Dritte Liga:Taktischer Wutausbruch

23.10.2021, Fussball 3. Liga 2021/2022, 13.Spieltag, 1. FC Saarbrücken - TSV 1860 München, im Ludwigsparkstadion Saarbr

Bauch rein, Brust raus: Sascha Mölders bereitete das Führungstor der Löwen in Saarbrücken durch Merveille Biankadi vor. Am Ende reichte es wieder nur zu einem Punkt.

(Foto: MIS/imago)

1860 München spielt in Saarbrücken zum bereits siebten Mal in dieser Saison 1:1. Dass das Spiel nicht vollends kippt, ist auch einer emotionalen Intervention von Trainer Michael Köllner zu verdanken.

Von Christoph Leischwitz

Er sei ja kein HB-Männchen, sagte Michael Köllner später, und die Aussage machte bereits klar, dass es durchaus taktischer Natur war, als er sich kurzzeitig genau so aufführte. Jüngeren Lesern sei an dieser Stelle erklärt, dass es sich dabei um eine über 60 Jahre alte Werbefigur eines Tabakkonzerns handelt, die oft in die Luft ging und sich erst beruhigte, wenn sie eine rauchte. In einem Fußballstadion stehen HB-Männchen heutzutage eher auf der Tribüne - gerade den Fans von 1860 München wird ja auch oft Suchtverhalten unterstellt. Und am Samstag, auswärts beim 1. FC Saarbrücken, gingen in der Schlussphase viele Zuschauer in die Luft. Köllner hatte ein zugegebenermaßen recht grobes Foul des Saarbrückers Robin Scheu an Semi Belkahia genutzt, um aufs Feld zu laufen und den Schiedsrichter anzuschreien, und dann den gegnerischen Trainer gleich mit. Der Sechzig-Coach beruhigte sich recht schnell wieder, ebenso wie sein Trainerkollege Uwe Koschinat.

Es lief schon die Nachspielzeit, und er habe aufpassen müssen, "dass der Ludwigspark das Spiel nicht dreht", die Fans im Stadion also. Köllner wollte der emotionalen Überlegenheit etwas entgegensetzen, und das war insofern erfolgreich, als dass kein Tor mehr fiel. Problematisch bleibt natürlich schon, dass es sich um das siebte 1:1 der Sechziger in der laufenden Saison handelte. Und dass die Mannschaft, die den Aufstieg als Ziel ausgegeben hatte, jetzt auf Tabellenrang 16 steht, direkt über dem Strich, der die Abstiegsränge abgrenzt. "Ich kann die ganzen Remis nicht mehr sehen", sagte Sechzigs Torschütze Merveille Biankadi nach Schlusspfiff. Auch im Verein sprechen sie mittlerweile offiziell von einem "1:1-Fluch". Köllner fluchte dann auch noch darüber, wie der Saarbrücker Foulelfmeter, verwandelt durch Julian Günther-Schmidt (81.), zustande gekommen war.

Sascha Mölders zeigt endlich wieder Ansätze seiner schnörkellosen Gefährlichkeit aus der Vorsaison

Es war allerdings ein 1:1 der etwas anderen Sorte gewesen. Diesmal waren die Löwen nicht einem Rückstand hinterhergelaufen, sie hatten geführt, und hätten dann beinahe noch verloren. Sie hatten sich mehr gute Chancen erspielt als in den Partien zuvor, aber auch mehr gute Chancen des Gegners zugelassen. Einige Personalien gingen wegen der hektischen Schlussphase ein wenig unter: Dass da Marius Willsch erstmals nach seiner Schambeinentzündung wieder auf der Bank saß, dass Yannick Deichmann allerdings auf der Rechtsverteidiger-Position auch diesmal wieder mehr als nur ein guter Vertreter war. Oder Sascha Mölders: Der 36-Jährige stand nach drei Pflichtspielen erstmals wieder in der Startelf und zeigte Ansätze seiner schnörkellosen Gefährlichkeit aus der Vorsaison. Etwa, als er nach neun Minuten mit einem Weitschuss aufs kurze Eck beinahe den Saarbrücker Keeper Daniel Batz übertölpelte. Nach 58 Minuten legte er dann mit einer Bauch-rein-Brust-raus-Aktion das Führungstor sehenswert auf.

Als Konsequenz aus dem Ergebnisfluch sei es wichtig, "dass wir bei uns bleiben und uns nicht gegenseitig zerfleischen", sagt Biankadi. Wohl auch mit Blick auf die Mitgliederversammlung am Sonntag war die emotionale Rückendeckung der Funktionäre ebenso taktisch geprägt wie Köllners Wutausbruch. Präsident Robert Reisinger ließ sich gleich nach Schlusspfiff auf dem Feld blicken. "Dass er sehr zufrieden war mit unserem Spiel", sagte Köllner auf die Frage, was ihm Reisinger gesagt habe. Und auch Investor Hasan Ismaik meldete sich mal wieder über Facebook zu Wort: "Lasst die Köpfe nicht hängen, seid nicht traurig", hieß es da väterlich, "mit ein bisschen Glück wären wir heute als Sieger vom Platz gegangen. Es fehlten nur Nuancen." Die Meinung war auffällig einhellig: Das mit den Nuancen hatte Köllner genau so auch gesagt.

Am kommenden Samstag ist Tabellennachbar SC Freiburg II zu Gast. Mit Sicherheit darf man annehmen, dass ein weiteres Unentschieden, egal wie es zustande kommt, die Löwenlaune nicht gerade heben dürfte. Doch ganz aktuell ist tatsächlich erst einmal Vorfreude angesagt: auf das "Highlight-Spiel" (Biankadi) im DFB-Pokal gegen Schalke 04 (Dienstag, 18.30 Uhr). Mit 15 000 HB-Männchen auf der Tribüne, im ausverkauftem Grünwalder also. Die Vorfreude scheint schon allein deshalb so groß zu sein, weil ein Unentschieden unmöglich ist.

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