DSV-Adler Zweiter:Nicht nachdenken

Skispringen - Weltcup Klingenthal

Die deutschen Skispringer Richard Freitag, Markus Eisenbichler, Andreas Wellinger und Severin Freund (v.l.n.r.) in Klingenthal.

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Deutschlands Skispringer belegen beim Teamwettbewerb in Klingenthal Platz zwei. Bundestrainer Schuster bestätigt damit den Trend der erfolgreichen österreichischen Trainer.

Von Volker Kreisl, Klingenthal

Die bittere Kälte ist angekommen im Dauerschatten an der Schanze, der Winter ist zurück in Klingenthal und im Skispringen sortieren sich die Besten an der Spitze des Feldes. Denn hier findet nicht nur der zweite Weltcup der neuen Saison statt, sondern auch das erste Teamspringen der Saison. An dem lässt sich recht gut ablesen, wie erfolgreich nicht nur der einzelne Springer zuletzt gearbeitet hat, sondern auch die Trainer. Erkennbar war, dass manche da oben auf dem Trainerstand erst einmal die Rollen getauscht haben. Einige, die zuletzt immer die Fäuste ballten vor Glück, schauen plötzlich ratlos drein, und auf jenen Trainerplätzen, auf denen vor einem Jahr noch Verzweiflung herrschte, bricht sich plötzlich Jubel Bahn.

Gemeint ist insbesondere der Mann auf dem Trainerplatz des polnischen Verbandes, also Stefan Horngacher. Der ist Österreicher, war bis vor kurzem noch Co-Trainer im deutschen Verband, und hat vor einem halben Jahr eine weitere Aufgabe im Ausland übernommen, so wie viele andere Landsleute aus dem Sprungland Austria. Und Horngachers Methoden scheinen zu fruchten, jedenfalls weiß der Österreicher nun schon nach zwei Weltcups in seinem neuen Verband, wie sich dessen Nationalhymne anhört.

Österreichische Trainer lassen andere Nationen jubeln

Denn die polnische Mannschaft stand nach den ersten Teamspringen durchaus sensationell ganz oben auf dem Treppchen im Auslaufbereich von Klingenthal, bejubelt von zahlreichen Anhängern, die Grenze ist ja nur grob 100 Kilometer entfernt. "Dieser Teamsieg ist ein historisches Ereignis", sagte Kamil Stoch, der ja Olympiasieger ist, was auch nicht schlecht klingt. Doch diese Rückkehr seiner zuletzt gebeutelten Mannschaft aufs Podium, ja, sogar zum ersten Team-Sieg Polens im Skispringen überhaupt, das wirkte für Stoch gerade genauso bedeutend. Horngacher hat ihn mittels Neueinstellung seiner Anlauf-Position zum derzeit konstantesten Springer der gesamten Weltcup-Gemeinde gemacht. "Entschuldigung!", erklärte Stoch noch, weil er wegen Feierns zu spät zur Pressekonferenz erschienen war.

Auf den zweiten Platz war das deutsche Team gesprungen, ebenfalls trainiert von einem Österreicher, der die dazugehörige Hymne aber längst kennt. Werner Schuster ist seit zehn Jahren dabei, er hat die Deutschen seit Mitte der Nullerjahre aus dem Tief geholt. Dritter wurde die Mannschaft aus Österreich - unter Trainer Heinz Kuttin aus Österreich -, die ebenfalls solide sprang, was dazu führte, dass sich Andreas Kofler, 32 Jahre alt und Vierschanzentournee-Sieger von 2010, erstmals nach langer Zeit wieder in eine Pressekonferenz setzen durfte. "Bin froh, hier zu sein", sagte er dort dann. Dennoch, einige Details müssen die Österreicher noch verbessern - wie die Deutschen.

Der Weltcuprhythmus ist aufgenommen und der erste Jahreshöhepunkt, die Vierschanzentournee in dreieinhalb Wochen, ist nicht mehr weit. "Ich bin auf einem guten Weg, aber ein paar Prozent fehlen noch", sagte zum Beispiel Markus Eisenbichler. Der Siegsdorfer war bereits im ersten Weltcup in Kuusamo mit ordentlichen Weiten aufgefallen, im Mannschaftswettkampf von Klingenthal ist es ihm gelungen, das Niveau knapp unter der Spitze zu stabilisieren. Auch Andreas Wellinger und Richard Freitag gelang ein verlässlicher Auftritt, ebenso dem Teambesten Severin Freund, der sich in Kuusamo ja überraschend an die Spitze des Weltcups gesetzt hatte. Speziell Wellinger und Freitag, die jeweils zwei verlässliche Sprünge auf hohem Niveau zeigten, hätten von diesem Tag profitiert, sagte Schuster: "Das gibt ihnen Kraft."

Topnationen aus dem vergangenen Jahr patzen

Es ist gut möglich, dass die Gruppe mit den Vierschanzen-Siegkandidaten noch größer wird als in den zurückliegenden Ausgaben der Tournee. Schuster jedenfalls hütet sich, jene verfrüht abzuschreiben, deren Teamführer nun auf dem Trainerstand von Klingenthal lange Gesichter machten. Alexander Stöckl etwa, der Österreicher, der die Norweger trainiert und Goran Janus, kein Österreichher sondern ein Slowene, der die Slowenen trainiert, mussten doch herbe Rückschläge hinnehmen. Norwegen wurde Vierter, Slowenien Fünfter, mit dem Kampf ums Podest hatten die beiden Topteams des vergangenen Winters früh nichts zu tun.

Sloweniens Beste, die Prevc-Brüder, waren nicht imstande, das durchschnittliche Niveau der anderen Springer aufzubessern. Peter Prevc, der Dominierende der Saison 15/16, sprang in Klingenthal drei bis vier Meter hinter den Führenden her. Und sein 17 Jahre junger Bruder Domen, haut mal einen Sprung knapp unter dem Schanzenrekord raus - 145 Meter waren es diesmal (Rekord: 146,5 Meter). Und mal kommt er schon bei 125 Metern auf, wie im ersten Durchgang. Bei den Norwegern wiederum befindet sich gerade nur einer, Daniel Andre Tande, auf Weltspitzen-Niveau, die anderen suchen nach ihrer Form, womöglich weil sie allmählich anfangen, über den holperigen Saisonstart von Kuusamo vergangene Woche nachzudenken.

Nachdenken ist der Feind des geschmeidigen Springens, aber so plötzlich wie ein Team von Könnern in diese innere Blockade gerät, kann es auch wieder herausfinden. Schuster weiß das: "Die darf man auf keinen Fall abschreiben", sagt er. Der Winter 2016/2017 ist noch jung.

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