DTM-Neuling Nico Müller:Charisma am Steuer

Motorsports DTM german touring cars championship 2014 test drives at Hockenheim Audi Financial; Nico Müller

Einziger Fahrer aus der Schweiz in der neuen DTM-Saison: Nico Müller

(Foto: imago/HochZwei)

Der 22 Jahre alte, redegewandte Nico Müller soll das Audi-Team in der neuen DTM-Saison beleben - mit seinem Talent, vor allem aber seiner Persönlichkeit. Dabei hatte es der Schweizer aufgrund seiner Nationalität schwerer als andere, eine Laufbahn als Rennfahrer zu starten.

Von Johannes Knuth

Für das Kerngeschäft seines Berufs, das Rennfahren, hatte Nico Müller im Winter wenig Zeit. Der 22-Jährige suchte ein Cockpit für diese Saison, die werden bevorzugt an Fahrer mit Talent und viel Geld vergeben. Und weil Müller mit reichlich Talent, aber verhältnismäßig wenig Geld ausgestattet ist, war er täglich unterwegs, fahndete nach Sponsoren, die ihm einen Arbeitsplatz finanzieren sollten. Nebenbei verdiente sich Müller etwas Taschengeld: Er jobbte im Fahrradgeschäft seines Vaters.

Mittlerweile kann sich der Rennfahrer Nico Müller aus dem Schweizer Blumenstein wieder auf den praktischen Teil seines Berufs konzentrieren. Im Januar unterschrieb er einen Werkvertrag bei Audi, als Pilot in der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) im Rosberg-Rennstall, an der Seite von Teamkollege Jamie Green.

Die Serie feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen, an diesem Wochenende startet sie am Hockenheimring in die neue Saison. Müller ist einer von vier Neuen, die einen Startplatz ergattert haben. Weil er gut ist, in seinem Lebenslauf stehen diverse Erfolge aus der GP-3-Serie und der Formel Renault. Weil er bei Audi bereits als Testfahrer ausgeholfen hatte. Weil die DTM-Abteilung des Konzerns unzufrieden mit ihrer Besetzung aus dem Vorjahr war. Und weil Müller eine Gabe mitbringt, die sich nicht in Rundenbestzeiten messen lässt: Charisma.

"Er lässt sich auch gut zu anderen Zwecken einsetzen"

Bei Audi erhoffen sie sich von Müller mittel- bis langfristig nicht nur Podestplätze, sie erwarten sich auch positive Auswirkungen für die Marketingabteilung. Audis DTM-Chef Dieter Gass sagte einmal auf motorsport-total.com: "Er lässt sich auch gut zu anderen Zwecken einsetzen: Er ist wortgewandt und sprachbegabt. Da passt das Paket." In einer Rennserie, die den Zuschauern seit Jahren große Spannung aber kaum große Persönlichkeiten bietet, sind derartige Persönlichkeitswerte fast genauso wertvoll wie der Topspeed auf der Zielgeraden.

Zudem kommt die Fahrer-Familie des Ingolstädter Unternehmens langsam in die Jahre. Jüngeren Piloten aus den verschiedenen Rennställen, die Audi in der DTM unterhält, zum Beispiel Miguel Molina und Adrien Tambay, stammen aus Spanien bzw. Frankreich, sind auf dem deutschsprachigen Markt nur bedingt vermarktbar. Mike Rockenfeller, 30, gewann die Meisterschaft 2013 für Audi, er fuhr konstant aber unaufgeregt, auch neben der Strecke gibt er sich eher zurückhaltend.

Als die DTM vor kurzem eine Fahrerabordnung zu Werbezwecken durchs Land schickte, wählte sie von jedem der drei Motorenhersteller einen Fahrer aus: Martin Tomczyk (BMW), Meister 2011, der Erfahrene. Paul di Resta (Mercedes), Gesamtsieger 2010 mit Mercedes, der es nach drei Jahren in der Formel 1 noch einmal wissen will. Und Nico Müller, der Hoffnungsträger. Der 22-Jährige spielt das Spiel gerne mit, er ist selbstbewusst, er glaubt: "Die großen Namen werden einen Vorteil haben." Doch mittelfristig, sagt er, wolle er um den Titel mitfahren.

"Rundstreckenverbot" in der Schweiz

Nebenbei erhoffen sie sich bei Audi und der DTM einen Effekt beim Publikum aus der Schweiz. Wobei das gar nicht so einfach ist. Die Schweizer waren in der DTM in den vergangenen Jahren zwar durchaus prominent vertreten gewesen, zuletzt mit Alain Menu, Marcel Fässler und Rahel Frey. Doch Müller sagt: "Als Rennfahrer hat man es in der Schweiz eher schwer."

1955 waren beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans zwei Wagen kollidiert, Wrackteile in die Zuschauermenge geflogen, 84 Menschen gestorben. Die Schweiz erließ daraufhin das sogenannte "Rundstreckenverbot". Bis heute dürfen im Land keine Rennfahrer gegeneinander antreten, nationale Meisterschaften tragen die Fahrer im Ausland aus. Die Fans können kein Rennsport-Mekka verehren wie die deutschen Anhänger in Hockenheim oder am Nürburgring, Sponsoren und Medien sind schwerer zu begeistern. Trotzdem spüre er wachsendes Interesse in der Motorsport-Gemeinde, sagt Müller, er glaubt: "In Hockenheim werden wir viele Zuschauer aus der Schweiz sehen."

Neben seinen Aufgaben als Marken- und Landesbotschafter hat Müller natürlich noch einen weiteren Auftrag: möglichst schnell fahren. Das allein stellt schon eine große Herausforderung dar. Der 22-Jährige muss sich im Vergleich zur Formel Renault an den überdachten Tourenwagen gewöhnen, er muss sich mit Optionsreifen, Zusatzgewichten für erfolgreiche Fahrer und anderen Eigenarten des Reglements anfreunden - was gar nicht so diffizil wäre, hätte die DTM nicht in den vergangenen Jahren Trainings- und Testfahrten reduziert. Viele Fahrer äußerten vor der Saison Unverständnis. Müller drückt es so aus: "Gerade als Rookie würde man natürlich gerne noch mehr fahren."

Der 22-Jährige wird also in den laufenden Betrieb einsteigen, ohne seine DTM-Ausbildung vollständig abgeschlossen zu haben. "Wichtig ist zunächst einmal, die Rennen zu beenden und viel Erfahrung mitzunehmen. Davon kann ich später in der Saison dann hoffentlich profitieren", glaubt Müller. Das Ressort "Titelkampf" ist zunächst Teamkollege Green vorbehalten, noch. "Die Zusammenarbeit mit Jamie ist hervorragend. Wir lernen beide voneinander, zurzeit schaue ich mir viel von ihm ab", sagt Müller, dann fügt er an: "Vielleicht ändert sich das Verhältnis ja im Lauf der Saison."

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