Süddeutsche Zeitung

Dritter Turniersieg in Båstad:Schöne neue Welt der Mona Barthel

Ein übermächtiges Idol, die eigene Mutter als Trainerin, dazu eine Abneigung gegen das bizarre Luxusleben auf Tour: Vor nicht allzu langer Zeit hatte Mona Barthel nicht nur auf dem Tennisplatz zu kämpfen. Mit ihrem Turniersieg im schwedischen Båstad beweist sie eine neue Stärke.

Von Matthias Schmid

Mona Barthel lebte früher in ihrer ganz eigenen Welt. Als Vierjährige schleppte sie das Schlägermodell, mit dem auch Steffi Graf spielte, überall hin mit. Sie zog sich die gleichen Kleidchen an und wenn man sie nach ihrem Namen fragte, antworte Mona Barthel: "Steffi Graf."

Heute, 20 Jahre später, füllt sie ihre eigene Identität vollkommen aus. Schon gar nicht mehr mag sie Steffi Grafs Leben führen oder mit ihr verglichen werden. Aber wenn man Parallelen suchen möchte, dann kann man zwischen Barthel und der erfolgreichsten deutschen Tennisspielerin der Geschichte schon einige finden. Nach außen wirkt sie ähnlich distanziert, verschlossen, irgendwie unnahbar. Barthels Spiel ist wie das ihres einstigen Idols kühl, sie spielt schnörkelloses Tennis, ohne große Emotionen.

Am Sonntag im schwedischen Båstad erlebten die Zuschauer eine andere Mona Barthel, eine, die sehr viel lachte und im Sieger-Interview euphorisch erzählte, dass sie früher viel Zeit mit ihrer Familie in Schweden verbracht habe. "Ich liebe das Land im Sommer", sagt sie, "und kann es kaum erwarten zurück zu sein." Man hatte das Gefühl, dass da eine neue Mona Barthel auftrat, selbstbewusster wirkte sie, reifer. Wenige Minuten davor hatte sie ihren dritten Titel auf der Profitour gewonnen. Sie besiegte im Endspiel die Südafrikanerin Chanelle Scheepers 6:3, 7:6 (7:3).

"Das war eine unglaubliche Woche für mich", sagt Barthel. In der Tat war der Turniersieg ungewöhnlich. In den vergangenen Wochen und Monaten deutete nichts darauf hin, dass Barthel ein Turnier gewinnen würde. Erst in der Vorwoche hatte sie in Bad Gastein in der ersten Runde verloren. Auch in Wimbledon lief es nicht wirklich gut, in der zweiten Runde gelangen ihr gegen die spätere Siegerin Petra Kvitova gerade einmal zwei Spiele.

An guten Tagen ist Mona Barthel eine exzellente Spielerin, hochbegabt, sie bringt alles mit, um im Tennis reüssieren zu können. Die mit 1,84 Meter hochgewachsene Frau hat einen mächtigen Aufschlag und auch ihre Grundschläge kann sie enorm beschleunigen. Vor eineinhalb Jahren führte sie der WTA-Computer schon einmal auf Rang 23.

Die guten Tage waren allerdings rar in den vergangenen Monaten. "Es war ein sehr schwieriges Jahr für mich", sagt Barthel selbst. Im Ranking war sie fast aus den Top 100 gefallen. Sie verlor viele Matches, in denen sie hoch geführt hatte. Irgendwie hatte man stets das Gefühl, dass sie mit ihrem Kopf überall ist, nur nicht auf dem Tennisplatz.

Manche behaupten, dass sie zu ihrer Mutter Hannelore ein zu enges Verhältnis habe. Sie ist überall dabei; wenn ihre Tochter trainiert, sitzt sie auf der Bank und schaut zu. Früher war die pensionierte Lehrerin auch ihre Trainerin. Zu Hause in Neumünster in Schleswig-Holstein kümmerte sich ihr Vater, ein Gynäkologe, der früher Junioren-Europameister im Kugelstoßen war, im hauseigenen Fitnessraum um Barthels Kraft- und Konditionstraining. Die drei bildeten eine verschworene Gemeinschaft, für Außenstehende war es schwierig, Zugang zu finden.

Einige Trainer kamen damit nicht zurecht. Erst Daniel Puttkammer scheint sich mit dem engagierten Umfeld arrangiert zu haben. Seit April arbeiten Barthel und der ehemalige Tennisprofi zusammen. "Mona ist dadurch viel konstanter geworden", lobt Barbara Rittner. Die deutsche Fedcupchefin traut Barthel langfristig einen Platz unter den besten zwanzig Tennisspielerinnen der Welt zu. "Der Turniersieg wird ihr viel Selbstvertrauen geben."

Zunächst einmal wirkt er sich vor allem rechnerisch aus. In der neuen Weltrangliste von Montag verbessert sie sich um 19 Ränge auf Platz 42. "Ich bin froh, dass sich die harte Arbeit in den vergangenen Monaten nun ausgezahlt hat", sagt Barthel. Auffällig beim Turnier in Båstad war, dass sie in den entscheidenden Momenten ruhig blieb, nicht mit sich und ihrem Spiel haderte - wie so oft in der Vergangenheit.

Nicht nur im Halbfinale hatte sie gegen die Spanierin Silvia Soler-Espinosa ein 2:4 im dritten Satz aufgeholt, sondern auch im Finale hatte sie sich von einem 3:5-Rückstand nicht beirren lassen. "Ich habe zu mir selber gesagt, verliere jetzt bloß nicht den Satz, weil ich nicht wusste, ob ich noch genügend Energie für den dritten Satz gehabt hätte", erzählt Barthel. Es spricht für ihre neue Stärke, dass sie diesen Durchgang im Tiebreak noch für sich entscheiden konnte.

Ihr Körper braucht jetzt aber dringend eine Pause. "Ich werde ein paar Tage nichts machen", sagt Barthel, anschließend will sie bei Turnieren in den USA auf die US Open vorbereiten. Die Einser-Abiturientin scheint sich mit dem bisweilen bizarren Luxusleben auf der Tour allmählich arrangiert zu haben. "Ich bin nicht der beste Mensch der Welt, nur weil ich ein paar Tennisbälle ins Feld schlagen kann", hat sie einmal nüchtern festgestellt. Zu Beginn ihrer Karriere übernachtete sie auf Campingplätzen. "In Schweden", sagt Barthel, "haben sie mir am besten gefallen."

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