Fragen nach einem möglichen Torwartwechsel. Für das nächste Spiel bei der TSG Hoffenheim, in jedem Fall aber für das darauffolgende Pokalspiel bei Schalke 04 und erst recht für die beiden nächsten Heimspiele gegen die Kellerkinder VfB Stuttgart und 1. FC Nürnberg benötigen die Düsseldorfer mehr Sicherheit im eigenen Tor. In diesen beiden Partien können die Fortunen einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt machen. Dafür wollen sie gewappnet sein.

Für die Leipziger geht es bereits am Freitag weiter, dann werden sie in Hannover zur ersten harten Prüfung für den neuen 96-Trainer Thomas Doll. Rangnick will seine Elf dann genau dort weitermachen sehen, wo sie in Düsseldorf aufgehört hatte: mit Leidenschaft, Laufbereitschaft, Tempo und einem "balleroberungsstarken Mittelfeld". In dieser Form ist die Champions League für Leipzig drin. "Wenn wir die am Ende der Saison erreichen", sagte Rangnick, "dann wären wir ziemlich zufrieden."

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SZ vom 29.01.2019
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