Süddeutsche Zeitung

Dritte Liga:Raus aus der "modernen Haft"

Sechzig-Trainer Michael Köllner lässt seine Zeit in Quarantäne Revue passieren und fordert gegen Zwickau einen Sieg.

Von Stefan Galler, München

Michael Köllner redete nicht lange um den heißen Brei herum: "Ich bin wieder da", rief der Trainer des TSV 1860 München zu Beginn der Pressekonferenz vor dem Heimspiel diesen Samstag (14 Uhr) gegen den FSV Zwickau in die Runde, nachdem er am vergangenen Wochenende wegen einer Corona-Quarantäne das Auswärtsspiel beim Halleschen FC (1:1) hatte auslassen müssen. Weil Verteidiger Kevin Goden positiv auf das Virus getestet worden war, mussten alle Kontaktpersonen, die noch nicht vollständig geimpft waren, in Isolation. Neben dem Coach betraf das auch die Spieler Yannick Deichmann, Quirin Moll, Keanu Staude und Philipp Steinhart.

Für den Coach war der Zustand, fünf Tage lang in den eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein, offensichtlich kaum auszuhalten: "Das ist wie eine moderne Haft, im Gefängnis ist es teilweise auch nicht anders." Er sei in seiner Wohnung ständig "zwischen Balkon, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Esszimmer" hin- und hergelaufen: "Und mit meiner Frau das Spiel anzuschauen, ist auch nicht gerade das Tollste. Die weiß auch immer alles besser und du musst dich rechtfertigen, wieso die so spielen."

Köllner hatte ja auf eine Sonderregelung gehofft, erwollte seiner Mannschaft trotz der Quarantäne vergangenen Sonntag in Sachsen-Anhalt zur Seite stehen. Der Oberbürgermeister und das Gesundheitsamt der Stadt Halle lehnten jedoch den Zutritt des Löwen-Trainers zum Spiel kurzfristig ab. Nachdem er ebenso wie die vier Spieler am Montag negativ getestet worden war, sind nun bis auf Goden alle wieder im Trainingsbetrieb.

Weil der Eindruck entstanden war, er wolle sich nicht impfen lassen, wird Köllner übelst beleidigt

Seine Erfahrungen nutzte der 51-Jährige am Freitag, um seine ganz persönliche Einschätzung zur Corona- und Impfsituation darzulegen. "Wenn es eine Impflicht geben würde, dann gäbe es keinen Spielraum und dann wäre das auch in Ordnung", sagte Köllner also. Dass aber Menschen, die gemäß der aktuellen Situation frei entscheiden, sich nicht impfen zu lassen, "teilweise stigmatisiert" würden, könne nicht angehen. Das sei wie ein "indirekter Impfzwang", die Situation würde "einen Keil in die Bevölkerung" treiben. "Das tut unserem Land nicht gut." Dabei sei es eben "eine Frage der Eigenverantwortung, eine Frage der Gesundheit", ob man sich impfen lasse. "Und Gesundheit ist Privatsache."

Er selbst sei übelst beleidigt worden, weil der Eindruck entstanden war, er wolle sich nicht impfen lassen. Dabei habe er sich längst nach Gesprächen mit seiner Familie für eine Immunisierung entschieden, auch "um Schaden vom Verein zu nehmen". Der vollständige Impfschutz sei jedoch noch nicht gewährleistet.

Zumindest aber ist Köllner wieder voll einsatzbereit, ebenso wie fast der gesamte Kader. Auch Stürmer Marcel Bär kehrte trotz lädierter Schulter bereits wieder ins Mannschaftstraining zurück. "Bei ihm geht es noch darum, was er sich schon wieder zutraut", sagt der Löwen-Coach, der nach fünf Unentschieden aus den ersten acht Saisonspielen eine klare Ansage macht: "Ein Sieg gegen Zwickau ist Pflicht. Wir brauchen einen Befreiungsschlag." An fehlender Unterstützung wird es nicht liegen, erstmals in dieser Saison dürfen 10 000 Zuschauer ins Grünwalder Stadion kommen, notwendig ist ein 3-G-Nachweis. Etwas überraschend war das Spiel bis Freitagnachmittag noch nicht ausverkauft, es standen noch etwa 500 Tickets zur Verfügung.

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