Drittligist RB Leipzig:Zweifelhaftes Getränk stillt den Fußball-Durst

Sportfreunde Lotte - RB Leipzig

Ein Leipziger Fan feiert den Aufstieg in die 3. Liga.

(Foto: dpa)

Der Retortenklub RB Leipzig hat den Aufstieg in die dritte Liga geschafft und ist damit im Profigeschäft angekommen. Es gibt viele gute Gründe, den Klub nicht zu mögen. Doch die Fans in Leipzig sehnen sich nach gutem Fußball - egal, wer ihn bezahlt.

Von Boris Herrmann

RB Leipzig ist im Profigeschäft angekommen. Nach zwei vergeblichen Versuchen hat dieser Retortenklub mit viel Geld und etwas Glück den Aufstieg in die dritte Liga geschafft. Ist deshalb jetzt, wie einige Traditionalisten meinen, die Fußballkultur bedroht? Eher nicht.

Es gibt tausend gute Gründe, RB Leipzig nicht zu mögen. Wobei der hinter dem Künstlernamen "RasenBall" versteckte Investor Red Bull gewiss einer der besseren Gründe ist. Die Brause ist süß und klebrig und das Sportsponsoring des österreichischen Unternehmens schwankt irgendwo zwischen professionell, aufdringlich und verlogen.

Vor allem bei der Vermarktung seiner Extremsportler, die sich von Hochhäusern, Klippen und bisweilen auch aus dem Weltall stürzen, wandelt der Brausehersteller an der Grenze zum Zynismus. Manchmal überschreitet er sie auch. Zahlreiche Red-Bull-Athleten sind schon bei waghalsigen Marketing-Aktionen gestorben. Der Konzern entzieht sich bislang einer ethischen Debatte.

Wer deshalb RB Leipzig verachtet, macht moralisch also nichts falsch. Konsequent wäre es dann aber, auch die Formel 1 doof zu finden, vor allem den Seriensieger Sebastian Vettel in seinem Red-Bull-Auto. Genauso wie das Fußballwunderkind Neymar, die deutschen Spieler Lewis Holtby und Mario Gomez oder die Wintersportler Gregor Schlierenzauer und Miriam Gössner.

Sie alle, und viele andere, haben Werbeverträge mit diesem Konzern. RB-Kritiker müssten auch die deutsche Eishockey-Liga boykottieren. Dort überträgt Servus-TV, der Fernsehsender der bösen Dose.

Stadion mit WM-Erfahrung

Vom Fußball heißt es, er habe besondere Maßstäbe. Das ist ein guter Scherz. Es heißt außerdem, er habe eine ehrliche Tradition, die es zu bewahren gelte. Das ist ein leicht veraltetes Märchen. Die sogenannten "gewachsenen Vereine" tun oft so, als wären sie irgendwann vor dem Sündenfall in paradiesischen Gärten auf Obstbäumen herangereift.

Fakt ist, dass es im Profifußball keinen Verein gibt, der nicht auch kommerzielle Interessen verfolgt - weder hierzulande noch sonst wo. Bei Bundesligisten wie Wolfsburg, Leverkusen oder Hoffenheim ist das offensichtlicher, bei Bayern, Dortmund und Schalke subtiler.

Beim 2009 gegründeten RB Leipzig stehen schätzungsweise 100 Millionen Euro bereit, um den Verein mittelfristig in die erste Liga zu hieven. Das ist keine Sache für Traditionalisten. Es ist aber auch nicht der Untergang des Abendlandes. Vor allem diejenigen, die stets beklagen, dass der Ostfußball schwächelt, sollten zumindest mal einen abwägenden Blick nach Leipzig wagen.

Dort steht ein Stadion mit WM-Erfahrung, daneben entsteht eines der modernsten Leistungszentren der Republik, und so etwas wie eine Fankultur gibt es auch. Zum Relegationshinspiel gegen SF Lotte kamen mehr als 30.000 Zuschauer ins Zentralstadion (Viertliga-Rekord), rund 2500 RB-Anhänger reisten zum Rückspiel nach Westfalen. Das nötigt selbst einigen Kommentatoren in den großen deutschen Ultra-Foren Respekt ab.

Es gibt in Leipzig offenbar eine Sehnsucht nach ordentlichem Fußball - und dass sie von einem zweifelhaften Getränk gestillt wird, ist den Leuten in dieser Stadt offenbar immer noch lieber, als zu verdursten. Nüchtern betrachtet ist der Fußball vor allem ein Millionengeschäft. Und in Leipzig werden inzwischen eben wieder bessere Geschäfte gemacht als früher.

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