Düsseldorf:Besser als 1994

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Düsseldorfs Rückhalt: Torhüter Fredrik Pettersson Wentzel (rechts) beim 4:3 gegen Nürnberg. Die DEG kassierte bislang nur zehn Gegentreffer. (Foto: Zink/imago)

Die traditionsreiche, aber zuletzt nur noch mediokre EG ist die Überraschung der jungen Eishockey-Saison - und stellt die beste Defensive der DEL.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Wer besonders gut spielt, wird bei der Düsseldorfer EG neuerdings gedemütigt. Nach jeder Partie wählt die Mannschaft in der Kabine ihren "Spieler des Spiels", der daraufhin ein selten peinliches Glitzerjacket anziehen muss, mit dem er draußen auf dem Eis mit den Fans die Welle macht. Das silberne Jäckchen, Marke Entertainer aus den Achtzigern, hat der Abwehrspieler Patrick Köppchen in einem Düsseldorfer Karnevalsgeschäft erstanden und nach Absprache mit Kapitän Alexander Barta zur Wandertrophäe erkoren. Das Kuriose ist bloß: Die rituelle Demütigung wirkt Wunder.

Seit sich die zuletzt nur noch mediokre Düsseldorfer Mannschaft den Spaß mit der Glitzerjacke macht, verliert sie nicht mehr, jedenfalls gilt das für die ersten sieben Spiele der Saison. Das ist DEL-Vereinsrekord. 1994 hat die DEG mal die ersten sechs Saisonspiele nicht verloren, das war aber noch in einer Zeit, in der sie um den Titel mitspielte. 1996 hat Düsseldorf den bislang letzten seiner acht Meistertitel gewonnen, kein Wunder also, dass die Eishockeyfans in der NRW-Landeshauptstadt momentan ein bisschen durcheinander sind und sich fragen, was sie von diesem phänomenalen Auftakt halten sollen.

Da wäre zunächst der neue Trainer: Harold Kreis, 59. Der Deutsch-Kanadier war schon mal Coach der DEG vor zehn Jahren. Mit ihm zog der Verein 2009 zum bislang letzten Mal ins DEL-Finale ein, das allerdings gegen Berlin verloren ging. Kreis war zwischendurch in Mannheim und in Zug in der Schweiz, und jetzt fühlt es sich trotz seiner achtjährigen Absenz an, als sei er nie fort gewesen. Die Düsseldorfer spielen sein auf Stabilität basierendes System bislang ziemlich gut und weisen mit 18 Zählern nicht nur die beste Punktausbeute auf, sondern mit erst zehn Gegentreffern vor allem die beste Defensive der Liga.

Der Vorstand hat Erfahrung im Verein, die neuen Spieler haben Erfahrung in der Liga

Die Torhüter Mathias Niederberger und Fredrik Pettersson Wentzel spielen dabei eine wichtige Rolle, sie sind mit Fangquoten von mehr als 95 Prozent beide unter den Top-Goalies der Liga. Diese Qualität kann man natürlich auch auf die Arbeit der Abwehrspieler zurückführen, und da stehen Bernhard Ebner und Ryan McKiernan in der Ligastatistik ganz weit vorn. Ebner ist nicht nur mit neun Scorerpunkten der beste an der Offensivarbeit beteiligte Abwehrspieler, sondern hat mit einer Plus-Minus-Bilanz von sieben auch die beste Quote aus Düsseldorfer Treffern minus Gegentreffern, während er auf dem Eis stand. Kollege McKiernan kommt auf ein Plus-Minus von sechs.

"Wir haben mehr echte Typen in der Mannschaft gebraucht", hat zu Saisonbeginn Manager Stefan Adam gesagt, der schon Geschäftsführer bei den Handball-Bundesligisten THW Kiel und HC Erlangen war und nun seit zwei Jahren daran arbeitet, die DEG für eine bessere Zukunft fit zu machen. Der langjährig verdiente Spieler Niki Mondt wurde zum Sportlichen Leiter ernannt und der langjährig verdiente Spieler Daniel Kreutzer zum Chefscout. Zusammen mit Kreis haben die beiden dann einen Kader aus hauptsächlich deutschen Akteuren zusammengestellt, vor allem aber aus Profis, die sich in der DEL auskennen: zum Beispiel der Rückkehrer Ken-André Olimb oder der gebürtige Düsseldorfer Philip Gogulla von den Kölner Haien.

Man muss sich nur anschauen, wer in den ersten sieben Partien intern zum "Spieler des Spiels" gewählt wurde und das grässliche Jacket tragen musste, um zu sehen, wer die DEG maßgeblich zur Überraschungsmannschaft der noch jungen Saison gemacht hat: Nach dem 2:1 in Mannheim hat sich die Mannschaft im Kollektiv selbst gewählt, nach dem 5:1 gegen Iserlohn den Torwart Niederberger, nach dem 3:0 in Schwenningen den Stürmer Olimb, nach dem 4:3 in Bremerhaven Abwehr-Ass Ebner, nach dem 2:1 in Augsburg den Torwart Petersson Wentzel, nach dem 4:3 gegen Nürnberg den Stürmer Patrick Buzas und jüngst nach dem irritierend deutlichen 5:1 gegen Berlin den Stürmer Gogulla.

Die gute Stimmung im Team zeigt sich auch daran, dass die DEG drei ihrer sieben Siege in der Verlängerung erzielt hat. Das deutet auf eine gewisse Nervenstärke hin, mit der man auch die Partien an diesem Freitag in Wolfsburg und am Sonntag gegen die Krefeld Pinguine gewinnen will. Gegen Krefeld trifft man auch den früheren Gesellschafter Mikhail Ponomarev wieder, der sich nach Querelen aus Düsseldorf verabschiedet hat und kürzlich bei den Pinguinen eingestiegen ist, weil er in Krefeld sowieso schon den Fußball-Drittligisten KFC Uerdingen finanziert. Mit Ponomarev hatte die DEG einst wieder einen Anlauf auf den Titel unternehmen wollen, jetzt ist der Mäzen weg, und siehe da: der Traditionsklub steigt trotzdem wie Phoenix aus der Asche. Noch trauen sie dem Erfolg ja nicht so ganz, aber mit jedem Sieg gewinnt das vernachlässigte Eishockey in Düsseldorf Fans zurück.

© SZ vom 05.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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